Fernseh-Doku über Kirche ohne Priester

Priestermangel als Problem und Chance

Eine ARD-Doku widmet sich dem Problem des Priestermangels in der katholischen Kirche. Sie begleitet Menschen, die kreative Wege gehen und neue Formen von Gemeinde leben. Herausforderungen zeigen sich an vielen Orten.

Autor/in:
Anna Fries
 (DR)

"Der erste Gedanke, wenn ich morgens in den Kalender schaue ist: Oh Gott." Keine rosige Perspektive für den saarländischen Pfarrer Michael Müller. Zu viele Termine, zu viele Gottesdienste, zu große Distanzen zwischen den Orten. Aktuell betreut er acht Pfarreien. Künftig könnte er mit wenigen anderen Priestern für eine Gemeinde mit rund 100.000 Gläubigen verantwortlich sein.

Gemeindemitglieder, die ohne Priester in der Kirche stehen, ein Pfarrer, der jeden Sonntag einen Gottesdienst-Marathon absolvieren muss oder leere Plätze im Priesterseminar. Der Priestermangel der katholischen Kirche hat viele Facetten - und ist in deutschen Gemeinden traurige Realität. Es geht um die Zukunft der Kirche und des Gemeindelebens.

Kirche ohne Priester?

All das beschäftigt Stefan Pannen und Jonas Daniels in der Dokumentation "Kirche ohne Priester?". Sie betrachten das Thema aus verschiedenen Perspektiven und erkunden dabei auch, wo die katholische Kirche Potenzial zur Erneuerung hat. Die ARD sendet den Film an diesem Montag um 23.30 Uhr.

Herausforderungen zeigen sich an vielen Orten: In Prüm in der Eifel warten Gemeindemitglieder vergeblich auf einen Pfarrer. Die Stelle ist seit knapp zwei Jahren unbesetzt, dem letzten Priester wurde der Job schlicht und einfach zu viel. "Wir sind hier kopflos" - so bringt der Aushilfspfarrer das Problem auf den Punkt. Die Situation belastet und enttäuscht die Kirchgänger. Stirbt etwa ein Angehöriger, ist oft kein Ansprechpartner da.

Prüm gehört zum Bistum Trier und ist direkt von der geplanten Umstrukturierung der Pfarrgemeinden betroffen. Anstelle von 887 Pfarreien soll es künftig 35 Großpfarreien geben - ein Plan mit Konfliktpotenzial: Entscheidungen seien über ihre Köpfe hinweg getroffen worden, heißt es bei einem Treffen von Verwaltungsräten aus dem ganzen Bistum. Niemand werde sich künftig am Sonntag freiwillig engagieren, wenn er sich nicht gehört fühle - so die Befürchtung.

Der Bischof habe den Kontakt zur Basis verloren und Fakten geschaffen, heißt es. Es fehle Zeit, sich mit den Reformen auseinander zu setzen. Wieso kann man das nicht langsamer angehen und sprichwörtlich "die Kirche im Dorf lassen"? Joachim Streit, Landrat in Bitburg-Prüm, kommentiert: "Wenn die Kirche nicht mehr da ist, dann fehlt ein Stück unserer Kultur, ein Stück Glaube und ein Stück Seelsorge." Die öffentliche Hand könne diesen Verlust nicht auffangen.

Zusammenlegung von Gemeinden

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann befürwortet die Zusammenlegung von Gemeinden. Wenn nur wenige Menschen zum Gottesdienst kommen, entstünde oft eine Atmosphäre, die nicht bestärkend sei, gibt er zu bedenken. "Da haben Menschen den Eindruck, vielleicht sind wir noch die Letzten, die sich hier versammeln." Kein schönes Gefühl.

Ein Eindruck, der schon vielen angehenden Priestern vertraut ist. "Ich werde in meinem ganzen Leben mit sinkenden Zahlen zu tun haben und mit einer deutlich sinkenden gesellschaftlichen Relevanz der Kirche", sagt Priesteramtskandidat Fabian Guhr. Verständnis für die Berufswahl äußere sein Umfeld nur bedingt. Kritik gebe es schon eher, etwa an der kirchlichen Sexualmoral oder an festgefahrenen Strukturen.

Viele Streitfragen

Eine weitere Konfliktfrage, der sich die Doku annimmt: Findet die katholische Kirche künftig Alternativen zum männlichen Priester, der im Zölibat lebt? Antworten sucht der Film etwa in Lateinamerika. Dort könnten verheiratete Männer künftig geweiht werden. Und der Blick in die Schweiz zeigt Frauen, die verstärkt Verantwortung in der Kirche übernehmen - das könnte auch für Deutschland ein Modell sein.

Streitfragen gibt es viele. Verantwortung von Laien, Frauen in der Kirche, ausländische Priester, leere Kirchen, der Zölibat. Die Doku benennt Probleme und zeigt Modelle, wie Kirche perspektivisch aussehen und gelebt werden könnte - mit oder ohne Priester an der Spitze der Gemeinde. Das Fazit der Regisseure: Kirche muss sich einer veränderten Situation stellen, Beziehungen zu den Menschen herstellen und drängende Fragen angehen, wenn sie der titelgebenden Prognose "Kirche ohne Priester" etwas entgegensetzen will.


Quelle:
KNA