Markus Günther über seinen Roman "Pietà"

Wie begegnen wir Sterben und Tod?

Während der Corona-Krise wird uns bewusst, wie zerbrechlich unser Leben ist. Sterben und Tod lassen sich nicht aus dem Leben verdrängen. In dem Roman "Pietà" erzählt Markus Günther von der Begegnung eines jungen Mannes mit dem Tod seiner Eltern.

Pièta von Michelangelo im Petersdom / © Andreas Zerndl (shutterstock)
Pièta von Michelangelo im Petersdom / © Andreas Zerndl ( shutterstock )

"Uns Lebenden heute fehlt die direkte Erfahrung mit dem Tod, mit dem Sterben und mit dem Toten, mit dem Leichnam selbst", sagt Markus Günther, "eine Erfahrung, die für alle Menschen, die vor uns gelebt haben, selbstverständlich war. Ich glaube, dass das unsere Todesangst befeuert". In der Corona-Krise wird uns bewusst, wie zerbrechlich das Leben ist. Gerade weil wir den Tod verdrängt haben, auf Intensivstationen oder in Pflegeheimen kaserniert und weggesperrt, stehen wir der Todesfurcht wie gelähmt gegenüber.

Markus Günther zitiert in seinem neuen Roman Ernst Jünger. "Jede Furcht, wie abgeleitet sie auch erscheine, ist im Grunde Todesfurcht", schreibt Jünger. "Wenn es dem Menschen gelingt, hier Raum zu schaffen, so wird sich diese Freiheit auch auf jedem anderen Feld geltend machen, das die Furcht regiert. Dann wird er die Riesen fällen, deren Rüstung der Schrecken ist".

Den nackten Leichnam auf dem Schoß

Den Riesen der Todesfurcht zu fällen, darum geht es in "Pietà", dem Roman von Günther. Der Autor erzählt von einem jungen Mann, der sich der Angst vor dem Tod stellt. "Jeder steht vor der Frage, wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was hat das alles für einen Sinn? Das bestimmt im Urgrund unser Leben. Und in gewisser Weise handelt davon auch mein Buch", sagt der Autor.

Den Romantitel "Pietà" hat Markus Günther gewählt, weil ihn eine Predigt über das in der Kunst häufig dargestellte Motiv der Mutter Gottes mit dem Leichnam von Jesus auf den Knien besonders beeindruckt hat. Natürlich seien alle von den "Pieta" Abbildungen begeistert, habe der Geistliche gesagt, aber wer stelle sich schon konkret vor, was hier dargestellt sei. "Würden sie das machen? Würden sie einen nackten Toten auf den Schoß nehmen – selbst wenn es ein naher Angehöriger ist? Können wir das überhaupt noch?", fragte der Priester Dieser einfache Gedanke, sich dieses kunstgeschichtliche Motiv mal für das eigene Leben vorzustellen, habe bei ihm sehr, sehr viele Gedanken ausgelöst, sagt Günther.

Wie der Tod seinen Schrecken verliert

Wie begegnet man der Zumutung des Todes? Wie hält man die Angst aus? Der Romanheld Lutz Brokbals verliert kurz nacheinander Mutter und Vater. Während er den Tod der Mutter nicht wahrhaben will und psychisch auch nicht in der Lage ist, sich von der toten Mutter zu verabschieden, ändert sich das, als kurz darauf sein Vater stirbt. "Er ist dabei, er bleibt dabei – bei diesem langsamen, leidvollen Sterben seines Vaters", erzählt der Autor. "Er bleibt über den Tod hinaus dabei, er kümmert sich mit seinen Geschwistern um die Vorbereitung des Leichnams, die Leiche waschen, anziehen und dergleichen. Und gerade in dieser konkreten sinnlichen Berührung mit dem Tod und dem Toten macht er die verblüffende Erfahrung, dass der Tod seinen Schrecken für ihn zu verlieren beginnt".

Die Frage nach Gott

Markus Günther hat ein hellsichtiges Buch geschrieben, das uns besonders in der Corona-Krise zum Nachdenken einlädt – über unsere Einstellung zum Tod, persönlich und gesellschaftlich. Der Autor sagt, dass die Geschichte seines Romanhelden autobiografisch geprägt sei. Günther ist bekennender Katholik. Sein Roman ist aber alles andere als eine konfessionell geprägte, gar frömmelnde Besinnungslektüre. "Die Hoffnung ist, dass es vielleicht Leser gibt, die, obwohl es sich hier um meine Erfahrungen und meine Erzählung handelt, damit etwas anfangen können", sagt der Autor, "auch in der eigenen Auseinandersetzung mit den existenziellen Fragen des Lebens".

Die Frage nach dem Tod und nach der eigenen Existenz sei immer auch die Frage nach Gott. Das lasse sich, so Günther, gar nicht ganz voneinander trennen. "Insofern steckt mittelbar wie ein roter Faden durch den Roman hindurch dann doch auch die Gottesfrage drin“.

Dabei spielt die Liebe als Wegweiser zum Leben über den Tod hinaus eine entscheidende Rolle. Denn der Romanheld verliebt sich am Ende des Romans. Er heiratet. Liebe und Tod gehören zusammen, sagt Markus Günther. "Denn die Todesangst zu überwinden, heißt das Leben zu bejahen. Vor dem Tod wegzulaufen heißt eigentlich, vor dem Leben wegzulaufen".

Information: Der Roman "Pietà" von Markus Günther ist im Asaph- und Fontis-Verlag erschienen und kostet 20 Euro.
ISBN/EAN: 9783038481898; 1. Auflage.


Kommunikationsdirektor Dr. Markus Günther (Erzbistum Köln)

Pietà im Kölner Dom / © Johannes Schröer (DR)
Pietà im Kölner Dom / © Johannes Schröer ( DR )
Quelle:
DR