Vor 50 Jahren: Erstausgabe der Wochenzeitung "Publik"

"Ohne Rücksicht auf bequem oder unbequem"

​Getragen von jeder Menge Enthusiasmus kam im Herbst 1968 die katholische Wochenzeitung «Publik» auf den Markt. Nur drei Jahre später drehten die Bischöfe den Geldhahn für das Projekt zu. Ein Rückblick.

Autor/in:
Joachim Heinz
Publik-Titelseite von 1968 / © KNA-Bild (KNA)
Publik-Titelseite von 1968 / © KNA-Bild ( KNA )

"Diese Zeitung wird sich bemühen, eine katholische Zeitung zu sein, auf eine so ursprüngliche Weise, wie es kaum jemandem mehr ins Bewusstsein kommt, wenn von katholisch die Rede ist." Das schrieb Geschäftsführer Hans Suttner der Wochenzeitung "Publik" ins Stammbuch - wenige Monate, bevor die erste offizielle Ausgabe erschien. Die Premiere vor 50 Jahren, am 27. September 1968, erfolgte in turbulenten Zeiten. Die gesellschaftlichen Um- und Aufbrüche der Epoche machten auch vor Kirchentüren nicht halt.

In christlichen Kreisen sorgte vor allem ein Ereignis für Dynamik: "Macht die Fenster der Kirche weit auf!" Diese Parole soll Papst Johannes XXIII. zu Beginn seiner Amtszeit 1958 ausgeben haben. Das von ihm einberufene Zweite Vatikanische Konzil tagte von 1962 bis 1965 und leitete wichtige Reformen ein. Die Euphorie danach war auch unter den deutschen Katholiken groß. In diese Stimmung hinein trug Suttner die Idee einer katholischen Wochenzeitung.

Hartnäckige Überzeugungsarbeit

Der 29-jährige Jurist nutzte 1965 das Zeitfenster, um ein Memorandum "Katholische Presse in Deutschland. Statt noch einer Kritik: ein konkreter Vorschlag" unters Kirchenvolk zu bringen. Der gebürtige Regensburger, ab 1966 Referent für staatsbürgerliche Fragen beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), besaß offenbar die Gabe, dicke Bretter zu bohren und die Bischöfe als Geldgeber von seiner Idee zu überzeugen.

Auch Alois Schardt, damals beim Bayerischen Rundfunk für den Aufbau des "Telekollegs" verantwortlich, bekam Suttners Hartnäckigkeit zu spüren. Immer wieder habe der, so erinnerte sich Schardt, "neue Truppen ins Feld" geschickt, um ihn als Chefredakteur der neuen Wochenzeitung zu gewinnen. Schließlich wurden die beiden handelseinig - das Abenteuer "Publik" konnte mit 21 Redakteuren und einer Startauflage von 150.000 Exemplaren beginnen.

Finanzielle Schwierigkeiten kamen früh

"Diese Zeitung wird nur existieren können, wenn es ihr gelingt, unbefangen zu fragen und zu antworten, ohne Rücksicht auf bequem oder unbequem, auf nützlich oder weniger nützlich", lautete das Credo von Schardt und Suttner. Die erste Hiobsbotschaft folgte kurz nach Veröffentlichung dieser Zeilen: Suttner kam bei einem Autounfall ums Leben. Kurz darauf, im Frühjahr 1969, hatte das Blatt bereits finanzielle Schlagseite.

Kirchenpolitisch wehte zudem durch die von Johannes XXIII. geöffneten Fenster bald wieder ein anderer Wind. Die Zeitung sei "in ihrem theologischen Teil anti-katholisch", schleuderte Vatikanbotschafter Corrado Bafile Chefredakteur Schardt entgegen und beendete das Gespräch mit den Worten: "Ich werde für Sie beten." Am 19. November 1971 erschien die letzte Ausgabe von "Publik" - die Mehrheit der Bischöfe wollte das Projekt nicht mehr weiter finanzieren. "Mir war, als sei ich in voller Fahrt gegen eine Wand gerannt", fasste Schardt später seine Gefühlslage zusammen.

Strömungen unterschätzt

"Alles in allem scheiterte 'Publik' an den eigenen Ansprüchen", lautet das Fazit von Florian Bock, der 2015 die erste wissenschaftliche Untersuchung vorlegte, die sich auf breiter Basis mit Aufstieg und Fall der Wochenzeitung beschäftigte. Die Macher hätten die verschiedenen Strömungen des Katholizismus unterschätzt.

Diese in einem Blatt zu vereinen, "war schlicht unmöglich" und habe zu guter Letzt auch die Leser verwirrt. "Den einen ging 'Publik' nicht weit genug, weil die Redakteure immer noch mit konservativen Vertretern vom Schlage eines Franz Josef Strauß gesprochen haben; den anderen platzte der Kragen, wenn mal wieder ein SPD-Politiker zu Wort kam."

"Publik" war nach nur drei Jahren Geschichte - doch der Geist von damals lebte weiter. Zum einen in Gestalt der Mitarbeiter, die ihre Karriere andernorts fortsetzten, wie Helmut Herles, später Chefredakteur des Bonner "General-Anzeiger". Zum anderen in Gestalt des 1972 von ehemaligen "Publik"-Lesern gegründeten Organs "Publik-Forum". Die "Zeitschrift, die für eine bessere Welt streitet" existiert bis zum heutigen Tag. Die Redaktion sitzt in Oberursel - nur wenige Kilometer von Frankfurt entfernt, wo die erste "Publik"-Ausgabe vor 50 Jahren das Licht der (Medien-)Welt erblickte.


Quelle:
KNA