Kirche und Künstler in Corona-Zeiten

"Große existenzielle Sorgen"

Die Corona-Pandemie trifft die Kulturschaffenden besonders hart, erklärt Künstlerseelsorger Josef Sauerborn im Interview. Die Politik könne nicht nur die großen Museen unterstützen, auch die vielen selbstständigen Kulturschaffenden seien durch die Krise bedroht.

Symbolbild Kunst / © Denis Kuvaev (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Was hören Sie von den Künstlern, mit denen Sie Kontakt aufnehmen?

Prälat Josef Sauerborn (Domkapitular und Künstlerseelsorger im Erzbistum Köln): Im Wesentlichen "SOS", Notrufe, die eine Verbindung zwischen großen existenziellen Sorgen und natürlich auch der Verurteilung zur Untätigkeit zeigen.

DOMRADIO.DE: Das eine ist die finanzielle Not. Aber was macht diese Krise seelisch mit den Künstlern – so ganz ohne Publikum und die Wertschätzung ihrer Arbeit? Ist das auch die Sorge um Kulturverlust?

Sauerborn: Das ist mit Sicherheit da. Und wenn wir bedenken, dass dieser Zustand voraussichtlich über ein Jahr anhalten wird und die Abstandsregelungen so lange durchzuhalten sind, ist das wirklich eine ganz ernstzunehmende Fragestellung für das weite Feld der Kulturschaffenden. Das gilt nicht nur in unserem Land, sondern eigentlich in der ganzen Welt.

DOMRADIO.DE: Wie können Sie Künstler in dieser Situation unterstützen – konkret und seelsorgerisch?

Sauerborn: Konkret eigentlich immer nur sehr gering, weil es mit meinen Möglichkeiten finanziell gesehen nicht groß möglich ist. Aber man muss auf die Politik einwirken, die ja angesagt hat, dass sie gerade die Selbstständigen im kulturschaffenden Bereich fördern will. Man muss hier klarmachen: Das kann nicht nur bedeuten, die großen Häuser wie Museen abzustützen! Es geht vielmehr um die gewaltige Landschaft der Kulturschaffenden, die in selbständiger Arbeit ihren Lebensunterhalt erwirtschaften und die oft noch entschiedener gefährdet sind als der Gastronomiebereich, der ja auch in höchsten Existenznöten steckt.

DOMRADIO.DE: Das wichtigste Künstlertreffen des Erzbistums Köln ist der Aschermittwoch der Künstler. Ob er nächstes Jahr stattfinden können wird, kann niemand sagen. Wofür wäre das wichtig? Was bedeutet er Ihnen und den Kunstschaffenden?

Sauerborn: Das ist für die Kunstschaffenden, die sich im Erzbistum treffen, ein eigener Tag, an dem sie sich selber ins Gedächtnis bringen und themenbezogen dann auch ins Gespräch kommen. Unser letzter Aschermittwoch war ja tatsächlich die letzte größere Veranstaltung, die das Erzbistum noch hatte, weil da noch keinerlei Vorschriften erkennbar waren. Das war im Nachhinein gesehen ein Glücksfall, und ich habe da auch keinerlei belastende Dinge gehört.

Aber wichtig wäre eben, dass die kleinen Ausstellungen, die wir im Maternushaus machen, wieder möglich werden. Man kann zwar Kunst aufhängen, das ist keine Frage, aber man kann eben keine Veranstaltung – oder nur sehr kompliziert – durchführen. Dabei sind die Vernissage und ähnliches für die Wahrnehmung der Kunst ganz wichtig.

Übrigens sehr belastet sind auch die Musiker, die Interpreten, alle diejenigen, die in den kleineren Orchestern arbeiten – nicht den großen –, die ja von diesen Aufträgen leben, die teilweise in den Kirchen vergeben werden. Da sollte man – wenn es einen Vertrag gegeben hat wie etwa zu Ostern – finanziell für eine erträgliche Maßnahme sorgen, sodass die Musiker nicht ins Bodenlose fallen. Nach dem Motto: Keine erbrachte Leistung – kein Geld. So dürfte die Kirche nicht verfahren. Das ist eine ganz schwierige Situation, übrigens auch für die Kirchenchöre und die Musik im Erzbistum.

Jetzt hat sich, Gott sei Dank, das Gürzenich-Orchester angeboten, mit einzelnen Instrumentalisten in unseren Gottesdiensten im Kölner Dom aufzutreten. Sie machen es unentgeltlich, um ihre Bereitschaft zu zeigen, wie wichtig dieser ganze Bereich ist, der mit der Musik zusammenhängt. Das nehme ich mit großer Dankbarkeit wahr.

DOMRADIO.DE: Und wie geht es Ihnen? Die Besuche in Ateliers oder Museen fallen ja auch weg aus Ihrem Terminkalender.

Sauerborn: Es ist im vielfachen Sinn sehr einsam geworden. Aber ich habe immer wieder Kontakte und erfahre dann von der schwierigen Situation der Künstlerinnen und Künstler, die ja meistens selbständig sind. Sie machen normalerweise Performances in ihren Ateliers und laden dazu ein und halten so, ich darf das mal so nüchtern ausdrücken, ihr Klientel am Bande. Das alles ist zurzeit nicht möglich. Und das geht über lange Zeit doch enorm ins Schwarze Loch. Es ist wirklich dramatisch!

Ich persönlich komme ja aus einem Künstlerhaushalt – mein Vater war selbstständiger Künstler. Wenn ich mir eine vergleichbare Situation in unserer Familie vorstelle... dann "Gute Nacht!".

Das Interview führte Katharina Geiger.


Domkapitular Josef Sauerborn / © Tomasetti (DR)
Domkapitular Josef Sauerborn / © Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR