Orgelbau und -musik sind internationales Kulturerbe

Langer Atem

Noch bis Freitag berät  der Zwischenstaatliche Ausschuss der UNESCO über die Aufnahme von 35 Formen des Könnens und Wissens aus aller Welt. Jetzt schon klar: Orgelbau und Orgelmusik kommen auf die Liste des Immateriellen Kulturerbes.

Kirchenorgel / © Bernd Wüstneck (dpa)
Kirchenorgel / © Bernd Wüstneck ( dpa )

Musikwissenschaftler Michael Kaufmann, der am Aufnahmeantrag der Vereinigung der Orgelsachverständigen Deutschlands (VOD) federführend beteiligt war, reagierte mit "großer Freude" auf die Entscheidung. Er habe den positiven Bescheid durchaus erwartet, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn. "Die Orgel war schließlich immer ein Hightech-Instrument, das Musiker und Techniker bis heute gemeinsam weiterentwickelt haben."

Er hoffe, dass die Auszeichnung einen Impuls geben werde, so Kaufmann weiter. Derzeit würden vor allem in neue Konzerthäuser, etwa die Hamburger Elbphilharmonie, wieder Orgeln eingebaut. "Es gilt zu beraten, wie wir nachhaltig an der Zukunft bauen können." Die Aufnahme in die Unesco-Liste verdeutliche zudem, dass Orgelmusik kein Luxusgut, sondern Teil der deutschen Identität sei. Dementsprechend müssten die Kirchen ihre finanziellen und personellen Ressourcen für Orgelbau und -musik halten; zudem sei stehe die öffentliche Hand in der Pflicht, das Orgelwesen zu fördern.

"Teil unseres Musiklebens"

Kulturstaatsministerin Monika Grütters betonte, Orgelbau und -musik blieben bis heute "ein wichtiger Teil unseres Musiklebens". Deutschland blicke in dieser Hinsicht auf eine Kultur zurück, "die weltweit ihresgleichen sucht". Die Bundesregierung fördere die Modernisierung national bedeutsamer Orgeln und den Erhalt wertvoller Instrumente der Orgellandschaft in diesem Jahr mit rund fünf Millionen Euro.

Der Vizepräsident der Deutschen Unesco-Kommission (DUK), Christoph Wulf, erklärte, das kulturelle und gesellschaftliche Umfeld spiegelten sich stets in Aussehen und Klang einer Orgel. "Jede Orgel ist einzigartig", sagte er. Deshalb seien menschlichen Wissen und Können für den "in Deutschland sehr innovativen Orgelbau" so zentral.

Alltagskulturen und -traditionen

Weltweit fördert die Weltkulturorganisation Unesco seit 2003 den Erhalt von Alltagskulturen und -traditionen. Der Konvention zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes sind mittlerweile mehr als 170 Staaten beigetreten, 2013 auch Deutschland.

Das Verfahren für die Aufnahme in die Liste ist mehrstufig. Zunächst muss es eine Tradition ins nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes schaffen. Dazu wählt jedes Bundesland aus den dort eingegangenen Vorschlägen vier aus und übermittelt sie an die Kultusministerkonferenz (KMK). Ein unabhängiges Expertenkomitee bewertet die Vorschläge und gibt eine Auswahlempfehlung, die von KMK und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) bestätigt sowie von der Deutschen Unesco-Kommission veröffentlicht werden.

Kreativität und Erfindergeist

Im nächsten Schritt können dann Vorschläge für die weltweite Unesco-Liste eingereicht werden. Über Neueintragungen entscheidet der Zwischenstaatliche Ausschuss für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes auf seiner jährlichen Tagung im Herbst.

Formen immateriellen Kulturerbes werden laut der Deutschen Unesco-Kommission entscheidend von menschlichem Wissen und Können getragen. Sie seien Ausdruck von Kreativität und Erfindergeist und vermittelten Identität und Kontinuität. Das deutsche Verzeichnis umfasst 68 solcher kulturellen Ausdrucksformen, darunter Porzellanmalerei, Hebammenwesen oder die traditionelle Flussfischerei an der Mündung der Sieg in den Rhein.

In der Nacht zu Donnerstag entschied der Zwischenstaatliche Ausschuss, die deutsche Nominierung von Orgelbau und -musik auf die internationalen Repräsentative Liste aufzunehmen. Es handelt sich um die dritte deutsche Tradition auf der weltweiten Liste - nach der Falknerei und der Genossenschaftsidee.


Quelle:
KNA