Berlinale endet mit Bären-Verleihung

Berlinale geht tränenreich zu Ende

Die Ära Kosslick ist vorbei. Die 69. Berlinale präsentierte viele gute Filme und kaum Ausreißer nach unten oder oben. Der Hauptpreis für den besten Film ging an "Synonymes" vom israelischen Regisseurs Nadav Lapid.

Autor/in:
Marius Nobach
69. Berlinale / © Jens Kalaene (dpa)
69. Berlinale / © Jens Kalaene ( dpa )

Die Tränen flossen reichlich zum Abschluss der Berlinale. Nicht nur Filmschaffende kämpften mit ihren Emotionen, nachdem sie bei der Preisverleihung am Samstagabend geehrt worden waren. Auch der nach 18 Jahren als Direktor scheidende Dieter Kosslick wurde von Gefühlen überwältigt, als im Berlinale-Palast Applaus und Würdigungen kein Ende nehmen wollten.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) erinnerte an das Engagement des umtriebigen Festivalleiters für gesellschaftlich relevante Themen und seinen Einsatz für politisch verfolgte Filmemacher. "Die Filmwelt verneigt sich in Dankbarkeit", sagte sie.

"Synonymes": Identitätskrise eines Israelis

Den letzten "Goldenen Bären" der Kosslick-Ära für den besten Film nahm der israelische Regisseur Nadav Lapid für sein Drama "Synonymes" entgegen. Die Jury unter Leitung der französischen Schauspielerin Juliette Binoche zeichnete damit einen noch relativ unbekannten Filmemacher aus.

In "Synonymes" greift Lapid Motive aus seiner eigenen Biografie auf und stellt die Identitätskrise eines Israelis dar, der nach dem Umzug nach Frankreich alle Spuren seiner Herkunft aus seinem Leben verbannen will. Der mit symbolischen Bildern und irritierenden Einfällen arbeitende Film zeigt, zu welcher psychischen Belastung diese extreme Selbstverleugnung führt.

Viele versöhnliche Töne

Diese Auszeichnung mutete programmatisch an, muss sich doch auch das Festival die Frage nach einer neuen Identität stellen. Der Jahrgang 2019 hat Kosslicks Nachfolge-Team Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek zumindest keine unerreichbaren Hürden vorgelegt: Ohne einen überragenden Favoriten, aber mit vielen guten Filmen präsentierte sich der Wettbewerb auf gutem Niveau. Abgesehen von Fatih Akins Horrorgemetzel "Der goldene Handschuh" und dem effekthaschenden Historienfilm "Mr. Jones" von Agnieszka Holland gab es kaum Ausreißer nach unten. Thematisch fiel auf, wie viele Filme einen versöhnlichen Ton anschlugen und vom Wunsch nach Harmonie geprägt waren.

Trotzdem blieben auch die politischen Akzente nicht außen vor. Der Rekord von sieben Beiträgen von Regisseurinnen und Kosslicks generelle Förderung deutscher Filme spiegelten sich in der Regie-Auszeichnung von Angela Schanelec für "Ich war zuhause, aber" und im "Alfred-Bauer-Preis" für die Spielfilmdebütantin Nora Fingscheidt mit "Systemsprenger" wider.

"Grace a Dieu" 

Leer ging bei den Bären zwar die vitale Parabel "Gospod postoi, imeto i"e Petrunija" (God Exists, Her Name is Petrunija) aus, dafür hatte jedoch zuvor die Ökumenische Jury diesen Film über eine Frau, die gegen Geschlechterdiskriminierung kämpft, zu ihrem Favoriten gekürt.

Neben diesen Werken mit starken weiblichen Figuren bedachte die Jury aber auch von männlichen Charakteren bevölkerte Filme: Der "Große Preis" für François Ozons Drama "Grace a Dieu" passte zu Kosslicks oft beschworener Zeitaktualität der Berlinale. Ozon erzählt von den Missbrauchsanklagen von rund 70 Männern gegen einen Priester aus Lyon und fragt nach dem Schweigen der katholischen Kirche zum Missbrauch. Mit dem Drehbuchpreis für den italienischen Junggangster-Film "La paranza dei bambini" ehrte die Jury zudem den von der Mafia mit dem Tod bedrohten Autor Roberto Saviano.

Eingriff der chinesischen Zensurbehörde? 

Die beiden Schauspielerpreise gingen an das dreistündige Melodram "Di jiu tian chang" (So Long, My Son), in dem Regisseur Wang Xiaoshuai furios die leidvolle Geschichte eines Elternpaares mit den Umwälzungen der chinesischen Gesellschaft über fast vierzig Jahre hinweg verknüpft. Mit den Auszeichnungen für den sensiblen Film, der kritisch die Folgen der Ein-Kind-Politik zeigt, setzten die Jury-Mitglieder ein weiteres politisches Signal.

Der zur Zeit der Kulturrevolution spielende zweite chinesische Wettbewerbsbeitrag "Yi miao zhong" (One Second) von Zhang Yimou war kurzfristig zurückgezogen worden, offiziell wegen "Problemen in der Post-Produktion". Nachdem Gerüchte über einen Eingriff der chinesischen Zensurbehörde laut geworden waren, nutzte die Jury die Preisvergabe zu einem Appell für die Kunstfreiheit. "Wir hoffen, dass wir diesen Film bald überall auf der Welt sehen können", sagte Juliette Binoche und sorgte damit für eine nachdenkliche Zäsur in der allgemeinen Feierlaune.


Die 69. Berlinale / © Gregor Fischer (dpa)
Die 69. Berlinale / © Gregor Fischer ( dpa )
Quelle:
KNA