Wie Filme die Bibel verarbeiten

Die Erlösung im Kino

Ob Stummfilm oder Hollywood-Blockbuster: Viele Filme greifen auf die Geschichten der Bibel zurück und bringen sie ins Kino. Die Lehren der Bibel werden dabei ganz unterschiedlich umgesetzt. Was fasziniert uns daran also am meisten?

Willem Dafoe in "Die letzte Versuchung Christi" / © KEYSTONE (epd)
Willem Dafoe in "Die letzte Versuchung Christi" / © KEYSTONE ( epd )

DOMRADIO.DE: Wo liegt für Sie der Unterschied zwischen dem direkten und indirekten Bibelfilm?

Manfred Tiemann (Theologe und Autor): Der klassische direkte Bibel-Film nimmt die Bibel als Drehbuchvorlage, teilweise wörtlich. Er setzt sie eins zu eins um und er eignet sich dann offensichtlich gut für das monumentale Kino. Hier vernachlässigen die Filme aber narrative Elemente. Sie bevorzugen dann große Materialschlachten in Massenszenen und aufwendigen Kulissen. Die meisten Kolossalgemälde und historischen Spektakel haben auch gute Zuschauerzahlen eingebracht. Ich denke an drei große Beispiele aus der vergangenen Zeit ich denke an den Film "König der Könige" aus dem Jahr 1961, an den Film "Die größte Geschichte aller Zeiten" aus dem Jahr 1965, oder an den Film "Der Messias" von 1975.

Dagegen bezweifelt der indirekte Bibel-Film die Übertragbarkeit biblischer Inhalte und nimmt eine Veränderung biblischer Gestalten oder Inhalte vor. Hier sind dann die biblischen Figuren nur noch indirekt dabei, gewissermaßen inkognito, unter anderem Namen und fungieren als individuelle Erlöserfiguren. Da denke ich an einen älteren Film, "Pale Rider – Der namenlose Reiter" (1985) zum Beispiel, oder an den Film "The Green Mail" (1999). Die neuen Heldinnen und Helden zeigen ihre Kompetenz als mystische Heroen, als Retter und Erlöser. Sie befreien die Menschen von Krieg, Hunger und Armut. Und sie befriedigen auch die Erlösungssehnsucht der Zuschauer. Erlösung findet dann im Kino statt.

DOMRADIO.DE: Der französische Film "Chocolat" zum Beispiel. Eine Zugezogene, alleinerziehende Frau eröffnet direkt vor der Fastenzeit eine Chocolaterie, also ein Pralinengeschäft. Für das sehr fromme Dorf ist das ein Skandal. Wo ist in dieser Geschichte das biblische Motiv?

Tiemann: Sie haben vollkommen Recht. Dieser Skandal lässt sich ja auch im Neuen Testament finden. Nämlich: Wir haben einen Skandal, dass Jesus bestimmte Gesetze bricht. Ich könnte die Hauptfigur Vianne als weiblichen Heiland bezeichnen. Man könnte fragen, ob sie denn nicht eine moderne Jesus-Gestalt ist. Denn im Film lassen sich so viele Parallelen zu Jesus aufdecken. Da kommt die Fremde und bricht von außen in eine abgeschlossene Gemeinschaft ein. Und da fällt mir die Geschichte ein, als Jesus von einer unbekannten Frau gesalbt wird. Und die Männer murren, wollen das nicht zulassen und die Frau vertreiben.

Ich denke, dass diese Fremde im Film die Schranken mit süßer Schokolade durchbricht und damit genauso wie Jesus die heuchlerische christlich-jüdische Tradition des fanatischen Fastens hinterfragt. Außerdem stellt sie, wie Jesus, die Menschenliebe über die Gesetze und entwickelt zum Schluss ein feines Gespür für die individuellen Wünsche ihrer Kunden. Es ist wirklich schön, diesen Film zu sehen. Ich habe ihn schon zum Filmgottesdienst eingesetzt und er war so beliebt, weil er wirklich Gesetze durchbricht und die menschliche Nähe und Liebe zeigt.

DOMRADIO.DE: "Noah" hat weltweit über 360 Millionen Dollar eingespielt. Anscheinend können biblische Geschichten noch immer im Kino glänzen. Was ist die Faszination?

Tiemann: Das gilt nicht nur für den Noah-Film. Auch "Die Passion Christi" (2004) von Mel Gibson hatte 30 Millionen Dollar Produktionskosten und spielte dann locker über 600 Millionen ein. Die Faszination ging so weit, dass man jetzt eine Fortsetzung gedreht hat, die bald herauskommt. Ich denke, Blockbuster dieser Art sind deshalb so beliebt sind, weil sie versuchen, fiktionale Erzählung zu finden, in denen sich die Zuschauer wiederfinden können. Die Filme zeigen soziale und ethische Problemfelder und sie bieten Positionen und einfache Lösungen an.

Ein gutes Beispiel dafür ist der beliebte Film "Jesus liebt mich" (2012). Es geht darum, dass Jesus die Menschen hier auf Erden noch ein letztes Mal besucht, weil am kommenden Dienstag die Apokalypse sein soll. Er trifft auf dann auf Marie, gespielt von Jessica Schwarz, die an ihrem Hochzeitstag einen Zusammenbruch erleidet und merkt, dass sie ihren Bräutigam nicht liebt. Marie verliebt sich dann in Jesus, der im Film Jeshua heißt.

Der Film greift zahlreiche biblische Szenen aus den neutestamentlichen Überlieferungen auf und spielt auf Jesu Leben und Wirken an. Aber der Film holt die Zuschauer gleichzeitig ganz lustig und humorvoll ab. Und das macht die Qualität eines solchen Filmes aus, dass die Zuschauer nicht pädagogisch in eine Ecke gedrängt oder missionarisch bearbeitet werden, sondern die Zuschauer selber wählen können. Das bewirkt, dass die Zuschauer so fasziniert aus dem Kino herausgehen.

Das Interview führte Beatrice Steineke.


Der schwedische Schauspieler Max von Sydow als Jesus in dem amerikanischen Spielfilm "Die Groesste Geschichte aller Zeiten" / © Röhnert / Keystone (epd)
Der schwedische Schauspieler Max von Sydow als Jesus in dem amerikanischen Spielfilm "Die Groesste Geschichte aller Zeiten" / © Röhnert / Keystone ( epd )

John Huston als "Noah" im Spielfilm "Die Bibel" von 1966 / © Gideon Bachmann Collection (epd)
John Huston als "Noah" im Spielfilm "Die Bibel" von 1966 / © Gideon Bachmann Collection ( epd )
Quelle:
DR