Georgien ist Ehrengast der 70. Frankfurter Buchmesse

"Sehr lebendig und kritisch"

​Viele Menschen denken bei Georgien vor allem an seine bewegte Geschichte - oder den Wein. Auf der Frankfurter Buchmesse kann man nun in die Literatur des Landes eintauchen.

Autor/in:
Leticia Witte
Blick auf Georgiens Hauptstadt Tiflis / © Markus Nowak (KNA)
Blick auf Georgiens Hauptstadt Tiflis / © Markus Nowak ( KNA )

Das geschwungene Alphabet gehört zum Unesco-Welterbe, die literarische Tradition ist Jahrhunderte alt. In den Werken begegnen sich orientalische und westliche Einflüsse. Georgien ist ein Staat zwischen Europa und Asien, eines der ersten christlichen Länder, orthodox geprägt - und in diesem Jahr Ehrengast der 70. Frankfurter Buchmesse.

Vom 10. bis zum 14. Oktober stellt sich das kleine Land mit nur etwa 4,9 Millionen Einwohnern auf der weltgrößten Bücherschau vor. Bis vor kurzem dürfte die georgische Literaturszene außerhalb der Kaukasusrepublik wohl vor allem Spezialisten und Literaturkritikern vertraut gewesen sein.

Mehr als 70 georgische Autoren

"Das ist eine uralte Kulturnation, von der wir wenig mitbekommen", sagt auch Kirsten Lehnert vom Pressebüro für den Ehrengast Georgien, das in Bonn angesiedelt ist. Doch in den vergangenen Monaten hat sich einiges getan, um georgische Autoren und ihre Bücher einem breiteren Publikum vertraut zu machen: Allein in deutscher Sprache erscheinen zwischen Herbst 2017 und Dezember 2018 den Angaben zufolge 160 Titel in 70 deutschsprachigen Verlagen. Seit der Gründung eines Übersetzungsförderungsprogramms 2010 seien es sogar schon 200.

Und noch eine Zahl: Auf der Buchmesse werden mehr als 70 georgische Autoren erwartet, die bei Lesungen, Workshops und Konferenzen ihre Werke auf Deutsch vorstellen wollen. Darunter Aka Morchiladze ("Reise nach Karabach"), der im Programm als Hauptredner des Ehrengastes auf der Buchmesse geführt wird, sowie der in Berlin lebende Zaza Burchuladze ("Touristenfrühstück") oder die in Hamburg wohnende Autorin Nino Haratischwili, deren Roman "Die Katze und der General" unter den sechs Finalisten für den Deutschen Buchpreis 2018 war.

"Koexistenz von Verschiedenem"

In einer Videobotschaft zur Buchmesse 2017 machte Haratischwili Appetit auf den diesjährigen Ehrengast: Sie wünsche sich, dass "sich Georgien in Frankfurt in all seinen Widersprüchen und all seinen Extremen zeigt, in all seinen Fehlern und all seiner Pracht". Es könne sich lohnen, so die 35-Jährige weiter, "die europäische Literatur um die georgische zu erweitern - weil die Vielfalt, die Koexistenz von Verschiedenem als Idee genau das ist, was für mich Europa ausmacht und was heutzutage leider oftmals in Frage gestellt wird".

Wenn man Experten fragt, was die georgische Literaturszene ausmacht, heißt es, sie sei "sehr lebendig und kritisch" - und vor allem auf die Hauptstadt Tiflis konzentriert. So beschreiben es Lehnert und ihre Kollegin Mirjam Flender. "Die Autoren haben etwas zu erzählen", sagen sie - etwa über die Auseinandersetzungen wegen Abchasien und Südossetien.

Kritik an der orthodoxen Kirche

Ein Rückblick: Im Jahr des Auftritts als Ehrengast auf der Buchmesse begeht Georgien den 100. Jahrestag seiner ersten Unabhängigkeit von 1918. Ein paar Jahre später gehörte es dann zur Sowjetunion; nach deren Zerfall wurde Georgien 1991 zum zweiten Mal unabhängig. Seitdem gibt es Konflikte um die Regionen Abchasien und Südossetien, die Eigenstaatlichkeit anstreben. 2008 eskalierte der Konflikt nach einem Einmarsch georgischer Truppen in die südossetische Hauptstadt Zchinwali zum "Fünf-Tage-Krieg" zwischen Georgien und Russland.

Aber nicht nur diese Konflikte würden angesprochen, sagt Flender. Es gehe zum Beispiel auch um Kritik an der orthodoxen Kirche oder am Umgang mit Menschen mit Behinderung. Das Thema greift etwa Ekaterine Togonidze in ihrem Buch "Einsame Schwestern" auf, in dem sie die charakterlich sehr unterschiedlichen siamesischen Zwillinge Lina und Diana, die auch als "Freaks" in einem Zirkus arbeiten müssen, Tagebuch führen lässt.

Mehr als Literatur

Die Gestalter des Ehrengast-Auftritts wollen nicht nur neugierig auf die Literatur machen. Zum Rahmenprogramm gehören beispielsweise Ausstellungen zum Alphabet, Auftritte des Nationalballetts sowie eines DJs aus dem Elektroclub Bassiani in Tiflis. Hinzu kommen Theater- und Filmvorführungen sowie Verkostungen georgischen Weins - getreu der Ankündigung von Kulturminister Mikheil Giorgadze. Der hatte auf der Buchmesse 2017 eine "Feier der Literatur, Kultur und Kreativität" versprochen.


Autorin Nino Haratischwili / © Arne Dedert (dpa)
Autorin Nino Haratischwili / © Arne Dedert ( dpa )
Quelle:
KNA