Kirchlicher Erlebnisraum in Einkaufszentrum

Shopping für die Seele

Gerade zur Adventszeit werden Einkaufszentren zu hektischen Orten, an denen der Stress herrscht. Dass man dort aber auch zur Ruhe kommen kann, zeigt der Erlebnisraum der Kirche in Sankt Augustin.

Volles Einkaufszentrum / © Daniel Bockwoldt (dpa)
Volles Einkaufszentrum / © Daniel Bockwoldt ( dpa )

DOMRADIO.DE: Herr Tannebaum, ein kirchlicher Raum mitten in einem Einkaufszentrum – wie müssen wir uns das vorstellen?

Marcus Tannebaum (Verein LebensRaum Kirche e.V.): Wir haben den LebensRaum Kirche hier in der huma-Einkaufswelt in Sankt Augustin mit ziemlich hohem Aufwand und, wie ich finde, sehr schön gestaltet. Und er passt ins Einkaufszentrum und ist überraschend. Es geht uns darum, den Besucherinnen und Besuchern einen Erlebnisraum zu bieten.

Man kann Impulse mitnehmen, man findet aber auch einen Platz zum Ausruhen: Wir haben ein paar Sessel hier und ein Sofa, gemütliches Licht und Fenster – das haben nicht alle Shops in der huma-Einkaufswelt. Und es ist auch ein Raum der Begegnung und, wenn Sie möchten, auch, um mit den Ansprechpartnerinnen hier ins Gespräch zu kommen.

DOMRADIO.DE: Was steht hinter dieser Idee?

Tannebaum: Das ist ein langer Weg zu dieser Idee. Es gab vor acht Jahren eine erste Neuplanung für das Einkaufszentrum. Das alte Einkaufszentrum sollte abgerissen und komplett neu gebaut werden – so ist es auch geworden. Und da gab es von Anfang an ein paar Politiker und auch Kontakte mit Kirchenmenschen, die die Idee hatten, es wäre doch gut, wenn es hier einen Raum der Begegnung, für Kontakte und eben auch für die Kirchen gäbe. Und da sind wir ganz früh mit der Geschäftsführung ins Gespräch gekommen.

Und über acht Jahre sind wir dran geblieben und dann haben sich 20 Leute aus verschiedenen Gemeinden mit Planungen beschäftigt und schließlich den Verein LebensRaum Kirche e.V. gegründet. Und der Verein hat sich überlegt: Wer ist hier eigentlich unterwegs im Einkaufszentrum? Was können wir und was wollen wir bieten? Und dann kam man zu der Idee: Wir wollen die Menschen stärken. Wir wollen den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern. Wir wollen für die Besucherinnen und Besucher offen sein. Und deswegen haben wir versucht, ein Angebot zu entwickeln, das im alltäglichen Leben der Menschen vorkommt – ökumenisch, offen, frisch und vielleicht doch überraschend. Eine Erscheinungsform von Kirche mitten in der Öffentlichkeit, im Zentrum unserer Stadt.

Wir fangen jetzt erst mal klein an. Wir haben nur ein paar Öffnungszeiten. Wir haben viele Ideen in Vorbereitung und im Hinterkopf, aber zunächst wollen wir hier mit offenen Augen und Ohren für die Menschen da sein und unsere Marke in der huma Sankt Augustin weiterentwickeln. Und vieles darf dann noch folgen.

DOMRADIO.DE: Findet man dort denn auch einen seelsorgerischen Beistand?

Tannebaum: Immer, wenn Sie in Raum hineinkommen, sind zwei Ansprechpartnerinnen da, die den Raum öffnen, die den Raum auch ein bisschen pflegen, die dafür sorgen, dass die Ausstellung in Ordnung bleibt, die sensible Gastgeber sind – zurückhaltend, aber auch bereit zum Gespräch. Und das haben wir jetzt schon gemerkt: Manchmal geht das Gespräch schnell in eine Tiefe hinein. In unserer Gruppe von Ehrenamtlichen haben wir immer auch einen Hintergrunddienst, wo man nochmal jemanden anrufen kann, wenn Bedarf ist. Wir haben auch die Möglichkeit Seelsorger direkt anzurufen und, wenn es angefragt wird, können wir auch Gespräche vereinbaren oder vermitteln.

DOMRADIO.DE: Seit fast zwei Wochen ist der LebensRaum Kirche nun geöffnet. Wie kommt das denn bei den Menschen auf Einkaufstour an?

Tannebaum: An dem Eröffnungstag und Drumherum war es ziemlich voll. Wir haben natürlich auch viele Gäste eingeladen, auch die Vertreter der Stadtpolitiker und der Förderer des Bistums und den Stiftungen. Da waren über 200 Menschen da und seitdem sind in den drei Stunden, die wir geöffnet haben, immer 20 bis 30 Personen da, die vielleicht 15 bis 30 Minuten oder auch länger bleiben. Es ist immer etwas los, es kommen Einzelne hinein, es kommen Paare und kleine Gruppen.

Und es sind schon viele von den Dingen passiert, wie wir sie uns vorgestellt haben. Da ist dann zum Beispiel mal ein Vater mit seinem Kind gekommen, der ein bisschen Pause brauchte, weil seine Frau mit einem anderen Kind noch auf einer längeren Shoppingtour war, und er erst einmal warten musste. Es gab Menschen, die haben sich mit der Ausstellung beschäftigt und waren da ganz intensiv dabei. Und plötzlich kam man mit denen auch ganz tief ins Gespräch – über das Leben, über Probleme und über Krankheiten. Einmal hatten wir eine Schulklasse eingeladen und bei der nächsten Öffnungszeit kam dann eine Schülerin mit ihrer ganzen Familie vorbei und zeigte ganz begeistert die Ausstellung.

Es wird gut angenommen, die Menschen bringen viele Themen mit. Es gibt eine Stelle, wo sie Themen und Erwartungen aufschreiben können – da kommen ganz unterschiedliche Sachen: die ganz großen Wünsche und die ganz kleinen Wünsche, die ganz persönlichen und auch die vor Weihnachten erwartbaren Wünsche. Wir freuen uns über alle, die reinkommen und suchen natürlich gerne noch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich mit uns auf diese Begegnung vorbereiten, fortbilden lassen und sich einlassen möchten. Und das macht allen, die hier sind, viel Freude.

Das Interview führte Julia Reck.


Quelle:
DR