Orgelbau und Orgelmusik könnten Unesco-Kulturerbe werden

In einer Reihe mit dem Dom?

Orgelbau und -musik könnte bald in einer Reihe mit dem Tango und dem Washi-Büttenpapier als immaterielles Kulturerbe der Menschheit stehen. Die Unesco entscheidet ab diesem Montag über den entsprechenden Antrag.

Autor/in:
Paula Konersmann
Orgelbauer in der Schlosskirche in Ludwigsburg / © Sebastian Gollnow (dpa)
Orgelbauer in der Schlosskirche in Ludwigsburg / © Sebastian Gollnow ( dpa )

50.000 Orgeln stehen in deutschen Kirchen, 400 Orgelbau-Betriebe beschäftigen in der Bundesrepublik über 2.500 Menschen, Tausende arbeiten als Kirchenmusiker. Sie alle könnten jetzt Träger des internationalen immateriellen Kulturerbes der Unesco werden. Die Unesco befindet ab Montag über den entsprechenden Antrag. Bis zum 9. Dezember tagt der Zwischenstaatliche Ausschuss im südkoreanischen Jeju, wie die Deutsche Unesco-Kommission (DUK) in Bonn mitteilte.

Orgelmusik und Orgelbau wären - nach Falknerei und der Genossenschaftsidee - eines der ersten deutschen Kulturgüter auf der weltweiten Liste. Kein Wunder, sagt der Orgelsachverständige Michael Kaufmann: "Die Orgel ist als Kulturgut seit Jahrtausenden im Bewusstsein der Menschheit." Auf die deutsche Liste des immateriellen Erbes haben Orgelbau und Orgelmusik es bereits vor drei Jahren geschafft. Diese Liste umfasst bislang 68 lebendige Kulturformen wie Brotbacken, das Sternsingen oder das Hebammenwesen. Ergänzend zu den berühmten Welterbestätten geht es hier darum, Alltagskulturen und -traditionen zu erhalten.

Weitere Nominierungen für Liste der Unesco

Auf der internationalen Repräsentativen Liste der Unesco sind bisher 365 Kulturformen aus aller Welt eingetragen. 47 weitere Elemente stehen auf der Liste des dringend erhaltungsbedürftigen Immateriellen Kulturerbes, und 15 sind als gute Praxisbeispiele zur Erhaltung Immateriellen Kulturerbes erfasst. Aktuell sind für die Repräsentative Liste neben der deutschen Nominierung "Orgelbau und -musik" auch die Basler Fastnacht, die Tradition der Wasserrichter in Peru oder das Müllerhandwerk aus den Niederlanden vorgeschlagen. Der Ausschuss wird sich zudem damit befassen, wie in Katastrophenfällen mit Immateriellem Kulturerbe umgegangen werden kann, hieß es.

Bereits die Aufnahme von Orgelbau und -musik in das deutsche Verzeichnis sei "eine Ehre" gewesen, betont Musikwissenschaftler Kaufmann. Er leitet die Aus- und Fortbildungskurse der Vereinigung der Orgelsachverständigen Deutschlands (VOD) und war an deren Aufnahmeantrag federführend beteiligt. In ihrer Vielfalt und historischen Entwicklung sei die Orgel gerade in Deutschland "zu einem überaus bedeutenden Kulturfaktor" geworden, erklärt er.

2003: Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes

Die Idee, neben berühmten Welterbestätten wie dem Kölner Dom, der Wartburg oder dem Kloster Corvey auch immaterielle kulturelle Traditionen zu würdigen, kommt ursprünglich aus dem asiatischen Raum. "Das gebaute Erbe hat dort einen geringeren Stellenwert als bei uns", erklärt der zuständige DUK-Referent Benjamin Hanke. "Wenn ein asiatischer Tempel abgerissen und neu aufgebaut wird, ändert das nichts an seinem spirituellen Wert." Zudem könnten auch Bauwerke nicht ohne handwerkliche Kenntnisse entstehen. "Und die spirituelle Dimension des Kölner Doms ist ja mindestens genauso wichtig wie die bauliche."

Aus diesen Überlegungen entstand bereits um die Jahrtausendwende die Idee, nicht-dingliche Ausdrucksformen der Kultur zu würdigen und ihren Erhalt zu fördern. 2003 verabschiedete die Unesco das Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes; inzwischen sind der Konvention mehr als 170 Staaten beigetreten. Deutschland ist erst seit 2013 dabei. Hier werde, so die DUK, noch debattiert, was lebendige Kultur ausmache - und diese Debatte könne durchaus noch breiter geführt werden.

Ziel: Unbekanntes einem größeren Publikum zu vermitteln

Denn nicht nur Althergebrachtes kann immaterielles Kulturerbe der Menschheit werden. Ein Beispiel für moderne Kulturgüter ist das Poetenduell "Tsiattista" aus Zypern, vergleichbar mit den hiesigen Poetry Slams. Bekanntere Traditionen auf der weltweiten Unesco-Liste sind der Tango oder das Kunsthandwerk des japanischen Büttenpapiers Washi. Auch religiöse Traditionen wie die Heilig-Blut-Prozession im belgischen Brügge sind dort festgehalten.

Ziel sei es aber auch, Unbekannteres einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Hanke: "Bauwerke bleiben, aber wenn der einzige Mensch verstirbt, der noch einen speziellen Tanz beherrschte, dann verschwindet gleich eine ganze Tradition."


Quelle:
KNA