Bauernregeln und Naturweisheiten im Jahreslauf

"Wie Heilige unser Wetter bestimmen"

Wer ist schuld daran, wenn das Wetter schlecht ist? Apostel Petrus gilt zumindest weitläufig als Himmelspförtner, der die himmlischen Schleusen öffnet und schließt. Unterstützt wird er aber auch von ganz vielen anderen Heiligen.

 (DR)

DOMRADIO.DE: In welchem Zusammenhang stehen die Heiligen mit dem Wetter?

Gerhard Hartmann (Autor des Buchs "Wie Heilige unser Wetter bestimmen. Bauernregeln und Naturweisheiten im Jahresverlauf"): Petrus hat mit dem Wetter nur als Patron zu tun. Wir haben als Kind immer gesagt, wenn es donnert oder gewittert, dann kegelt der Heilige Petrus und das hört man dann im Himmel. Wie die Heiligen zum Wetter gekommen sind, hat eine andere Ursache und zwar diejenige, dass ab der Spätantike bis ins Mittelalter hinein in der katholischen Kirche Gedenktage für Heilige eingeführt wurden. Das hat sich im Spätmittelalter dann mehr oder minder komplettiert.

Inzwischen ist es so, dass wir oft an einigen Tagen zwei, drei oder noch mehr Heilige haben. Nun gab es damals im Mittelalter und auch bis ins 19. Jahrhundert keinen Kalender wie wir das kennen. Das heißt, die einfachen Leute, vor allem die Bauern, haben sich durch das Jahr mit den Heiligen-Tagen gehangelt. Das heißt, den 19. März zum Beispiel nannte man nur Josefi-Tag. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass die bäuerliche Bevölkerung bei uns im deutschsprachigen Raum bis in das 19. Jahrhundert hinein 80 Prozent ausgemacht hat. Das Wetter war für die Ernte und den Erfolg ein wesentlicher Faktor. Wir haben es dieses Jahr auch gesehen. Wenn es so lange heiß ist, wie es das in den letzten Wochen war, dann bricht in der Landwirtschaft einiges zusammen.

Über Jahrhunderte hat man Erfahrungen gemacht, die haben sich dann immer weiter konkretisiert, sodass man gesagt hat, wenn es an dem Tag X regnet, dann ist das gut oder schlecht für die Produktionsorte, zum Beispiel für das Getreide, für den Wein oder für die Rüben.

Man konnte weder lesen noch schreiben. Erst im 18. oder 19. Jahrhundert wurden viele des Lesens mächtig. Deshalb hat man davor Kurzreime gebildet, die das Wetter vorhersagen oder dem Bauern sagen sollten, jetzt ist es gut für die Aussaat von Rüben oder von Flachs oder etwas anderem. Oder jetzt ist es gut, das Gras für das Heu zu mähen. Das ist der eigentliche Ursprung.

DOMRADIO.DE: Dann mischt sich aber tatsächlich häufig die Biographie von Heiligen in diese bäuerliche Arbeitsweise zu den Kurzreimen mit dazu, oder?

Hartmann Ja, das ist eine Wechselwirkung. Zum Beispiel der Heilige Urban, ein eher unbekannter Papst, von dem wir nicht viel wissen, hat seinen Gedenktag irgendwann Mitte Mai. Und an diesem Tag hat sich herausgebildet, dass man glaubte, wenn an diesem Tag das Wetter schön ist, wird auch der Wein gut. Das hat seinen Ursprung darin, dass ungefähr Mitte Mai der Wein blüht. Und wenn es in diesem Zeitraum schön ist, wird auch der Wein gut, weil dann die Bienen fliegen und sie die Blüten bestäuben.

Deshalb wurde der Heilige Urban in der Barockzeit mit Weintrauben dargestellt, die um ihn herumranken. Das hat sich so entwickelt, obwohl in seiner Biographie nichts mit Bezug auf Wein zu finden ist. Es liegt nur an dem Datum, das die Kirche festgesetzt hat. Dieses Datum war oft der Todestag des betreffenden Heiligen und dann hat sich erst die Wettersituation herausgestellt.

DOMRADIO.DE: Wurde das Ganze unwichtiger für die Bauern, als es dann gedruckte Kalender gab?

Hartmann: Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die gedruckten Kalender entwickelt. Damals wurden die Heiligen-Tage noch mit aufgenommen, bis etwa Mitte des 20. Jahrhunderts. Danach nahm die bäuerliche Bevölkerung radikal ab. Wir haben inzwischen ja nur noch vier oder fünf Prozent im deutschsprachigen Raum gegenüber den einstigen 80 Prozent. Außerdem gibt es jetzt durch die Meteorologie deutlich bessere Wettervorhersagen. Man braucht die Heiligen nicht mehr. Mit den Bauernregeln beschäftigt man sich nur noch, um die Tradition zu bewahren.

DOMRADIO.DE: Das heißt aber, die Menschen damals haben daran geglaubt, so wie wir heute an unsere Wetterberichte glauben?

Hartmann: Die Menschen haben natürlich aufgrund ihrer Erfahrung daran geglaubt und sie haben auch ihr Leben danach ausgerichtet.

DOMRADIO.DE: Das Erscheinungsdatum Ihres Buches war der 22. Februar. Da ist Petri Stuhlfeier. Es gibt Bauernweisheiten wie: Ist Sankt Petrus kalt, hat die Kälte noch Gewalt. Oder: Weht es sehr kalt um Petri Stuhl, dann bleibt es noch 14 Tage cool. Ist da was dran gewesen?

Hartmann: Ja, das Erstaunliche ist, wenn man da herangeht, denkt man: Wie kann das alles stimmen, das ist ja alles aus der Vergangenheit und so weiter. Und wir haben doch die Meteorologen, die das alles bis aufs Detail voraussagen können. Und ab dem 22. Februar, als das Buch erschienen ist, gab es in den kommenden drei, vier Wochen einen Kälterückfall. Es hätte eigentlich schon ein bisschen frühlingshaft werden sollen, was die Temperatur betrifft. War es nicht, weil es zu Petri Stuhlfeier kalt gewesen ist, und dann bleibt es weitere 40 Tage oder einen Monat kalt. Das sind ja nicht exakte Werte, sondern das ist gefühlsmäßig ein Monat oder etwas mehr. Und es war tatsächlich etwas kühler als in den Jahren zuvor.

DOMRADIO.DE: Ganz bekannt ist ja der Siebenschläfer-Tag, der 27. Juni. Den kennen eigentlich immer alle...

Hartmann: Das ist der bekannteste, weil er auch in den Fernseh-Wettervorhersagen an diesem Tag immer thematisiert wird. Ursprünglich geht es meteorologisch um Folgendes: Ende Juni, Anfang Juli verfestigt sich der sogenannte Jetstream und gewisse Wettersituationen treten ein und halten sich längere Zeit, ungefähr einen Monat oder länger. Wir haben diesmal natürlich Erfahrung mit der großen Hitze gemacht. Ende Juni war es tatsächlich schon so heiß, wie wir das den ganzen Juli und bis Mitte August hier bei uns im Rheinland erlebt haben. Allerdings war das Wetter im süddeutsch-alpinen Raum eher unbeständig. Es hat immer wieder mal geregnet und gewittert. Das hat sich aber auch verfestigt. Es ist ja regional nicht immer gleich im ganzen deutschsprachigen Raum, wenn eine Wetterregel angewandt wird.

Wir haben für den Siebenschläfer mehrere Regeln: Scheint am Siebenschläfer Sonne, gibt es sieben Wochen Wonne. Das betrifft eigentlich die diesjährige Situation ziemlich genau. Und es kann auch umgekehrt sein. Wir haben ja auch schon einen verregneten Sommer erlebt: Ist der Siebenschläfer nass, regnet's ohne Unterlass.

DOMRADIO.DE: Die Daten haben sich ja verschoben. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil - Stichwort Liturgiereform und Kalenderreform. Was hat es damit auf sich?

Hartmann: Durch die römische Behörden. Der Vatikan kümmert sich nicht um diese Bauernregeln. Die haben natürlich bestimmte Vorgaben oder Vorstellungen, wann ein Heiliger gefeiert werden soll. Und so wurde eine ganze Reihe von bekannten Heiligen über die Distanz von einem halben Jahr verschoben. Benedikt vom März in den Juli, der Gabriel vom März in den September, der Matthias vom Februar in den Mai, der Apostel Thomas vom Dezember in den Juli zum Beispiel. Und überall gab es an den ursprünglichen Tagen auf diesen Tag festgezurrt Bauernregeln und die sind natürlich für den Heiligen Gedenktag, der jetzt verschoben worden ist, nicht mehr zutreffend.

DOMRADIO.DE: Da muss man sich neue Reime überlegen.

Hartmann: Das ist natürlich schwierig. Aber die Bedeutung solcher Bauernregeln ist ja auch stark zurückgegangen.

DOMRADIO.DE: Gucken wir mal auf die Zeit jetzt ganz aktuell. Am 27. August ist der Heilige Gebhard : Wie es Sankt Gebhard hält, ist der ganze Herbst bestellt.

Hartmann: Das ist eine klassische Bauernregel. Das heißt, wie es an einem bestimmten Tag ist - ähnlich wie beim Siebenschläfer -, so wird es in der Zukunft in einer gewissen Periode sein.

Das Interview führte Verena Tröster. 

Hinweis

Was haben die Heiligen mit dem Wetter zu tun? Warum ist die Spinne wetterfühliger als der Frosch? Wie wird der Rhododendron zum Thermometer? Wetterbeobachter Bernhard Michels erklärt in lockerer Folge Bauernregeln und altes Wetterwissen. Jeden Sonntag hier online.

Buchtipps

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Bernhard Michels; Altes Wetterwissen wieder entdeckt: Bauernregeln, Wolken & Wind, Tiere & Pflanzen. blv-Verlag, 16,99 € 

Berhnard Michels; Tierische Wetterpropheten; Aus Tierverhalten das Wetter deuten. blv-Verag. 15 €


Quelle:
DR