Matthäus-Passion am Karsamstag in der Kölner Philharmonie

"Wir setzen uns mit Tränen nieder"

Kaum ein musikalisches Werk übersetzt das Leiden und Sterben Jesu berührender in die Tonsprache als die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach. Am Karsamstag wird das monumentale Werk in der Kölner Philharmonie aufgeführt.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Vokalensemble Kölner Dom vor Corona / © Beatrice Tomasetti (DR)
Vokalensemble Kölner Dom vor Corona / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Dieses beeindruckende Oratorium des Thomaskantors schildert die Passionsgeschichte Jesu, wie sie im 26. und 27. Kapitel des Matthäus-Evangeliums geschrieben steht. Für die Darstellung verwendet Bach zwei Chöre, zwei Orchester und sieben Solostimmen.

Die Aufführungsdauer variiert je nach Interpretation zwischen drei und vier Stunden. Diese monumentalste aller Kompositionen Bachs ist von einem tiefen christlichen Glauben geprägt und wurde zur besonderen Gestaltung des Vespergottesdienstes am Karfreitag 1727 in der Leipziger Thomaskirche komponiert.

Bach und die Kirchenmusik

Am 22. April 1723 war Bach vom großen Rat der Stadt Leipzig zum Thomaskantor gewählt worden und widmete sich fortan bis zu seinem Tod vor allem der Kirchenmusik. Der Komponist hatte in den beiden Hauptkirchen der Stadt, St. Thomas und St. Nikolai, für die musikalische Verkündigung der Schrift zu sorgen. Geniale Ausnahmeleistungen wurden dabei nicht erwartet, im Gegenteil: Wenn die Musik zu anspruchsvoll war, konnte es vorkommen, dass sich der Kantor eine Ermahnung einhandelte.

Sein Amt sah vor, dass er an jedem Sonntag eine Kantate aufführen sollte, die er in kürzester Zeit komponieren und mit dem Chor der Thomasschule sowie einem Instrumentalensemble, das sich aus städtischen Musikern zusammensetzte, einstudieren musste. Die Musik erklang in der "Frühpredigt", die um sieben Uhr begann und nicht selten bis 11 Uhr dauerte. Dieser Gottesdienst wurde vom zumeist einfachen Kirchenvolk besucht, das einen frommen Glauben hatte und für das der sonntägliche Kirchgang selbstverständlich war.

Oft beschränkte sich das Glaubenswissen dieser Gemeinde auf die Bibel und Luthers Katechismus. Die Feste des Kirchenjahres strukturierten das Leben dieser Menschen. Entsprechend bedeutsam war für sie der Karfreitag, der höchste christliche Feiertag, zu dem die Gemeinde in die Kirche strömte. Für diesen Anlass und dieses Publikum schrieb Bach die Matthäus-Passion, die er selbst nicht – wie es heute gängige Praxis ist – als eigenständiges Kunstwerk betrachtete, sondern als einen Gottesdienstbeitrag.

Vertonung der Passionsgeschichten aller vier Evangelisten

Bereits 1724 führte Bach seine erste Leipziger Passion auf: die ebenfalls berühmte Johannes-Passion. In den folgenden Jahren erwartete man von Bach stets eine neue Musik zum Karfreitag. So vertonte er die Passionsgeschichten aller vier Evangelisten: 1730 entstand die Lukas-Passion und 1731 die heute verschollene Markus-Passion. Er führte seine Passionen in mehreren Jahren auf, wobei er in der Partitur immer wieder auch nachbesserte. Zum einen waren dies kleine kompositorische Korrekturen, aber auch die Aufführungsbedingungen änderten sich in der Thomaskirche, so dass Bach zum Beispiel die Instrumentierung anpassen musste.

Wenn er aus Zeitmangel einmal keine eigene Komposition aufführen konnte, dann griff er auf Werke seiner Zeitgenossen Reinhard Keiser, Georg Philipp Telemann oder Georg Friedrich Händel zurück. Die Matthäus-Passion aber ist die herausragendste Vertonung der Leidensgeschichte und heute vielleicht das bekannteste Werk Bachs.

Wer das kennt, kennt auch die musikalische und stilistische Welt des Komponisten, denn die Matthäus-Passion gilt als eine Zusammenfassung all dessen, was der Barockmeister in seinem 65-jährigen künstlerischen Leben geleistet hat. Im Jahre 1736 schrieb Bach die gesamte Partitur noch einmal sorgfältig ab – es handelt sich dabei um einen der saubersten Autographen, die von Bach existieren. Und auch noch in seinen letzten Jahren beschäftigte er sich mit der Partitur. Demnach muss ihm diese Passion ganz besonders am Herzen gelegen haben, vergleichbar der H-Moll-Messe oder der "Kunst der Fuge".

Aufführung in Kölner Philharmonie

Das Vokalensemble Kölner Dom singt an Karsamstag die Matthäus-Passion in der Kölner Philharmonie. 25 Knaben des Kölner Domchores wirken ebenfalls mit und singen die zwei von Bach für Knabenstimmen ausgewiesenen Choräle gleich zu Beginn der Passion und dann noch einmal am Ende des ersten Teils. Für Domkapellmeister Eberhard Metternich, der die Matthäus-Passion mit beiden Chören wiederholt einstudiert hat, ist dieser Bach ebenfalls ein ganz besonderes Oratorium. "Es nimmt mich auf meinem persönlichen Glaubensweg mit", sagt er.

Und selbst wenn er diese Passion schon oft gesungen habe, gebe es doch immer wieder Neues zu entdecken. Ob es die Chöre wie "Sind Blitze, sind Donner…" sind, die "Erbarme dich"-Arie der Altistin – zweifelsohne einer der Höhepunkte –, der Schluss-Chor "Wir setzen uns mit Tränen nieder" oder aber auch die Choräle, die eine intensive Auseinandersetzung mit Ton und Text erforderten – Christoph Poppen, Kammerorchesterleiter und Dirigent des Konzertes, übernehme viel von der Interpretation, die er selbst bei den Proben in seinem Chor angelegt habe, komme aber auch mit eigenen Ideen, so dass es spannend bleibe, meint Metternich.

Die Zusammenarbeit zwischen der Kölner Dommusik und dem Kölner Kammerorchester, die von seinem langjährigen Leiter, Helmut Müller-Brühl, zunächst mit dem Kölner Domchor begründet wurde, baut längst auf Tradition und hat sich zunehmend intensiviert. "Es macht einfach große Freude, miteinander zu arbeiten und zu sehen, dass da etwas Bewährtes gewachsen ist, das dennoch gegenseitig immer wieder neu inspiriert und eine Weiterentwicklung fördert", resümiert Metternich im Rückblick auf die Anfänge dieser Kooperation.

Unvergesslich bleibt ihm da als ein Höhepunkt der frühen Phase dieser musikalischen Freundschaft das Pontifikalamt mit Papst Benedikt XVI. am Pfingstsonntag 2009 im Petersdom, als der Domchor unter der Leitung von Müller-Brühl anlässlich des 200. Todestages von Haydn gemeinsam mit dem Kammerorchester in Rom die Harmonie-Messe aufführte.

Mitwirkende der Matthäus-Passion: Lothar Odinius Tenor (Evangelist), Benjamin Appl Bariton (Christusworte),Elisabeth Breuer Sopran, Marie Henriette Reinhold Alt , Stuart Jackson Tenor, Ludwig Mittelhammer Bass, Knaben des Kölner Domchores, Vokalensemble Kölner Dom, Eberhard Metternich Einstudierung, Kölner Kammerorchester, Christoph Poppen Dirigent.


Quelle:
DR