Hans Joas über "Die Macht des Heiligen"

Ist der Himmel leer und das Heilige entzaubert?

Verdunstet der Glaube an Gott in der säkularen Welt? Professor Hans Joas erklärt in seinem Buch "Die Macht des Heiligen" was wir eigentlich meinen, wenn wir heute von säkularer Welt, von Entzauberung und vom Heiligen sprechen.

Hans Joas / © Katharina Ebel (KNA)
Hans Joas / © Katharina Ebel ( KNA )

Mit den alten Propheten der Bibel hat alles angefangen. Die hatten genug von Rauchopfern und anderen Bestechungsversuchen, mit denen die Menschen danach trachteten, Gott auf ihre Seite zu bringen. "Menschen versuchen das Heilige zu beherrschen und für ihre eigenen Zwecke einzusetzen", sagt Joas, "sie verehren nicht das Göttliche, sondern wollen Gott dazu bringen, durch die Größe ihrer Opfer oder durch die strikte Einhaltung bestimmter Vorschriften, das zu tun, was sie sich wünschen".

So funktioniert Glaube nicht, warnen schon die alten Propheten. Ein Fußballer macht vor dem Spiel ein Kreuzzeichen und meint damit, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, von Gottes Gnaden mehr Tore zu schießen. Auf diese magische Zauberkraft zu setzen, ist reiner Aberglauben.

Schließen sich Wissenschaft und Glaube aus?

Wenn der Philosoph Max Weber von Entzauberung der Religion spricht, dann meint er die Befreiung der Religion von deren magischen Gebrauch, ist Hans Joas überzeugt. Religionsfeindlich sei diese Entzauberung nicht. Joas bezeichnet es als ein Missverständnis, den Begriff Entzauberung als einen Schlüsselbegriff an den Beginn einer logischen Gedankenkette zu stellen, die dann automatisch zur konsequenten Säkularisation oder zu einer wissenschaftlich-atheistischen Weltanschauung führt. Wissenschaft und Glaube schließen sich nicht aus, sagt Joas.

Die ´Entzauberung´ entzaubern

In seinem Buch ´Die Macht des Heiligen´ beschreibt Joas ´eine Alternative zur Geschichte der Entzauberung´, die eben nicht linear von der Aufklärung zur säkularen Gesellschaft abgelaufen sei. Der Philosoph zeigt auf, dass es viele nebeneinander existierende Argumtentationsketten gibt. Er spricht von einer Entmaginisierung der Religion, die am ehesten dem Begriff Entzauberung von Max Weber entspricht. Das Heilige sei damit aber nicht aus der Welt, sondern für jeden erlebbar in seiner Selbsttranszendenz.

Als Beispiel führt Joas das fast jedem Menschen bekannte Gefühl des Verliebens an. "Es gibt keinen wissenschaftlichen Gottesbeweis. Es gibt aber auch keinen wissenschaftlichen Beweis gegen die Interpretation solcher Erfahrungen wie die des Verliebens als Erfahrungen der Selbsttranszendenz", sagt Joas, "die Erfahrung, sich zu verlieben, kann eben nicht willentlich und wissenschaftlich herbeigeführt werden. Ich kann nicht beschließen, mich in eine bestimmte Person zu verlieben."

Die Schönheit Gottes Schöpfung

Das Höhere, das uns aus unserem Alltag herausreißen, uns entäußern und über uns hinauswachsen lassen kann, und das wir Menschen alle erleben können, nennt die Religion das Heilige. Das ist eine Macht, die auf den Menschen wirken kann, wenn er sich ihr öffnet, wenn er sich dafür entscheidet, das Heilige - Gott sei Dank - anzunehmen.

"Manche Menschen sagen nun, in meiner Erfahrung ist aber nichts anderes drin als ein Effekt meiner Ausstattung als Naturwesen", stellt Joas fest, "andere hingegen sagen, ich bin hier jetzt wirklich der Schönheit von Gottes Schöpfung begegnet und ich spüre, dass ich dem Schöpfer dieser wunderbaren Schöpfung dafür danken will. Ich fühle aus dem Bauch heraus Dankbarkeit. Die Entscheidung zwischen diesen beiden Möglichkeiten bleibt natürlich eine persönlich existentielle Entscheidung."


Quelle:
DR