Rafik Schami über 'Die geheime Mission des Kardinals'

"Ich glaube an einen Schöpfer"

Wenn mit Aberglauben Schindluder getrieben wird. Bestsellerautor Rafik Schami hat einen Roman gegen den Aberglauben geschrieben. In 'Die geheime Mission des Kardinals' schickt er einen hohen Geistlichen aus Rom nach Syrien, wo der zwischen alle Fronten gerät.

Rafik Schami / © Arne Wesenberg (DUMONT)
Rafik Schami / © Arne Wesenberg ( DUMONT )

"Je mehr ich mich in die Atomphysik vertieft habe und in die feinsten chemischen Prozesse im Leben, umso mehr erschien mir eine materialistische Weltanschauung naiv – von Leuten, die noch nie etwas mit Naturwissenschaften zu tun hatten". Rafik Schami sagt, er glaube an einen Schöpfer, nicht personalisiert, nicht an den alten Mann mit weißem Bart. Scherzend fügt er hinzu, es könne durchaus sein, dass alte weiße Männer im Jenseits auf eine farbige Frau treffen würden, die über sie als Gott richten könnte. "Das wäre für die Männer sicher die maximale Enttäuschung".

Naturwunder ohne Schöpfer unvorstellbar

Und dann schwärmt Schami von Naturwundern, von Schmetterlingen, die von Marokko bis Großbritannien fliegen, die unterwegs in Frankreich sterben und die nächste Generation setzt dann die Reise fort. "Schmetterlinge, die ein Gehirn so groß wie eine Linse haben", erzählt Schami begeistert, "die wissen von ihrer Bestimmung, die Reise nach Großbritannien fortsetzen zu müssen und auch wieder zurück. Die Geheimnisse der Natur sind ohne einen Schöpfer unvorstellbar", ist der Autor überzeugt.

Religion, Gott und Glauben spielen auch in Rafik Schamis neuem Roman mit dem Titel 'Die Geheime Mission des Kardinals' eine entscheidende Rolle. Ein Kardinal aus dem Vatikan reist nach Syrien, um für den Papst herauszufinden, was es dort mit einem Furore machenden Bergheiligen auf sich hat. Der Kardinal wird ermordet und in ein Fass mit Olivenöl eingelegt und in der italienischen Botschaft abgeliefert. Der syrische Kommissar Barudi soll den oder die Mörder finden. An die Seite wird ihm der von Italien geschickte Ermittler Mancini gestellt. "Der Krimi zieht die Handlung wie eine Lokomotive voran", erzählt Schami, dessen Geschichte dann aber weit über die Kriminalhandlung hinausgeht.

"Uns fehlt der weite Blick"

Der Roman entwirft ein Gesellschaftspanorama Syriens kurz vor dem Bürgerkrieg. Der Aberglaube blüht und Geschäftsmacher nutzen die Not der Menschen aus, um Ihnen billige Heilsbotschaften zu verkaufen. Rafik Schami schildert, wie mit Glauben Schindluder getrieben wird. Er geht aber weiter und nähert sich dem Glutkern des Glaubens. Der Kardinal durchlebt eine Glaubenskrise, er trifft den Bergheiligen und fühlt sich von den Ideen des Heilers angezogen. "Er trifft einen Moslem, der Jesusanhänger ist und ist fasziniert", erzählt Schami. Kurz vor seinem Tod macht sich der Kardinal Notizen über die vom Sufismus geprägten Ideen des Bergheiligen. "Aber der Konflikt bleibt", betont der Autor, "der Konflikt bleibt bis zum Schluss".

So liefert der Autor keine einfachen Lösungen, aber er formuliert einen Appell zur Versöhnung der Kulturen. "Schauen wir, was uns fehlt, der weite Blick, die Verbrüderung mit anderen Völkern, die Achtung der Frau auf Augenhöhe, die Rücksicht auf Kinder. Das sind Werte, die aber auch Arbeit an sich selbst bedeuten".

Wenig Hoffnung auf Frieden in Syrien

Im DOMRADIO.DE Interview spricht Rafik Schami, der aus Syrien vor der Diktatur geflohen ist, auch über die aktuelle Situation seines Landes. "Die Raketen kommen und zerstören das, was man gerade repariert hat", sagt Schami, "die Türken marschieren und erobern den ganzen Norden und sie haben nicht vor zurückzukehren, bis sie die Kurden vernichtet haben. Das ist ein Völkermord gegen die Kurden". Syrien sei eine Kampfarena der internationalen Mächte geworden. "Russland, Israel, die Türkei, Iran usw. wirken mit - in einem kleinen kaputten Land. Das verträgt kein Land", sagt Schami. Er habe nur ganz wenig Hoffnung auf Frieden. "Aber ich halte ein kleine Kerze darunter, damit sie immer warm bleibt".


Quelle:
DR