225 Jahre 4711 - ein Jubiläum, das eigentlich keines ist

Das Wasser von Köln

Ein Kartäusermönch und ein Wunderwasser - das klingt nach einer interessanten Geschichte. Ist es auch, die historischen Fakten liegen allerdings ein wenig anders: Nicht nur für die Wahrheit braucht es einen guten Riecher.

 Alte "Kölnisch Wasser"-Parfumflakons  / © Joachim Heinz (KNA)
Alte "Kölnisch Wasser"-Parfumflakons / © Joachim Heinz ( KNA )

Wer in den Kölner Hauptbahnhof einfährt, der kann der Leuchtreklame unter dem riesigen Bahnhofsdach kaum entkommen. "4711 - Echt Kölnisch Wasser" steht da. Ein Hingucker - auch wenn der passende Duft dazu manch einen eher an Seniorengruppen denken lässt. Wobei wir weder über die berühmte Parfumkreation noch über die älteren Konsumenten die Nase rümpfen wollen. Stattdessen soll es um Vergangenheit gehen, die nicht verweht. Und um die Frage, wie es um das "Echt" in der 4711-Werbung bestellt ist. Denn die Geschichte des "Eau de Cologne" ist voller falscher Fährten.

Rezept von einem Mönch?

Zuerst ein Märchen: Es war einmal der Geschäftsmann Willhelm Mülhens aus Rheidt, heute Niederkassel bei Bonn. Dieser Mülhens verliebte sich in die Notarstochter Catharina Josepha Moers. Als Wilhelm seine Catharina vor nunmehr 225 Jahren, am 8. Oktober 1792, ehelichte, erhielt er von einem Kartäusermönch namens Franz Carl Gereon Maria Farina ein Rezept für ein "aqua mirabilis" zur äußeren und inneren Anwendung. Dieses Wunderwasser wurde zum berühmten Kölnisch Wasser - und ließ das Geld in Strömen zur Familie Mülhens fließen.

Den Mönch gab es tatsächlich. "Aber ein Rezept hätte der niemals weitergegeben", sagt der heutige Chef des Hauses Farina, Johann Maria Farina. Warum? "Weil er damit die finanzielle Unterstützung durch seine Familie verloren hätte." Der wackere Kartäuser sei "posthum vereinnahmt" worden. Erst lange, nachdem der Mönch das Zeitliche gesegnet hatte, brachte die Firma Mülhens 1949 die Episode zur Unternehmensgründung in Umlauf.

Ein sinnstärkender Duft

Dass die Verantwortlichen bei Mülhens für ihre Legende ausgerechnet den Namen Farina benutzten, hatte gute Gründe. Die Farinas setzten seit 1709 von Köln aus als Parfumeure und Händler von Luxusgütern, dem "Französisch Kram", ihre Duftmarken quer durch alle Lande. Heute führt Johann Maria Farina die Geschäfte der "ältesten Parfumfabrik der Welt" in achter Generation.

Seine Vorfahren, die aus dem italienischen Santa Maria Maggiore nahe der Schweizer Grenze stammenden Brüder Giovanni Maria und Giovanni Battista legten mit einer wohlriechenden Komposition den Grundstock für den Aufstieg der Farinas zu einem der damals erfolgreichsten Geschäftshäuser Europas. "Ich habe einen Duft gefunden, der mich an einen italienischen Frühlingsmorgen erinnert, an Bergnarzissen, Orangenblüten kurz nach dem Regen", umschrieb Giovanni seinen Geniestreich. "Er erfrischt mich, stärkt meine Sinne und Fantasie."

Nicht die schlechtesten Eigenschaften für ein Duftwasser - in Zeiten, da die Altvorderen mangels regelmäßiger Körperpflege oftmals ungut müfffelten. Und es vor allem in den größeren Städten teils bestialisch stank, Schweine und andere Tiere frei in den Gassen herumliefen. Das von den italienischen Parfumeuren auf den französischen Namen "Eau de Cologne" getaufte Produkt war bald in höchsten Kreisen begehrt. Kurfürst und Erzbischof Clemens August (1700 bis 1761) wurde zum "Türöffner", wie Johann Maria Farina erzählt.

Prominente Abnehmer

Was und wie die Prominenz orderte, ist im Firmenarchiv nachzulesen: mehr als 300 laufende Meter, untergebracht im Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv. Kaiser Napoleon verbrauchte ein Fläschchen pro Tag - und das bei einem Einzelpreis von umgerechnet mehreren hundert Euro. Seiner Gattin Marie-Louise lieferten die Farinas Bonbons oder Kekse mit - die noble Kundschaft wollte schließlich hofiert werden. Noch heute gehören gekrönte Häupter zum Kundenstamm der Farina Eau de Cologne.

Das "Kölnisch Wasser" freilich sprudelte mit der Wende zum 19. Jahrhundert aus immer mehr Quellen. Bereits Wilhelm Mülhens hatte sich im Jahr 1803 die Namensrechte eines gewissen Franz Carl Farina gesichert. Der lebte in Bonn und war mit den erfolgreichen Parfumeuren weder versippt noch verschwägert. Sei's drum! Mülhens stieg nicht nur selber ins Duftgeschäft ein - sondern veräußerte den Namen Farina an mehr als 30 weitere Personen, die ebenfalls ihr eigenes "Eau de Cologne" auflegten.

Die Konkurrenz schläft nicht

Das alles ging munter so weiter - bis Johann Maria Farina, genannt "der Große", die Nase voll hatte und 1875 das erste Warenzeichen im Rahmen des neu geschaffenen Markenschutzgesetzes eintragen ließ. In der Not bewies Farinas Konkurrent und Wilhelms Enkel Ferdinand Mülhens, "De Naas vun Kölle" ("Die Nase von Köln"), freilich ebenfalls einen guten Riecher: Er verband sein Produkt fortan eng mit der 4711 - jener Hausnummer, die die Kölner 1794 dem späteren Firmensitz in der Glockengasse verpassten - kurz vor der Besetzung durch die Franzosen.

4711 stieg nach dem Ersten Weltkrieg allmählich zum Massenprodukt auf; Farina setzte eher auf Exklusivität. So schufen die Künstler Franz Marc und Wassily Kandinsky Flakons. Beide Düfte - wiewohl völlig unterschiedlich - gingen von Köln aus um die Welt. Das Stammhaus der Farinas beherbergt heute in den Original-Produktionsräumen aus dem 18. Jahrhundert das Duftmuseum. Ein paar Gehminuten weiter, in der Glockengasse, machen Handwerker gerade das in die Jahre gekommene 4711-Haus frisch. Die Markenrechte liegen inzwischen beim Stolberger Unternehmen Mäurer & Wirtz.

Vielfältiger Beruf

Bei Farina bereitet sich die nächste Generation auf die Übernahme der Geschäfte vor. Bis es soweit ist, wird Johann Maria Farina weiter in der "Gerüche-Küche" stehen. Der Beruf des Parfumeurs sei ungeheuer vielfältig, schwärmt er. "Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt." Das trifft offenbar auch auf manche der Geschichten zu, die über das "Kölnisch Wasser" in Umlauf sind.

Joachim Heinz


Johann Maria Farina, der Chef der Firma Farina / © Joachim Heinz (KNA)
Johann Maria Farina, der Chef der Firma Farina / © Joachim Heinz ( KNA )
Quelle:
KNA