Oberammergau will mit Jugendtagen mehr junges Publikum gewinnen

Bei Jesus ist ein Zimmer frei

Für die Passionsbühne ist es Christian Stückl gelungen, mehr junge Leute einzubinden. Im Publikum saßen eher grauhaarige Köpfe, die sich für das Sterben und Leiden Jesu interessierten. Das soll sich ändern.

Autor/in:
Barbara Just
Passionsspiele Oberammergau  / © Katharina Ebel (KNA)
Passionsspiele Oberammergau / © Katharina Ebel ( KNA )

Mit seinen 23 Lenzen wird Rochus Rückel im nächsten Jahr bei den Oberammergauer Passionsspielen der jüngste Jesus-Darsteller aller Zeiten sein. Und Cengiz Görür, der ihn als Judas verraten wird, ist sogar noch vier Jahre jünger. Regisseur Christian Stückl hat es seit 1990, als er erstmals für die Inszenierung des Leidens und Sterbens Jesus verantwortlich war, geschafft, die Riege der Hauptdarsteller Stück für Stück zu verjüngen. Die Premiere am 16. Mai 2020 steht ganz im Zeichen des Jugendstils.

Stückl ist diesen Weg bewusst gegangen. Ansonsten würde einem irgendwann eine Generation der Laiendarsteller wegbrechen, ist der Theatermann überzeugt. Doch was auf der Bühne geklappt hat, muss im Zuschauerraum noch folgen. "Wir haben zuwenig aufs Publikum geschaut", sagt der Spielleiter kritisch. Auch aus Übersee reisten zuletzt vor allem ältere Besucher an. Einzig von den Amish-People saßen in den ersten Reihen schon mal Eltern mit mehreren Kindern.

"Größte Geschichte aller Zeiten"

Der Jugend von heute mag das, wofür Stückl sie interessieren will, als "konservativer Schmarrn" gelten. Doch der Regisseur ist erfinderisch. Erstmals wird es im Passionsspieljahr vom 7. bis 10. Mai in Oberammergau Jugendtage geben. Als Partner konnte die Gemeinde die katholische und evangelische Kirche gewinnen. Die für die Projektleitung zuständige Pastoralreferentin Angelika Winterer spricht von einer "großartigen Idee und Chance", junge Leute mit der "größten Geschichte aller Zeiten" wieder mehr vertraut zu machen.

Rund 8.000 junge Leute zwischen 16 und 26 Jahren sind eingeladen, auf zwei Tage verteilt Probeaufführungen des sechsstündigen Spiels zu besuchen. Am Ende werden sie nicht sich selbst überlassen. Sie können mit anderen über die Passion reden. Davor soll es Einführungen in Deutsch und Englisch mit Stückl und seinem Team geben.

"Was ist nachhaltig relevant?"

Der Spielleiter macht sich indes Gedanken über die Person Jesus. Freimütig bekennt er: "Ich bin mit dem Passionstext noch lang nicht fertig." Ihn treibt um, wie man in diesen Tagen angesichts der Flüchtlingsproblematik und der gesellschaftlichen Entwicklungen von Jesus erzählt. Nicht wie von einem, der "über Himmelswolken läuft", sondern der auf dem Boden steht. "Was ist nachhaltig relevant, was ist wichtig?" - das sind die Fragen, die den "Fachmann fürs Katholische", wie sie Stückl in der Theaterszene nennen, umtreiben.

Im Ort hofft man nun auf junge Besucher aus aller Welt. Karten fürs Spiel gibts zwischen 8 und 24 Euro. Auch Zwei- und Drei-Tages-Pakete mit Übernachtung und Besuch des Theaters werden angeboten. Dafür haben Hotels und Pensionen deutlich ihre Preise gesenkt. Privathaushalte bieten Sofas und Liegestätten. Sogar der zweite Jesus-Darsteller Frederik Mayet stellt das Gästezimmer seiner Familie zur Verfügung.

Ein ökumenischer Gottesdienst und ein Friedensgebet sind angesetzt, dazu viele Freizeitaktivitäten. Eine App fürs Smartphone soll die Besucher zu Punkten in Oberammergau führen, die mit der Passion in Zusammenhang stehen. Aber keine Angst, katholisch gemacht werde keiner, lautet die Botschaft.

Alle sind willlkommen

Bei der Besetzung des Passionsspiels herrscht längst Vielfalt. Der erste evangelische Hauptdarsteller 1990 war noch eine Sensation, inzwischen ist mit Abdullah Karaca gar ein Muslim zweiter Spielleiter. Stückl setzt auf den Austausch mit unterschiedlichen Nationen und Religionen. Ob Juden, Muslime, Hindus und natürlich Christen, alle sind willkommen.

Dabei ist ihm bewusst, dass indische Jugendliche etwa letztlich auf Sponsoren angewiesen sein werden, um eine solch weite Reise finanziert zu bekommen. Berührungsängste gebe es keine, denn die meisten Hindus gingen in jener Gegend, die der Regisseur im Blick hat, in katholische Schulen. Dazu komme, dass dort in einer katholischen Enklave lange schon ein Passionsspiel aufgeführt werde - mit einem Oberammergauer Textbuch aus den 1920er Jahren.


Christian Stückl, Intendant des Münchner Volkstheaters / © Sven Hoppe (dpa)
Christian Stückl, Intendant des Münchner Volkstheaters / © Sven Hoppe ( dpa )
Quelle:
KNA