Bruder Paulus über die geplante RTL-Show "Die Passion"

"Ob die Botschaft die Menschen erreicht, ist Gottes Sache"

Zu Ostern plant RTL eine neue Show. Thematisiert wird dabei die Leidensgeschichte Christi. Sie soll live mit Sängern und Schauspielern aufgeführt werden. Kann das der Botschaft und dem christlichen Gedanken gerecht werden?

Schauspieler spielen die Passion Christi nach (Archiv) / © Marwan Naamani (dpa)
Schauspieler spielen die Passion Christi nach (Archiv) / © Marwan Naamani ( dpa )

DOMRADIO.DE: Im RTL-Dschungelcamp hocken derzeit wieder Prominente in einem Camp und stellen sich Prüfungen mit exotischen Tieren. Und auch der "Bachelor" sucht wieder eine Angebetete. Zu Ostern soll nun die Leidensgeschichte Jesu Christi zum Event werden. Für Ostern plant RTL eine neue Sendung - mit dem Titel "Die Passion". Dafür sollen bekannte Schauspieler und Sänger mithilfe deutscher Popsongs die Geschichte live nacherzählen. Passt ein solches Format da rein, oder ist das nicht etwas schräg?

Bruder Paulus Terwitte (KNA)
Bruder Paulus Terwitte / ( KNA )

Bruder Paulus Terwitte (Kapuzinermönch und Medienexperte): Ich glaube, dass es einerseits nicht da reinpasst, weil die Passionsgeschichte Jesu Christi tatsächlich die Passion eines Menschen zeigt. Und dieser Mensch wurde aufgrund seiner Verbundenheit mit seinem Vater im Himmel und mit einem gewissen Wertekontext gekreuzigt. Deswegen passt das eigentlich in diesen Fernseh-Kontext nicht rein.

Andererseits passt es dann doch rein, weil der Kreuzweg Jesu Christi über die Jahrhunderte immer wieder Künstlerinnen und Künstler inspiriert hat. Die Darstellungen gibt es sowohl in alten Kathedralen als auch in modernen Kreuzzüge-Darstellungen. Warum soll sie nicht auch in einem Live-Format gezeigt werden? Oberammergau lässt grüßen.

DOMRADIO.DE: Finden Sie es denn legitim, den Kreuzweg und das Leiden Jesu bei RTL zu senden, oder würden Sie sagen: Da geht doch irgendwie die Botschaft verloren?

Bruder Paulus: Ein Kreuz, das am Wegesrand steht, das schaut man an. Die Botschaft dahinter kann nur derjenige verstehen, der von dem Kreuz etwas versteht. Es gibt Leute, die gucken ein Wegkreuz an und denken, da hängt eine Leiche am Baum. Das ist für uns ein despektierlicher Gedanke, wenn jemand so denkt. Aber was sollen denn Menschen tun? Wenn sich die Darstellung der Passion Christi wirklich einem künstlerischen Anspruch stellt, in dieser Darstellung nicht reißerisch ist, dann finde ich das eine legitime Möglichkeit, dass Gott auch auf diesen Frequenzen die Herzen der Menschen erreichen kann.

DOMRADIO.DE: Das heißt, das kommt auch so ein bisschen auf den Betrachter an. Glauben Sie, es besteht eine Chance, damit auch Leute zu erreichen, die ansonsten gar keinen Bezug zur Kirche haben?

Bruder Paulus: Ja, ich glaube, dass Menschen einfach bewegt sind, wenn man sieht, dass ein Unschuldiger so leidet. Dort wurde jemand hingerichtet, der doch per se für den Frieden steht. Leute sind entsetzt, wenn sich jemand für eine gute Sache einsetzt und am Ende muss derjenige darunter leiden. Das erleben Leute, die sich für Werte in Betrieben oder auch für Werte der Schöpfung einsetzen. Das sind Menschen, die erleben einfach, dass das Gute offensichtlich nicht von allen mit Applaus bedacht wird. Das ist bis heute so. Und die Zuschauer werden sehen: All diese Dinge hat dieser Jesus auch erfahren.

Ob sie dann sehen, dass Gott in diesem Jesus all die Dramen dieser Welt schon einmal durchgespielt hat und dass Jesus als Auferstandener ein Hoffnungsanker für alle ist, die leiden müssen, das steht auf einem anderen Blatt. Dass seine Geschichte das Herz erreicht, dafür ist weder RTL noch übrigens die Kirche zuständig. Sie kann auch nur versuchen, den Weg zu zeigen. Ob die Botschaft dann die Menschen erreicht, das ist Gottes Sache.

DOMRADIO.DE: Andere Länder haben auch schon ähnliches versucht auf ihren Fernsehkanälen. Es kam ganz gut an. In den Niederlanden zum Beispiel. Ist es denn nicht vielleicht auch genau der richtige Weg, Religion wieder etwas präsenter in den Medien werden zu lassen?

Bruder Paulus: Ich glaube, dass es nicht richtige und falsche Wege gibt. Natürlich möchte RTL damit hohe Einschaltquoten generieren und die Leute vor die Bildschirme bekommen. Aber ich finde, das sind alles krumme Zeilen, auf die Gott gerade schreiben kann. Wir haben den Spielfilm "The Passion" von Mel Gibson aus dem Jahr 2004 gesehen, wo man sich auch fragen kann, ob da die Botschaft rüber gekommen ist. Oder nehmen wir die Festspiele in Oberammergau. Wenn da Scharen von Chinesen hingekarrt werden, kann man sich auch fragen, ob die die Botschaft verstehen. Die gucken die Folklore an.

Oder verstehen die Karnevalisten beim Karnevalsgottesdienst im Kölner Dom die Botschaft? Das ist für mich aber eine zweitrangige Frage. Es kommt auf die Lauterkeit derer an, die es machen und die Freude, die sie daran haben. Wenn Christus und seine Passion sie inspiriert, dann, glaube ich, kann das auch die Leute, die das gucken, inspirieren.

DOMRADIO.DE: Die kommissarische kirchliche Beauftragte von RTL, Christiane Landwehr, hat gesagt: "Mehr Verkündigung geht nicht, und die RTL-Kompetenz für Musik garantiert eine erfolgreiche Einschaltquote." Wie ordnen Sie das denn ein?

Bruder Paulus: In Österreich haben wir Mozart-Messen und Haydn-Messen gehabt. Ob die Leute Eucharistiefeier wollen, das ist die Frage. Zu meiner Zeit in Österreich ist mir aufgefallen, dass es da mit der Botschaft und mit der Verpackung Verschiebungen gab. Die Leute fanden nur noch die Verpackung schön. Das haben wir doch eigentlich überall, dass die Kirche eine super Verpackung hinstellt. Wir machen Musik, Kirchen und Denkmäler und was nicht noch alles. Aber ob die Menschen dann von der Botschaft erreicht werden?

Das sehe ich in der Innenstadt von Frankfurt. Die Leute gehen durch unsere Kirche durch und sagen: "So what? So what?". Sie sind von der Stille angerührt, aber dass da Auferstehung dahinter steckt, dass sie selber Gottes Kinder sind, dass sie das Evangelium in ihrem Herzen entwickeln sollen, dass sie eine weltumspannende Gemeinschaft mit Achtung und Respekt für jeden bilden sollen, das geht dabei eher unter. Was muss Gott selber tun? Und ich kann Ihnen sagen, dass ich Menschen kennengelernt habe, die gar nicht damit gerechnet haben, dass sie plötzlich gläubig werden, nur weil sie mal in einer guten Messe waren, weil Sie mal Musik gehört haben, weil sie den Kölner Dom gesehen haben. Gott überrascht die Menschen wie er will.

DOMRADIO.DE: Werden Sie sich denn das dann anschauen?

Bruder Paulus: Da ich jeden Tag bete und mein Kreuz in meinem Zimmer angucke, habe ich eigentlich genügend von dem. Ich bin kein großer Fernsehgucker und lasse mich ungern vor der Mattscheibe binden. Aber natürlich macht es mich neugierig, wie die Menschen das machen. Ich werde das sicher aktiv beobachten, damit ich dann vielleicht mit Menschen sprechen kann, die sagen: Ich habe das gesehen, und ich bin jetzt nachdenkenlich.

Das Interview führte Michelle Olion.

Paulus Terwitte OFMCap

Bruder Paulus wurde als Bernhard Gerhard Terwitte 1959 im westmünsterländischen Ahaus geboren. Nach dem Abitur lernte er den Kapuzinerorden kennen. Mit 19 Jahren trat er in den Orden ein, studierte Theologie in Münster und Graz und wurde am 11. Mai 1985 in Münster zum Priester geweiht.

Bruder Paulus Terwitte im Portrait / © Norbert Demuth (KNA)
Bruder Paulus Terwitte im Portrait / © Norbert Demuth ( KNA )
Quelle:
DR