Orgelbauer: Was sein Instrument zur Königin macht

"Wir müssen sie zukunftsfähig machen"

Orgeln sind aus Kirchen kaum mehr wegzudenken. Nun könnten Orgelbau und Orgelmusik von der Unesco zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt werden. Was an dem Instrument so besonders ist, erklärt ein Orgelbauer.

Schwalbennestorgel im Kölner Dom (Erzbistum Köln)

DOMRADIO.DE: Sie haben vergangenes Jahr unter anderem die Orgel für die Elbphilharmonie in Hamburg fertiggestellt. Stimmt das eigentlich, dass ein Orgelbauer fast ein Alles-Könner sein muss?

Philipp Klais (Johannes Klais Orgelbau aus Bonn): Es geht im Orgelbau darum, dass man ein Instrument baut, das sehr individuell auf Menschen zugeht und auch ein bisschen die Sprache der Menschen spricht. Dadurch, dass jeder Raum, in dem wir arbeiten, so unterschiedlich ist, muss das die Orgel auch sein. Sie muss eben auf Akustik und die Architektur des Raumes reagieren. Dazu ist es noch eines der größten Instrumente, das die Menschheit baut. Man braucht dafür auch sehr viel Raum. Und genau diese Individualität ist eigentlich die Herausforderung.

DOMRADIO.DE: Was müssen Sie als Orgelbauer alles beherrschen?

Klais: Wir arbeiten mit Holz und müssen das Schreinerhandwerk beherrschen. Für die Orgelpfeifen müssen wir zudem mit Metall arbeiten. Wir gießen unsere Bleche selbst, aus denen wir die Pfeifen fertigen. Diese sind aus einer Zinnlegierung.

DOMRADIO.DE: Vieles ist heute auch elektrisch, kommt das in modernen Orgeln auch vor?

Klais: Es gibt auch elektrische Komponenten in modernen Orgeln. Wir müssen also auch den Umgang mit der Mechanik und den Umgang mit Elektrik beherrschen.

DOMRADIO.DE: Diese ganzen Komponenten müssen ja auch irgendwie ineinander greifen? Kann man sich das ähnlich wie beim Autobau vorstellen?

Klais: Wie Ingenieure müssen wir schauen, dass am Ende diese riesige technische Maschine funktioniert und eben Musik macht und dann natürlich auch als Skulptur im Raum die Menschen begeistert.

DOMRADIO.DE: Hat man denn als Orgelbauer ein Lieblingswerk und Vorzeigestück, wo Sie ganz besonders stolz drauf sind?

Klais: Als rheinischer Orgelbauer bin natürlich dankbar, dass ich an der Orgel im Kölner Dom habe mitarbeiten können. In der Regel ist es so, dass immer das Instrument, an dem man gerade arbeitet, im Fokus steht. Da fließt die gesamte Energie und die gesamte Leidenschaft hinein.

DOMRADIO.DE: Ihre Firma ist seit über 100 Jahren ein Familienbetrieb. In der Zeit hat sich vieles geändert. Es gibt zum Beispiel immer weniger Katholiken. Haben Sie deswegen Sorgen bezüglich der Zukunft des Orgelbaus?

Klais: Ich glaube, dass es gerade in einer Welt, die zunehmend durch die digitalen Herausforderungen geprägt wird, auch eine Sehnsucht nach dem Analogen gibt.

DOMRADIO.DE: Damit meinen Sie die Orgelmusik?

Klais: Ich meine, dass es die Sehnsucht nach den Erfahrungen von Klang, Musik und Raum gibt. Ich würde mir wünschen, dass man, wenn es zur Auszeichnung kommt, das nicht als einen Preis versteht, auf den man sich ausruhen kann, sondern dass man das als eine Aufforderung für die Zukunft nutzen könnte.

DOMRADIO.DE: Wie könnte das denn aussehen?

Klais: Wir haben diese fantastischen Kirchen, wir haben eine unheimlich lebendige Kirchen-Musiktradition. Jetzt müssen wir es nur schaffen, diese zu nutzen und damit Menschen wieder dort hineinzubewegen. Da ist die Orgel natürlich ein gutes Instrument.

DOMRADIO.DE: Was kann man denn anders machen oder anderes anbieten?

Klais: Also ich träume von einem Orgelkonzert, das 20 Minuten dauert. Vielleicht an einem Mittwochabend oder einem Donnerstagabend. Man könnte es so gegen 20:30 Uhr anbieten.

DOMRADIO.DE: Warum denn so spät? Und so kurz?

Klais: Um eben zusätzlich noch Zeit zu haben, um mit seinem Partner, seiner Partnerin ein Gespräch zu führen, vielleicht vorher noch etwas essen zu gehen oder auch den Babysitter nicht zu lange in Anspruch nehmen zu müssen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR