ACV-Präsident über Herausforderungen der Kirchenmusik

"Ausdruck des heute gelebten Glaubens"

Der Allgemeine Cäcilienverband Deutschlands feiert ab diesem Freitag sein 150-jähriges Bestehen. Im Interview spricht der Diözesan- und Dommusikdirektor von Passau über die Bedeutung der Kirchenmusik und aktuelle Herausforderungen.

Gesangbücher eines Kirchenchores / © Elisabeth Rahe (KNA)
Gesangbücher eines Kirchenchores / © Elisabeth Rahe ( KNA )

KNA: Auf den bis Sonntag in Regensburg dauernden Feierlichkeiten werden Sie als ACV-Präsident offiziell ins Amt eingeführt. Der ACV ist einer der ältesten kirchlichen Verbände in Deutschland überhaupt. Beweist das den hohen Stellenwert, den die Kirchenmusik hatte und hat?

Marius Schwemmer (Diözesan- und Dommusikdirektor von Passau): Der ACV wurde zur Pflege und Förderung der Kirchenmusik gegründet. Dass wir nun sein 150-jähriges Bestehen feiern zeigt, dass es offenbar immer gelungen ist, die Belange der Kirchenmusik zeitgemäß zu vertreten. 

KNA: Was macht gute Kirchenmusik aus?

Schwemmer: Sie muss nicht nur handwerklich und künstlerisch gut, sondern auch mit liturgischer Kompetenz gepaart sein. Sie sollte sich mit Theologie und Liturgie zu einem harmonischen Ganzen verbinden, schließlich dient auch sie der Verkündigung.

KNA: In diesem Frühjahr waren Sie schon bei den Querelen um die Gema-Gebühren als ACV-Präsident gefordert. Hat die Debatte der Kirchenmusik mehr geschadet oder genutzt?

Schwemmer: Sie hat auf jeden Fall das Bewusstsein für die finanzielle und organisatorische Unterstützung, die man durch solch einen Pauschalvertrag bekommt, bei den Kirchenmusikern vertieft. Auch wenn die Meldepflicht mit gewissem Aufwand verbunden ist, sollte man sie ernstnehmen. Ich bin froh, dass dieser Konflikt beigelegt werden konnte. Unser Anliegen - zeitgenössische Kirchenmusik in ihrer stilistischen Bandbreite als Ausdruck des heute gelebten Glaubens zu fördern - ist anerkannt worden.

KNA: Wie ist es derzeit um die Kirchenmusik bestellt?

Schwemmer: Hierzulande ist sie weiterhin ein bedeutender Bereich des kirchlichen Lebens, sowohl was das professionelle Musizieren angeht wie auch den Amateurbereich. Sie ist sehr gut und breit aufgestellt - auch dank sehr vieler Ehrenamtlicher. Diese brauchen aber professionelle Kirchenmusiker als Ansprechpartner, die sie anleiten und fortbilden. Bei den Kinder- und Jugendensembles verzeichnen wir weiterhin einen Zulauf. Zugleich ist die Kirchenmusik heute sehr vielfältig - neben Chor- und Orgelmusik gibt es beispielsweise auch Lobpreismusik, Gospel oder Jazz.

KNA: In klassischen Kirchenchören engagieren sich oft ältere Sänger. Wie kann man hier junge Nachwuchskräfte besser einbinden und bei der Stange halten?

Schwemmer: Auch ein klassischer Kirchenchor sollte zu stilistischer Vielfalt bereit sein, wofür es natürlich gute Chorleiter braucht. Hilfreich sind außergewöhnliche Projekte sowie gemeinsame Freizeiterlebnisse. Ich denke, dass junge und ältere Menschen auch gemeinsam daran Freunde haben, ihre musikalischen Fähigkeiten zu erweitern.

KNA: Und welche weiteren Herausforderungen sehen Sie?

Schwemmer: Der Beruf des Kirchenmusikers muss mit Blick auf die Arbeitszeiten und die Bezahlung attraktiv bleiben. Als ACV haben wir immer wieder auf gute Rahmenbedingungen hingewiesen. Die sind notwendig, damit junge, qualifizierte Absolventen nach ihrem Kirchenmusikstudium in den Kirchendienst gehen. Qualitativ hochwertige Kirchenmusik muss entsprechend finanziert werden!

Außerdem müssen wir verhindern, dass es zu Reduzierungen des Stellenumfangs kommt oder dazu, dass der Aktionsradius des Einzelnen so erweitert wird, dass er kaum zu schaffen ist.

KNA: Kann die Kirchenmusik auch ein Weg sein, junge Leute für den Glauben zu gewinnen?

Schwemmer: Davon bin ich überzeugt: Die stilistische Vielfalt speziell der Kirchenmusik spricht Menschen jeden Alters und in ihren unterschiedlichen Zugängen zu Gebet, Glaube und Gottesbeziehung an.

KNA: Gibt es auch neue Entwicklungen?

Schwemmer: In meinem Bistum Passau ist Lobpreismusik als eigenständiger Ausdruck der Verehrung und Anbetung Gottes nicht ganz neu, findet aber gerade zunehmend Beachtung. Dies geschieht beispielsweise durch die diözesane Lobpreisleiterausbildung, regionale Angebote zum Lobpreisgebet oder einen eigenen Referenten dafür.

KNA: Was "macht" Kirchenmusik mit dem Zuhörer?

Schwemmer: Mit Musik kann man Menschen mitunter emotionaler berühren als mit Worten. Manchmal gelingt es der Musik, etwas auszudrücken, das man nur schwer in Worte fassen kann. Ich möchte die Musik aber nicht gegen die Seelsorge ausspielen; beide sollten sich verbinden und ergänzen.

KNA: Vielerorts werden aufgrund des Priestermangels Gemeinden zusammengelegt. Welche Folgen hat dieser Strukturwandel für die Kirchenmusik?

Schwemmer: Für die betroffenen Kirchenmusiker bedeutet eine Zusammenlegung entweder mehr Aufgaben, einen größeren Aktionsradius oder die Gefahr, dass Stellen gekürzt werden. Wenn sich Chöre in einem Pfarrverband zusammenschließen kann das - auch aufgrund der Überalterung mancher Chöre - auch eine Chance sein.

Aber mit so einem Zusammenschluss sind natürlich viele Emotionen verbunden. Seinen eigenen Chor aufzugeben und mit anderen Sängern ein neues Ensemble zu bilden, ist schon ein großer Schritt und führt im Vorfeld mitunter zu Dissonanzen. 

KNA: Welche Impulse möchten Sie in ihrem neuen Amt setzen? 

Schwemmer: Ich möchte wieder ein Bewusstsein dafür schaffen, dass die Kirchenmusik ein wichtiger Teil des kirchlichen Sendungsauftrags ist.

Diese kulturelle Diakonie - der Dienst für Gott und die Menschen - sollte nicht vergessen werden. Daneben möchte ich sehen, wie wir unser Gründungsanliegen heute mit Leben füllen können - und ob die vorhandenen Strukturen diesem Anliegen noch dienen. Ein anderes Anliegen ist mir, wie Kirchenmusiker ihre Spiritualität leben und eigene Oasen finden können, um neue Kraft zu schöpfen. Diese spirituellen Oasen möchte ich mit dem ACV fördern.

Das Interview führte Angelika Prauß.


Quelle:
KNA