Große Meister Arnt-Ausstellung im Kölner Museum Schnütgen

Meister der beseelten Skulpturen

Der spätgotischer Bildschnitzer Arnt vom Niederrhein überrascht mit seinen Werken voller Lebendigkeit und Geschichten. Im Kölner Museum Schnütgen gibt es derzeit eine große Ausstellung mit den Werken des Künstlers.

Autor/in:
Birgitt Schippers
Ausstellung "Arnt der Bilderschneider": Heiligenfiguren aus der Werkstatt des Arnt Beeldersnider / © Henning Kaiser (dpa)
Ausstellung "Arnt der Bilderschneider": Heiligenfiguren aus der Werkstatt des Arnt Beeldersnider / © Henning Kaiser ( dpa )

Wer sich die dreidimensionalen Gemälde und Skulpturen des Bildschnitzkünstlers Arnt von Kalkar und Zwolle anschaut, hat das Gefühl, in einem Film zu sein, der kurz auf Pause gestellt wurden. Sie sind so lebendig, so individuell und voller Geschichten, dass es nicht wundern würde, wenn sie gleich wieder anfangen würden zu reden und sich zu bewegen. Es ist beeindruckend, wie der Bildschnitzer Arnt Beeldesnieder diese Lebendigkeit in feinsten Details aus hartem Eichenholz herausgearbeitet hat.

Der Georgsaltar ist ein Augenkino

Eines der Top-Ausstellungswerke ist der Georgsaltar aus der Nikolaikirche in Kalkar. Wie auf einem Wimmelbild wird in sehr emotionalen und lebensechten Szenen mit unendlich vielen Details das Leben des Heiligen Georg plastisch dargestellt – als heldenhafter Ritter in goldener Rüstung, der die Königstochter Aja aus den Klauen des Drachens befreit, oder mit drastischen Horroreffekten sein Martyrium. Niemand wird es unberührt lassen zu sehen, wie der Heilige Georg in einem Kessel mit geschmolzenem Blei gesotten wird oder Holzpflöcke in seinen geschundenen Leib getrieben werden. Dagegen wirken die gemalten Innenflügel dieses Triptychons mit Szenen aus dem Leben der Heiligen Ursula vor der Kulisse von Rom und Köln völlig harmlos.

"Die Figuren müssen die Menschen seiner Zeit fasziniert haben," sagt Direktor Dr. Moritz Woelk, "denn Meister Arndt hat illusionistische Elemente wie Glitzersteine eingearbeitet und die biblischen Geschichten und Heiligenlegenden in die damalige Zeit versetzt, wie man an den Gesichtern und Gewändern oder an der Darstellung der Stadt Kalkar im Hintergrund sehen kann." So vermittelte Meister Arnt mit seinem Altar den Menschen von damals das Gefühl, die biblischen Geschichten und Heiligenlegenden wären gerade erst geschehen.

Der Dreikönigsaltar gibt Rätsel auf

Es mag ein wenig irritieren, dass ein weiteres Hauptwerk der Ausstellung, die beeindruckende, farbenfrohe Altartafel mit der Anbetung der Heiligen Drei Könige, in zwei Teilen mit einer Lücke präsentiert wird. Schon auf den ersten Blick fällt auf, dass die beiden Altarelemente nicht zusammenpassen, denn der Ellenbogen des schwarzen Königs ragt heraus, ohne einen Platz im rechten Reliefteil zu finden. Auch wenn die Kunsthistoriker noch keine Lösung für dieses Rätsel gefunden haben, ist dieses frisch restaurierte Relief eine Augenweide. Besonders der Diener des knienden Königs ganz rechts entlockt bei näherer Betrachtung unwillkürlich ein Lächeln. Denn er scheint nicht wirklich davon überzeugt zu sein, dass die goldenen Preziosen in seinem Rucksack dem nackten Kind in der Krippe geschenkt werden sollten.

Figuren wie im echten Leben

Die berührende Lebendigkeit im Werk des Meisters Arnt begegnet den Besuchern schon am Beginn des Rundgangs. Die Büste eines heiligen Bischofs wirkt wie ein Porträt. Mit tiefem Ernst scheint er sich mit ihn bedrängenden Fragen auseinanderzusetzen. Auch Meister Arnts Passionsdarstellungen sind an emotionaler Unmittelbarkeit nicht zu überbieten. So blickt am Fuße des Kalker Hochaltars der heilige Petrus völlig verunsichert auf Jesus, der ihm die Füße waschen will.

Fast möchte man einen Schritt zurückgehen beim Anblick des unerbittlich dreinblickenden Heiligen Dominikus aus dem Musée Art et Histoire in Brüssel. Weibliche Heiligenfiguren wie die Hl. Luzia oder die Hl. Katharina wirken dagegen weniger individuell, eher entrückt. Kunsthistoriker vermuten, dass Meister Arnt sie dem damals gängigen weiblichen Schönheitsideal unterworfen hat.

Intensive Momente für die Betrachtenden hat Meister Arnt in seinen Christusdarstellungen geschaffen. Besonders eindrucksvoll ist die fast lebensgroße Figur des Schmerzenmanns aus St. Maria Geburt im niederländischen Oostrum. Muskelbepackt wie aus dem Fitnessstudio und mit fast tänzerischem Schritt steht er da und vermittelt unmissverständlich, dass er stärker ist als das Leid der Welt.

Der spät entdeckte Meister

Es ist heute unbestritten, dass Meister Arnt einer der ganz Großen seiner Zeit ist, vergleichbar mit Tilman Riemenschneider. Mit seinen zahlreichen Altaraufsätzen, Heiligenstatuen, Engeldarstellungen und Muttergottes-mit-Kind-Figuren hat er es meisterlich verstanden, biblische Geschichten und Heiligenlegenden unmittelbar in die Herzen der Betrachtenden zu versenken. Erst in den 1950er Jahre wurde sein Gesamtwerk von Kunsthistorikern nach und nach zusammengeführt. Die Meister-Arnt-Ausstellung im Museum Schnütgen ist die erste Ausstellung, die nur mit Werken dieses Ausnahmekünstlers und mit von ihm inspirierten Werken bestückt ist. Trotz der wegen der Corona-Krise verzögerten Ausstellungseröffnung haben alle Leihgeber ihre Objekte zur Verfügung gestellt. Es lohnt, sich Zeit zu nehmen und in die farbenfrohe, lebendige und an berührenden Details reiche Welt des Meister Arnt einzutauchen. Für einen Corona-sensiblen Besuch hat das Museumsteam gesorgt.                    


Ausstellung "Arnt der Bilderschneider": Die Figur "Schmerzensmann aus der Kirche St.Maria Geburt in Ostrum" / © Henning Kaiser (dpa)
Ausstellung "Arnt der Bilderschneider": Die Figur "Schmerzensmann aus der Kirche St.Maria Geburt in Ostrum" / © Henning Kaiser ( dpa )

Ausstellung "Arnt der Bilderschneider": Szene "Martyrium des Hl Georg aus dem Georgsretabel aus der Kirche St. Nicolai in Kalkar" / © Henning Kaiser (dpa)
Ausstellung "Arnt der Bilderschneider": Szene "Martyrium des Hl Georg aus dem Georgsretabel aus der Kirche St. Nicolai in Kalkar" / © Henning Kaiser ( dpa )
Quelle:
DR
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