Diskussion um Weckmann ohne Pfeife

Kinder nicht zum Rauchen verleiten?

Einige Bäcker bieten in diesem Jahr den Weckmann ohne die gewohnte Pfeife an. Warum? Weil man Kinder nicht zum Rauchen verleiten möchte. Ist dies ein richtiger Ansatz oder wird da Tradition gegen gesellschaftlichen Zeitgeist ausgespielt?

Weckmänner mit Pfeife / © Jörg Loeffke (KNA)
Weckmänner mit Pfeife / © Jörg Loeffke ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was steckt hinter dieser Angst, dass Kinder durch die Pfeife zum Rauchen verleitet werden?

Gabriele Dafft (Kulturanthropologin im Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn): Da sieht man, dass so ein sehr traditionelles Gebäck wie der Weckmann, so ein Gebildbrot, eine figürliche Darstellung, durchaus auch ein Spiegel der Zeit ist. Es entwickelt sich daran eine Diskussion ums Rauchen oder auch um Nachhaltigkeit - die Pfeife ist ja auch ein bisschen überflüssiger Müll, den man meiden möchte. Rauchen ist als Wert in der Gesellschaft ja sehr kritisch diskutiert. Jetzt zeigt auch ein traditionelles Gebäck, dass sich da was Gesellschaftliches geändert hat.

DOMRADIO.DE: Seit wann raucht denn der Weckmann überhaupt? Weiß man, wie er zur Pfeife gekommen ist und wann?

Dafft: Ja, das hat eine längere Geschichte. Aber diese Pfeife setzt sich im Grunde erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts als Rauchpfeife durch, sogar erst zum späten 19. Jahrhundert. Seine Gebäck-Vorläufer wurden gerne zum Nikolaustag verteilt, und nicht zum Martinstag. Die hatten eher eine Flöte, also tatsächlich so etwas wie ein Instrument. Nicht zum spielerischem Rauchen, sondern um einen akustischen Ton zu erzeugen. Das war im Grunde der Vorläufer dieser Pfeife.

DOMRADIO.DE: Wie kam es dann zur Pfeife?

Dafft: Eine plausible Erklärung, die wir im Institut für Landeskunde verfolgen, ist im Grunde: Im 19. Jahrhundert wurde der Weckmann mit Tonpfeifen aus der Westerwälder Pfeifenproduktion bestückt. Die hatte nicht mehr so gute Absatzchancen, weil statt der Tonpfeife, die wirklich zum Rauchen gedacht war, andere Rauchobjekte aufkamen, zum Beispiel die Zigarre oder Zigarette. Und man hat geschaut, wie man jetzt dieses Spielzeug untergebracht bekommt. Die Pfeife setzte sich dann beim Weckmann durch.

Eine andere beliebte Geschichte, die auch kursiert, ist, dass das im Grunde ein umgedrehter Bischofsstab ist, die Pfeife im Grunde einfach umgedreht wurde, vielleicht auch nach der Reformation.

Es wurde von der Reformation verlangt, sich bei christlichen Symbolen im Grunde sehr zurückzuhalten. Es könnte sein, dass dann pfiffige Bäcker darauf gekommen sind, trotzdem den Bischofsstab wieder dazuzugeben, indem sie im Grunde die Pfeife als umgedrehten Stab einbackten. Ist eine schöne Geschichte, aber ob die stimmt?

DOMRADIO.DE: Ist der Weckmann denn ein besonderes Beispiel dafür, dass so ein Gebäck mit der Zeit geht? Kennen wir das auch von anderem Gebäck, dass sich das mit der voranschreitenden Kulturentwicklung ändert?

Dafft: Es gibt immer wieder Beispiele, dass sich Formen verändern oder dass die Geschichten, die zu diesen Gebildbroten erzählt werden, dann auf einmal eine andere sind, als ursprünglich bekannt. Ich finde es bemerkenswert beim Weckmann, dass da so die Emotionen hochkochen. Das ist tatsächlich das einzige Beispiel, was mir einfällt, wo das so intensiv betrieben wird. Das zeigt im Grunde, dass viele Menschen auch viele Erinnerungen mit den Weckmännern verknüpfen. Der Diskurs ist immer sehr stark, wenn sich bei solchen liebgewordenen Traditionen auf einmal etwas verändert. Das spricht eigentlich nur für die Relevanz des Weckmanns.

DOMRADIO.DE: Meinen Sie denn, dass dieser neue Weckmann ohne Pfeife sich durchsetzen kann, wo wir alle an den vertrauten Ritualen hängen?

Dafft: Wir merken gerade, das ist tatsächlich eine starke Diskussion, und ursprünglich auch immer als Spielzeug gedacht, hatte die Pfeife auch nie die Funktion als Instrument, mit dem man tatsächlich mit rauchen kann. Natürlich haben Kinder immer mal wieder probiert, vielleicht auch Kamillentee oder sonst was damit zu rauchen. Ob das aber tatsächlich zum Rauchen verleitet, sei dahingestellt.

Es wird auch in anderer Weise als Spielzeug benutzt, früher auch durchaus gesammelt, vorsichtig mit umgegangen, dass die Pfeife bloß nicht zerbricht oder zum Seifenblasen war sie durchaus auch geeignet. Dieses Spielzeug hat schon einen Mehrwert. Ob man es einfach weglassen kann, ist dann die Frage. Man vermisst was in der Optik. Wir werden beobachten, wohin es geht. Man hat auch versucht, einen Lolli einzubacken, das kommt aber auch gar nicht so großartig an.

DOMRADIO.DE: Der rosarote Zuckerlolli im Arm, was sagt der dann wieder aus über unsere Gesellschaft?

Dafft: Dann ist es wieder der Zucker, der zu kritisieren ist. Man merkt, wenn es in der Diskussion ist, dann ist es auch ein Stück weit ein lebendiges Ritual. Das sehe ich beim Weckmann ganz deutlich, dass das auch so ein Faktor ist, der im Grunde unseren Jahreskreis bestimmt. Man sieht den dann wieder in der Bäckerei, freut sich, ach, es ist wieder so weit. Und er verschwindet auch erst mal nicht aus unserem Bewusstsein, das ist auch im Grunde der Indikator, der der Diskussion abzulesen ist.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Sankt Martinszug / © Harald Oppitz (KNA)
Sankt Martinszug / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR
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