"Stabat Mater" - Neue Sakralmusik von Arvo Pärt erschienen

In neuer Vertonung "Ost" und "West" vereint

Ein zweites Mal nach 1985 widmet sich der orthodoxe Este Arvo Pärt dem mittelalterlichen Mariengedicht "Stabat mater". Einst von den Sowjets geächtet, gehört er heute zu den meistbeachteten Komponisten der Gegenwart.

Autor/in:
Robert Mitscha-Eibl
Chor- und Orchestermusik / © Jens Kalaene (dpa)
Chor- und Orchestermusik / © Jens Kalaene ( dpa )

"Stabat mater" - das ist der Beginn eines mittelalterlichen Gedichts mit ungeklärter Autorenschaft. Die lateinischen Verse "Stabat mater dolorosa" (dt.: "Es stand die Mutter schmerzerfüllt") beschreiben die Muttergottes in ihrem Schmerz um den gekreuzigten Jesus. Vertonungen des "Stabat Mater" finden sich quer durch die Musikgeschichte. Die alte gregorianische Choralmelodie wurde bereits von Josquin und Palestrina im 15. bzw. 16. Jahrhundert aufgegriffen. Später folgten Varianten von Vivaldi, Haydn, Schubert, Liszt und Verdi.

Thema des Werks neu verarbeitet

In seinem neuesten Werk hat der estnische russisch-orthodoxe Komponist Arvo Pärt das Thema nun neu bearbeitet. Auch von ihm gab es bereits eine Fassung für Sopran, Alt, Tenor und Streichertrio aus dem Jahr 1985. Nun kommt er noch einmal darauf zurück. Das Werk des 84-Jährigen ist nun auf CD erschienen. Ausführende sind Chor und Orchester des US-Ensembles "Gloriae Dei Cantores" unter der Leitung von Richard K. Pugsley.

Die Sakralmusikkomposition "Stabat Mater" ist nach Ansicht von Musikexperten ein beeindruckendes Beispiel der Begegnung zwischen orthodoxer Auffassung und klassischem westlichem Training. Ost und West seien in Pärts neuem Werk vereint, so die übereinstimmende Sicht der Fachleute.

Die Rolle der Musik in Arvo Pärts Leben

Der 1935 im estnischen Paide geborene Pärt schrieb bereits mit 14 Jahren erste eigene Kompositionen. Später begann er ein Musikstudium, arbeitete als Tonmeister beim Radio und studierte Komposition. Sein neoklassisches Frühwerk wurde von der Musik Schostakowitschs, Prokofjews und Bartoks beeinflusst. Anschließend experimentierte Pärt mit Schönbergs Zwölftontechnik und dem musikalischen Serialismus. Seine Musik erregte den Unwillen sowjetischer Kulturfunktionäre wegen der nicht als "systemkonform" angesehenen modernen Komponierweise, vor allem aber wegen des religiösen Gehalts.

Anfang der 70er Jahre trat Pärt der russisch-orthodoxen Kirche bei. In einer langen schöpferischen Pause (1968-1976), in der die 3. Sinfonie (1971) das einzige autorisierte Werk ist, befasste er sich vor allem mit Gregorianischem Gesang, der Schule von Notre Dame und der Musik der Renaissance (klassische Vokalpolyphonie).

Als Pärt 1976 das Klavierstück "Für Alina" präsentierte, hatte er in der langen Abgeschiedenheit seinen persönlichen Stil entwickelt, in dem die persönliche Gefühlswelt zugunsten einer dem Asketischen entsprungenen Balance zurücktritt. Diese neue Sprache, die für diese Epoche seines Lebenswerkes bestimmend ist, nannte er Tintinnabuli-Stil. "Tintinnabulum" (lateinisch) bedeutet Glöckchenspiel. Gemeint ist das "Klingeln" des Dreiklangs, der für eine Reduktion des Klangmaterials auf das absolut Wesentliche steht.

Meistbeachteter Komponist der Gegenwart

1980 emigrierte Arvo Pärt auf Druck der sowjetischen Regierung mit seiner Familie nach Wien, wo er die österreichische Staatsbürgerschaft erhielt. Von 1981 bis 2008 lebte er in Berlin. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion verbrachte er Teile des Jahres in seiner estnischen Heimat. Heute gehört er zu den meistbeachteten Komponisten der Gegenwart. Immer wieder widmet er sich auch religiösen Themen, etwa bei der 2006 uraufgeführten Auftragskomposition "La Sindone" (Das Grabtuch), einer Orchesterkomposition über das Turiner Grabtuch zu den Olympischen Winterspielen.


Quelle:
KNA