Vor 150 Jahren wurden in Deutschland erste Postkarten verschickt

Die Welt auf Karton gebannt

1870 erlebte Deutschland seine Postkarten-Premiere. Erfunden wurde das Medium zwar schon ein Jahr zuvor in Österreich-Ungarn. Hierzulande kamen aber erstmals Bilder auf den Karton - angeblich jedenfalls.

Autor/in:
Christopher Beschnitt
Die Postkarte wird 150 / © Tai Dundua (shutterstock)

Der Deutsch-Französische Krieg stand kurz bevor, insofern war die Abbildung passend: Der Oldenburger Hofbuchhändler August Schwartz verschickte am 16. Juli 1870 an einen Magdeburger Verwandten eine Karte mit dem Bild eines im Feld stehenden Kanoniers drauf. Dieser Karton mit der Soldatenzeichnung gilt landläufig als die erste Ansichtskarte; ihr 150. Geburtstag steht demnach an.

Allerdings gibt es Zweifel daran. Darauf verweist Veit Didczuneit. Der Sammlungsleiter des Berliner Museums für Kommunikation sagt, in der Literatur finde sich die Frage, ob Schwartz' Karte vielleicht erst im Nachhinein verziert worden sei. "Die Karte hat lange keiner mehr gesehen, man müsste sie mal genauer untersuchen."

Unschickliche Correspondenz-Karte?

Wie dem auch sei - die Geschichte der Postkarte beginnt ohnehin schon vor August Schwartz. Denn bevor die Karte Bilder bekam, transportierte sie erst mal bloß Worte. Die allererste rein mit Text versehene Pappe - eine "Correspondenz-Karte" - ging bereits am 1. Oktober 1869 im damaligen Österreich-Ungarn auf Reisen.

Am 18. Juni 1870 wurden dann auch in Deutschland erste Postkarten verkauft und gleich schon verschickt, obwohl die Reichspost die Textkarte erst am 1. Juli 1870 offiziell einführte. "Das war in Deutschland die erste Möglichkeit, offenen Karton per Post zu versenden", so Didczuneit. Es handelte sich demnach um Formularvordrucke, etwa für Terminabsprachen.

Kritiker hatten zuvor Bedenken angemeldet. Von "unschicklichen Botschaften auf offenem Postblatt" war laut Didczuneit die Rede. Man habe zurückgehende Einnahmen der Post befürchtet, dass Diener Nachrichten an die Herrschaft lesen könnten und dass die Postkarte zum "Totengräber der Briefkultur" würde. Mangels Absender-Angaben habe es auch Sorge vor Diffamierungen gegeben.

Mehrmals Postzustellungen am Tag

Dennoch wurde die Karte rasch zum Renner, was mehr oder minder wörtlich zu verstehen ist: Denn in Hochzeiten wurden die Karten zumindest in Großstädten mehrfach am Tag ausgeliefert - in Berlin etwa bis zu elfmal -, sodass sie teils nur wenige Stunden unterwegs waren. Zudem war die Postkarte nicht nur schnell, sondern auch günstig: Erst zehn, dann nur noch fünf Pfennig kostete das Porto - bloß halb so viel wie beim Brief. Und beim damals noch üblichen Telegramm wurden schon für ein einziges Wort fünf Pfennig fällig.

Und so wurde die Postkarte immer beliebter, erst recht, als sie dann mit Bildern geschmückt wurde - mag die Idee dazu nun von August Schwartz stammen oder von wem auch immer. Didczuneit erzählt: "1885 wurde die Bildpostkarte in Deutschland offiziell zugelassen, zuvor hatte die Post sie schon jahrelang geduldet. Einen weiteren Schub erlebte sie in den 1890er Jahren, als die Chromolitografie aufkam, ein neues Druckverfahren, das farbige Karten ermöglichte."

Der Senkrechtstrich kam 1905

Allerdings gab es damals noch Probleme bei der Gestaltung: Zunächst hatten sich die Illustrationen mit einer Ecke neben der Adresse zu begnügen. Später wanderten sie auf die andere Seite und mussten sich den Raum mit der Nachricht teilen. 1905 dann erhielt die Ansichtskarte in Deutschland ihre nach wie vor verbreitete Erscheinung: Seither werden Mitteilung und Anschrift auf der einen Seite per Strich voneinander getrennt; auf der anderen prangt das Bild.

Die Motive dienten laut Didczuneit anfangs vor allem der "Aneignung der Welt". Zunächst habe man nämlich vor allem Stadtansichten, besonders von Urlaubsorten, verschickt. Bis ins 20. Jahrhundert hinein seien oft auch Nachrichten auf Karton gebannt worden: 1906 etwa der Brand der Hamburger Hauptkirche Sankt Michaelis, des "Michels".

Einst eine Milliarde Karten pro Jahr

Damals, um die Jahrhundertwende, beförderte die Post noch wesentlich mehr Karten als heute. 1900 waren es rund eine Milliarde, 1982 noch 877 Millionen und 2018 kam man auf 155 Millionen, Tendenz fallend.

Auch in der aktuellen Urlaubssaison dürften wohl wieder weniger Karten verschickt werden - Stichwort Corona. Vor rund 150 Jahren allerdings, da erlebte die Postkarte gerade wegen einer Krise ihren ersten Boom: Soldaten sandten mit ihr im Deutsch-Französischen Krieg ein Lebenszeichen von der Front.


Bretonische Kinder mit Holzschuhen (undatiert) / © nn (KNA)
Bretonische Kinder mit Holzschuhen (undatiert) / © nn ( KNA )

Schweizer "Soldatenweihnacht" auf einer Ansichtskarte von 1915 / © nn (KNA)
Schweizer "Soldatenweihnacht" auf einer Ansichtskarte von 1915 / © nn ( KNA )
Quelle:
KNA