Neue Nutzung für alte Gemäuer

Aftershave in der Klosterküche

Wenn die Nonnen oder Mönche weg sind, was soll dann aus dem Kloster werden? Aus Altersgründen und wegen Nachwuchsmangels stehen immer mehr Ordensleute vor dieser Frage.

Autor/in:
Martina Scheffler
Vom Kloster zur Naturkosmetik-Firma  / © Tobias Hase (dpa)
Vom Kloster zur Naturkosmetik-Firma / © Tobias Hase ( dpa )

Der alte Herd steht noch drin, der wird dann für die Rohstoffvorbereitung genutzt. Auch der Backofen lässt sich noch verwenden, zum Pizzabacken oder Kräutertrocknen. Und im ehemaligen Speisesaal, wo einst 80 Ordensschwestern saßen, ist nun der Versand untergebracht. Von da gehen sie jetzt in die Welt, die "Sheabutter Cream", das "Wild Utah After Shave» und das "Baobab Foot Spray".

Im Kloster Wessobrunn im oberbayerischen Landkreis Weilheim-Schongau mit seiner 1000-jährigen Geschichte wird heute Naturkosmetik verkauft, verpackt und bald auch produziert. "Die Produktion kommt ins ehemalige Schwimmbad", sagt Martina Gebhardt, die Frau, die das für seine herrlichen Rokoko-Stuckaturen bekannte Gebäude - zumindest den größten Teil davon - 2014 für ihre Naturkosmetik-Firma gekauft hat. Später wird auch das Vorratslager mit den Ölen einziehen.

Zu alt und zu wenige

Wessobrunn ist ein Beispiel dafür, was aus alten Klöstern wird, die von den Orden aufgegeben werden, etwa weil die verbliebenen Brüder oder Schwestern zu alt und zu wenige geworden sind. So war es auch bei den Missions-Benediktinerinnen von Tutzing im Landkreis Starnberg, die einst auch in dem Wessobrunner Gebäude lebten. "Es hätte uns nicht gefallen, wenn ein Nobelhotel draus gemacht wird" heißt es heute aus Tutzing. "Und natürlich kein russischer Oligarch, kein Rotlicht." Mit dem Verkauf an Gebhardt sind die Benediktinerinnen aber zufrieden: "Das ist sehr in unserem Sinne."

Auch der Wessobrunner Bürgermeister Helmut Dinter sagt: "Das ist eine Nutzung, die relativ gut zum traditionellen Klosternutzen passt." Die Gemeinde habe Befürchtungen gehabt, als feststand, dass es zu einem Verkauf kommen würde. Es habe viele Interessenten gegeben, "auch Scharlatane". "Es war wichtig, dass die Schwestern nicht an jeden verkaufen, sondern dass es zum Ort, zur Gemeinde passt", so Dinter.

Martina Gebhardt, eine studierte Architektin, öffnet ihr Kloster jetzt mitunter für Konzerte, auch Workshops sollen angeboten werden, und Übernachtungen für Seminare. Eine alte Apotheke hat sie auch eingerichtet. "Die Sicherung des Kulturgutes, das ist meine Verantwortung, dafür geben wir das meiste Geld aus.» Dabei gibt die Unternehmerin zu: "Nicht in meinen wildesten Träumen habe ich mir vorgestellt, dass ich diese Verantwortung übernehme." Doch als sie davon hörte, dass das Kloster zum Verkauf stand, habe sie nicht lange gezögert.

Individuelle Lösungen für Klöster

"Der Trend zu Privatpersonen ist da", sagt Ralf Olbrück. Seit 30 Jahren kümmert sich der Geschäftsführer der Vermögensberatung und -verwaltung Pro Secur mit Sitz in Köln und München um die Vermarktung von Klöstern und Ordensgebäuden. Werden die meisten Klöster zu Hotels? Das sei ein Klischee, sagt Olbrück. Jede Lösung sei ganz individuell. Viele Gebäude würden zu Mehrgenerationenhäusern, manche gehen an Stiftungen.

Im Schnitt dauert der Verkauf eines Klosters laut Olbrück zwei Jahre. Meist sind Überalterung und Nachwuchsmangel der Grund für die Schließung. Bundesweit hat sich die Zahl der Männer in Brüderorden der Deutschen Ordensobernkonferenz nach deren Angaben zwischen 1997 und 2017 halbiert - von 330 auf 162. Frauenorden hatten 1997 in Deutschland noch 35 160 Mitglieder, 2017 waren es mit 15 038 weniger als die Hälfte. Auch die Zahl der Mitglieder von Priesterorden sank: von 5721 auf 3642.

Das Kloster Altenhohenau im oberbayerischen Griesstätt bei Rosenheim wurde quasi aufgeteilt: Die Kirche ging an eine Stiftung, das Kloster und eine Schule an einen Privatinvestor, die Ländereien an einen Träger von Behindertenarbeit. "Das war ein schwerer Fall", erinnert sich Olbrück.

Katholische Kriterien

Zehn bis 15 Klöster pro Jahr bringt Olbrück europaweit an den Mann oder die Frau. Manches geht für 350 000 Euro weg, anderes für zehn Millionen. Die teuren Gebäude befinden sich meist in Innenstädten, doch viele Klöster stehen auf dem platten oder bergigen Land. "Vielfach beginnen die Orden zu spät, sich diesen Gedanken zu machen" - verkaufen zu müssen. Manchmal wird auch versucht, dies um jeden Preis zu verhindern, wie im Fall von Altomünster im Landkreis Dachau, wo eine letzte Ordensanwärterin erst nach einem Rechtsstreit auszog.

Wenn es zum Verkauf kommen soll, prüft Pro Secur jeden ernsthaften Investor auf "katholische Kriterien": keine Bordelle, keine Verarbeitung von Schusswaffen oder -pulver. Einmal wollte man Olbrück reinlegen: "Fachpersonal aus Osteuropa für Altenpflege" wollte angeblich ein Kloster für Sprachkurse und andere Fortbildungen nutzen. Die fachliche Erfahrung der Interessenten lag aber eher im horizontalen Bereich. Ein "Eventhaus mit Darkroom" konnte noch verhindert werden.


Quelle:
dpa