Die Charite zeigt Exponate über die Nachweisbarkeit des Todes

Lebendig begraben - Berliner Ausstellung über den Scheintod

Tot oder nicht tot? Das ist hier die Frage. Das Medizinhistorische Museum der Charite in Berlin zeigt in einer Ausstellung, wie eine Gesellschaft den Scheintod fürchtete - und welche Folgen das hatte.

Ausstellung "Scheintot" in der Charité (Bmm-Charité)
Ausstellung "Scheintot" in der Charité / ( Bmm-Charité )

Bei der Vorstellung, lebendig begraben zu sein, läuft wohl den meisten Menschen ein kalter Schauer den Rücken herunter. In Filmen wie "Buried - Lebend begraben" oder in Liedern wird die uralte Angst vor dem Scheintod thematisiert. Eine neue Ausstellung im Medizinhistorischen Museum der Charite in Berlin befasst sich aus wissenschaftlicher Sicht mit dem Phänomen.

Unter dem Titel "Scheintot - Über die Ungewissheit des Todes und die Angst, lebendig begraben zu werden" zeigt das Museum ab Samstag, wie Ärzte und Naturwissenschaftler den Körper testeten, um die Grenze zwischen Tod und Leben auszuloten.

Über die Unsicherheiten der Todeszeichen

Die Ausstellung solle dem Besucher heute zeigen, wie sich damals in der Gesellschaft eine Angst verbreitete, lebendig begraben zu werden, erklärte der Kurator der Schau, Raik Evert, am Donnerstag in Berlin. Die Hysterie begann Mitte des 18. Jahrhunderts mit einem kleinen Büchlein über die Unsicherheiten der Todeszeichen des Körpers. "Das Buch bestand aus einem kleinen Teil Wissenschaft. Doch der Arzt Jean-Jacques Bruhier unterfütterte das mit vielen Geschichten von Menschen, die auferstanden sein sollen", erklärte Evert. So war die Angst in die Welt gesetzt und hielt sich rund 100 Jahre.

Altbewährte Mittel wie der Handspiegel, auf dem der Atem zu sehen ist, wurden angezweifelt. Um herauszufinden, ob noch letzte Lebenskraft in den vielleicht scheintoten Körpern steckte, reizten ihn die Wissenschaftler mit experimentellen Methoden: Stiche ins Auge, Massagen am offenen Herzen oder Darmeinläufe mit Tabak.

Aber auch geistig testeten die Wissenschaftler die Leichen, denn auch die Seele sollte angesprochen werden. Der Wissenschaftler Leopold Berchtold beschrieb 1791 seinen Ansatz mit den Worten: "z.B. weckt den Geizigen Geschrey von Räubern, vielleicht das Scheppern von Geld."

Tests an exekutierten Menschen

Thomas Schnalke, Direktor des Museums, betonte: "Das wirkt heute alles etwas skurril, aber die Erkenntnisse aus den Experimenten waren wichtig für die medizinische Forschung." Kurios erscheint trotzdem das Vorgehen, dass viele Tests mit exekutierten Menschen gemacht wurden. Das sei damals gängige Praxis und genehmigt gewesen, erklärte Schnalke.

Animationen zeigen die Experimente auf einer großen Leinwand. "Die Pläne, die wir gefunden haben, sind von einer gnadenlosen Detailliertheit", sagte Kurator Volker Böhm. So nähte Italiener Giovanni Aldini zwei Köpfe aneinander und setzte sie unter Strom. Das Speichern von Strom war damals neu und die Wissenschaftler setzten das als Werkzeug ein. Die Körper zuckten und brachten die Hoffnung auf, Tote auferstehen zu lassen - Viktor Frankenstein hätte seine Freude gehabt.

Durch die Angst in der Gesellschaft entwickelte sich die Institution Leichenhaus - nicht zu verwechseln mit dem Leichenschauhaus. Im Leichenhaus lagen die Toten und wurden mit Rettungsapparaten überwacht, ob sie sich regten. Wächter befestigten Schnüre an den Gliedmaßen der Leichen, die zu kleinen Glöckchen oder Weckern führten. Bewegte sich eine Leiche, sollte das Glöckchen klingen. Das passierte laut Museum aber kein einziges Mal.

Sarg mit Luftzufuhr und Glöckchen

Wer mit alldem nichts zu tun haben wollte, konnte seinen eigenen Tod testamentarisch festlegen, wie Evert erklärte. Bei der Festellung des Todes sollte der Arzt dann mit dem sogenannten Herzstichmesser das Herz noch einmal durchstechen - als endgültige Maßnahme.

Lag die Leiche dann im Sarg unter der Erde, waren Konstrukteure ebenso erfinderisch: Ähnlich wie in den Leichenhäusern, gab es Schnursysteme, die nach außen zu Glöckchen führten. Und eine Luftversorgung sollte durch ein Rohr in den Sarg auch gewährleistet sein. In der Ausstellung sind verschiedene Ideen als Modelle zusehen. Die Rettungskonstruktionen setzten sich nicht durch.

Die Ausstellung spannt einen Bogen vom 18. Jahrhundert bis heute: Auch beim Thema Hirntod und Organtransplantationen in Deutschland reagieren manche Menschen mit Furcht. Zum Abschluss der Ausstellung zeigen die Kuratoren daher nüchtern, wie Ärzte den Hirntod feststellen - und wie wenig Organe in Deutschland transplantiert werden.

Maren Breitling


Quelle:
KNA