Kritik an Schöpfungsgeschichte in Karlsruher U-Bahnstationen

Schöpfungskunst eine Chance

Massive Kritik übt der Leiter des Zentrums für Kunst und Medien an dem Kunstprojekt "Genesis - Sieben Tage des Herrn" von Markus Lüpertz für die für 2020 geplanten sieben Karlsruher U-Bahn-Stationen. Doch es gibt auch Zuspruch.

Skizze zu geplanter U-Bahn in Karlsruhe / © Art Connect/Anton Goll (dpa)
Skizze zu geplanter U-Bahn in Karlsruhe / © Art Connect/Anton Goll ( dpa )

domradio.de: Was halten Sie von diesem Kunstprojekt?

Hubert Streckert (Dekan des Katholischen Dekanats Karlsruhe): Ich persönlich finde das Projekt eine sehr gute Idee. Es ist ja so, dass der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe sich positiv zu diesem Projekt geäußert und eine Abstimmung herbeigeführt hat, die dafür war. Allerdings gab es auch die klare Ansage, dass kein öffentliches Geld in dieses Projekt gesteckt werden soll, sondern es wird ein reines Spendenprojekt sein. Anton Goll, der frühere Geschäftsführer der Karlsruher Majolika, ist quasi der Vater des Projekts und versucht derzeit möglichst viele Sponsoren zu finden, damit dieses Projekt mit ungefähr einer Million Euro realisiert werden kann.

domradio.de: Können Sie Peter Weibels Kritik, das sei eine "Sakralisierung von U-Bahnstationen", nachvollziehen?

Streckert: Das kann ich nicht. Zum einen möchte ich deutlich sagen, dass wir mit Peter Weibel und dem Zentrum für Kunst und Medien als Kirche eine gute Verbindung haben. Wir sind ständig im Dialog und es gibt gemeinsame Veranstaltungen. Peter Weibel war auch schon als Referent bei uns. Ich verstehe nicht, warum er jetzt so massiv dagegen schießt. Das Thema Schöpfung ist ja ein Thema, das alle Religionen betrifft und auch den Menschen selber, wenn er sich die Frage stellt: wo komme ich her, was ist meine Weltdeutung? Die biblische Genesis, die ja auch die jüdische Schöpfungsgeschichte ist, ist dazu eine Antwort.

Und ich würde mir eigentlich wünschen, dass wer immer auch in die Stadt kommt und sich dieses Kunstwerk anschaut, genau mit dieser Frage konfrontiert wird, und dann Gespräche entstehen über Fragen wie: Was ist meine Weltdeutung? Was ist die naturwissenschaftliche Weltdeutung? Genügt es, wenn wir erklären können, dass Eizellen und Spermien sich verschmelzen und so menschliches Leben entsteht? Diese großen Fragen kommen durch dieses Kunstprojekt mitten in die Stadtöffentlichkeit.

Streckert: Weibel fühlt sich bei diesem Karlsruher Kunstprojekt an die Hagia Sophia in Istanbul erinnert, die der türkische Präsident Erdogan jetzt in eine Moschee verwandeln will – und er sagt: öffentliche Räume würden "mit christlichen Symbolen besetzt". Das ist doch sehr drastisch, oder?

Streckert:  Das klingt sehr drastisch und ich wage zu behaupten, dass das eher eine politische Äußerung als eine antikirchliche oder antireligiöse Äußerung ist. Vielleicht stört er sich an dem Verfahren, dass es keine öffentliche Ausschreibung zur Gestaltung der Haltestellen gab, an der sich andere auch beteiligen konnten. Dass alles festgelegt wurde auf einen Künstler und ein Thema hin.

Aber wir haben ständig in Karlsruhe religiös motivierte Kunst im öffentlichen Raum. Derzeit läuft eine Lutherausstellung. Der Lutherkopf ist überall zu sehen, in der Sparkasse oder in Geschäften. Wir haben in einem Stadtteil einen ökumenischen Schöpfungspfad. Die Kirchen selbst als Gebäude oder Kreuze, die irgendwo im öffentlichen Raum hängen, stellen ja das Religiöse auch immer mitten hinein in das öffentliche Leben.

domradio.de: Sie sehen also nicht eine Tendenz, dass alles, was mit Bibel, Christentum und Kirche zu tun hat, abgewertet würde?

Streckert: Würde ich jetzt so nicht sagen. Ich sehe allerdings natürlich auch, dass wir als Kirche einen großen Bedeutungsverlust haben und wir uns argumentativ gut aufstellen müssen, um unsere Deutung und unsere Themen im öffentlichen Leben darzustellen. Wir nehmen auch wahr, dass Vieles missverstanden wird, weil die Bedeutung selbst nicht mehr erkannt wird, zum Beispiel was die Schöpfungsgeschichte angeht.

Vielleicht hat das auch mit den Kreationisten und mit vielen Fehlentwicklungen im Religiösen zu tun. Da wird gleich vermutet, man will missionieren oder Leuten irgendwelche Meinungen aufzwingen. Aber das sehe ich überhaupt nicht so. Wir sind als Kirche ein Player in der Gesellschaft und in der Stadt, und wir haben eine Botschaft, die wir anbieten – als Vorschlag.

Das Interview führte Milena Furman.


Quelle:
DR