Kölner Stadtdechant über katholische Schützenbruderschaften

"Auf einem christlichen Fundament"

Im Sauerland wird ein katholischer Pfarrer Schützenkönig. Ist das so ungewöhnlich? Es ist schon etwas Besonderes, meint der Bundespräses der Schützenbruderschaften und Kölner Stadtdechant Robert Kleine. Warum, erklärt er im Interview.

Schützenuniform eines Schützenbruders / © Gerd Vieler (KNA)
Schützenuniform eines Schützenbruders / © Gerd Vieler ( KNA )

DOMRADIO.DE: Für alle, denen das ein bisschen fremd ist, weil sie vielleicht eher mit Karnevalsvereinen zu tun hatten und nicht so viel mit Schützenvereinen: Was ist die Aufgabe eines Schützenkönigs?

Msgr. Robert Kleine (Kölner Stadtdechant und Bundespräses der Schützenbruderschaften): Grob gesagt ist der Schützenkönig der Repräsentant der Schützenvereinigung oder der Bruderschaft. Natürlich gibt es immer einen Vorsitzenden, Präsidenten oder Brudermeister. Aber dann gibt es immer noch für ein Jahr einen Repräsentanten, der wird bei den Schützen meistens durch das Schießen auf eine Scheibe oder auf einen Holzvogel ermittelt.

DOMRADIO.DE: Im Sauerland ist es gerade ein katholischer Pfarrer geworden. Ist das wirklich so überraschend oder ist das nicht eigentlich genauso, wie wenn der örtliche Bäcker oder Schuster Schützenkönig wird?

Kleine: Es ist schon etwas Besonderes. Es gibt ja verschiedene Arten von Schützenvereinen. Es gibt weltliche Schützenvereine und Bruderschaften. Und in Bruderschaften ist der Ortspfarrer oder ein anderer Geistlicher in der Regel der Präses. Beim Schützenfest ist der Pfarrer immer mit dabei und oft gibt es auch einen Gottesdienst.

In der Regel ist es so, dass man nacheinander auf den Vogel schießt, der kein richtiger Vogel mit Flügeln ist, sondern ein Holzkubus. Und jeder, der in der Bruderschaft Mitglied ist, tritt heran, gibt einen Schuss ab. Dabei wird auch nicht immer der beste Schütze Schützenkönig, sondern vielleicht der, der am meisten Glück hat. Wenn der Vogel bereits sturmreif geschossen wurde, dann reicht ein kleiner Schuss und der Vogel fällt herunter. Und dann ist der Betreffende Schützenkönig, kann sich freuen und ist ein Jahr lang Repräsentant.

DOMRADIO.DE: Jetzt machen sich natürlich viele Gedanken darüber, dass es keine Schützenkönigin gibt. Ist das wirklich ein Problem?

Kleine: In vielen Bruderschaften ist vorgesehen, dass es einen Schützenkönig oder eine Schützenkönigin gibt. Wir haben schon mal jüngere Schützenkönige, die vielleicht ihre Freundin oder ihre Verlobte als Schützenkönigin haben. Wenn es eine Schützenkönigin ist, dann gibt es einen Prinzgemahl. Aber wenn jemand nicht verheiratet ist, dann ist es in den meisten Bruderschaften auch nicht vorgesehen, dass es einen König oder eine Königin geben muss, die zur Seite gestellt werden.

DOMRADIO.DE: Sie sind Bundespräses der katholischen Schützenbruderschaften. Was haben denn Glaube und Schützenvereine miteinander zu tun?

Kleine: Viele von diesen katholischen Schützenvereinen, die oft einen Heiligen im Namen haben – St. Sebastianus- oder St.-Hubertus-Bruderschaften –, haben oftmals eine jahrhundertealte Geschichte. Früher waren es die Schützen, die das Allerheiligste bewacht haben. Einige haben eine Tradition, die Bürger zu schützen, die Stadt zu bewachen und für "Glaube, Sitte, Heimat" einzutreten. Oft gibt es das karitative Engagement, die Sorge für die Kirche, Begleitung der Prozessionen und viel Volkstümliches, was durch die Schützenbruderschaften geschieht. Natürlich gehört auch das Feiern dazu. Aber alles auf einem christlichen Fundament.

Und das finde ich etwas sehr Schönes und in vielen Bereichen, auch in unserem Bistum, hat das eine gute Tradition und eine Zukunft. Aber zu gegebener Weise gibt es auch Bereiche und einzelne Ortschaften, wo das nicht mehr so begeistert gelebt wird. Und es gibt auch Bruderschaften, die zu Ende gehen.

DOMRADIO.DE: Warum lohnt es sich heute noch, in einen Schützenverein einzutreten? Was ist das Faszinierende daran?

Kleine: Ich glaube, es gibt eine Parallele zum Karneval. Für Menschen, die außen stehen, sind Karnevalisten die, die sich verkleiden und ein paar jecke Tage haben. Dasselbe gibt es als Vorurteil bei Schützen. Es gibt Umzüge, die ein bisschen militaristisch aussehen, die Schützen trinken und feiern. Aber das Eigentliche spielt sich ja nicht an diesen drei Tagen des Schützenfestes ab, sondern an den anderen 362 Tagen. Das ist ein Zusammenhalt. Da sorgt man füreinander, wenn jemand krank ist oder wenn ein Schützenbruder oder eine Schützenschwester gestorben ist, dann sind auch die Angehörigen immer noch in der Gemeinschaft aufgehoben. Es wird so viel Karitatives durch Schützenbruderschaften getan. Ich bezeichne Karnevalisten und Schützen oftmals als große Bürgerbewegungen.

Und für Menschen, die neu in einen Ort kommen, ist eine Bruderschaft immer eine gute Möglichkeit, anzukommen und Menschen kennenzulernen. Und ich kenne viele, die gerade so Kontakt in eine neue Heimat gefunden haben. Und dann freuen die sich auch, wenn es irgendwann mal die drei Tage gibt, wo man feiert oder wo man einen neuen König ausschießt.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

 

Stadtdechant Msgr. Robert Kleine / © Tomasetti (DR)
Stadtdechant Msgr. Robert Kleine / © Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR