Europäischer Tag der jüdischen Kultur

Der Reiz des Erzählens

Geschichten erzählen und gleichzeitig etwas über die jüdische Kultur erfahren: Im LVR-Kulturhaus, in der Landsynagoge Rödingen im Rheinland, wird am Sonntag die Märchenerzählerin Christiane Willms aus Köln jüdische Geschichten vortragen.

Kinder lauschen gespannt der Märchenerzählerin / © Harald Oppitz (KNA)
Kinder lauschen gespannt der Märchenerzählerin / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was ist das Besondere am Erzählen, zum Beispiel auch in Abgrenzung zum Vorlesen?

Christiane Willms (Märchenerzählerin): Das wird oft verwechselt, weil natürlich viel mehr vorgelesen wird. Das ist auch eine wunderbare Sache, aber wer einmal erlebt hat, dass ihm etwas erzählt wird, ohne dass jemand in ein Buch schaut, der wird es nie mehr verwechseln. Er ist vielmehr im direkten Kontakt mit den Zuhörern. Man kann genau sehen, wie auf das Erzählte reagiert wird. Die Geschichte kommt sozusagen aus den Augen und Gesichtern wieder zurück, sie entwickelt sich im Hin und Her.

DOMRADIO.DE: Sie können auch auf das reagieren, was sie sehen?

Willms: Ich selber verändere meine Geschichte vom Inhalt her nicht, aber es kann sein, dass ich, wenn ich zum Beispiel kleinen Kindern etwas Unheimliches erzähle und sehe, dass es für sie zu viel ist, die Figuren ein bisschen weniger schlimm vortrage.  

Was für mich das Besondere am Erzählen ist: Es gibt keine äußeren Bilder vor, sondern die Bilder entstehen alle im Kopf des Zuhörers. Es ist ein kreativer Prozess, selbst wenn der Zuhörer eigentlich nur in Anführungsstrichen zuhört.

DOMRADIO.DE: Sie erzählen Geschichten für Kinder und Erwachsene, ist das ein großer Unterschied für Sie?

Willms: Für mich ist der Unterschied in den Geschichten groß, die ich auswähle. In der Art des Erzählens ist er dann groß, wenn ich für sehr kleine Kinder erzähle, weil ich dann oft noch zum Beispiel einen kleinen Gegenstand aus der Geschichte dabei habe, den die Kinder anschauen können. Das sind ganz einfache Symbole, die als Anker für die Kleinen verstanden werden können, wie ein Schlüssel, eine Rose oder ein Kästchen.

DOMRADIO.DE: Welche Geschichten erzählen Sie diesen Sonntag am Europäischen Tag der jüdischen Kultur?

Willms: Da erzähle ich jüdische Geschichten, sowohl für Kinder als auch für Erwachsene. Wenn es zum Beispiel um König Salomo geht, dann werde ich für die Kinder erzählen, wie die Königin von Saba kommt und dem König Salomo Rätsel stellt. Ein Rätsel ist, dass sie ihm eine Perle gibt und er soll einen Faden durchstechen, aber das Loch in der Perle ist im Zickzack angeordnet und er bekommt keinen Faden dadurch. Und was macht König Salomo dann?

Er schickt einen Holzwurm mit einem Fädchen durch die Perle, weil er ja mit den Tieren reden kann und der schafft es dann für ihn, den Faden dadurch zu fädeln. Für Erwachsene würde ich die Geschichte von König Salomo erzählen, der einen Ring hatte, auf dem etwas eingraviert war, was einen fröhlichen Menschen nachdenklich und einen traurigen Menschen glücklich machen kann: "Auch dies wird vorübergehen."

DOMRADIO.DE: Was wird es sonst noch für Geschichten geben?

Willms: Bei den Kindern erzähle ich das Thema "weise oder nicht", "klug oder dumm". Da gibt es Geschichten aus der ganzen Welt. Es gibt zum Beispiel so eine Art Schelm, so wie es unseren Till Eulenspiegel gibt, der wirklich gelebt hat und dann zur Legende geworden ist. Und über den werden solche Geschichten erzählt, wie über den Till Eulenspiegel, wie er sich ziemlich frech oft irgendwelche Dinge erschleicht, aber so, dass die Leute über ihn lachen müssen.

Das Gespräch führte Carsten Döpp.


Quelle:
DR