Oper "The Gospel According To The Other Mary" in Bonn

Die Passion aus der Sicht der Frauen

Die Leidensgeschichte Jesu ist ein Thema, an das sich nicht viele Komponisten heranwagen. John Adams hat gemeinsam mit Peter Sellars eine Oper dazu geschrieben – aus der Perspektive der Frauen in der Bibelgeschichte.

Oper The Gospel according to the Other Mary / © Thilo Beu (Oper Bonn)
Oper The Gospel according to the Other Mary / © Thilo Beu ( Oper Bonn )

Sich an die Ostergeschichte zu wagen, fordert sehr viel Mut von Komponisten, denn Johann Sebastian Bach hat mit seinen Passionen Maßstäbe gesetzt. John Adams, einer der bekanntesten amerikanischen Komponisten der zeitgenössischen klassischen Musik, hat die Passion auf besondere Weise vertont - aus der Perspektive von Maria Magdalena, wie schon der Name der Oper verrät: „The Gospel According To The Other Mary“. Das Evangelium nach der Anderen Maria.

Starke Frauen von Maria Magdalena bis Doris Day

Aber nicht nur Maria Magdalena steht für Regisseur Peter Sellars im Zentrum, auch ihre Familie und allgemein starke Frauen sind ihm wichtig. Das liegt daran, dass die Frauen die Passion Jesu von Anfang bis Ende begleitet haben, erklärt Regisseur Peter Sellars. „Sie begleiten Jesus die ganze Zeit. Wir wollten ein Stück schreiben, das den Frauen erlaubt, nicht nur da zu sein, sondern auch zu sprechen.“ Peter Sellars hat in dem Libretto der Oper auch Textfragmente von starken Frauen verwendet, die vom Mittelalter bis heute das Werk Jesu fortführen – wie zum Beispiel Hildegard von Bingen oder Doris Day. Ebenfalls kommen Frauen anderer Religionen und Hautfarben in der Oper zu Wort. Dadurch ist „The Gospel According To The Other Mary“ ein Stück, das auf mehreren Ebenen funktioniert: Auf der einen Ebene wird die Passion erzählt, aber gleichzeitig kommen die Unterdrückten zu Wort, die Gebrochenen und Armen.

Inspirationen von Bach

Auf der musikalischen Ebene haben sich John Adams und Peter Sellars von Johann Sebastian Bach inspirieren lassen. „In dieser Zeit war ich in Berlin. Dort habe ich mit den Berliner Philharmonikern unter Simon Rattle zusammengearbeitet“, erinnert sich Regisseur Sellars, „an der Matthäuspassion von Bach.“ Die Annäherungen an Bachs Passionen sieht man vor allem in der Besetzung der Opernrollen. In Bachs Passionen singt ein Evangelist in Tenorlage vom Geschehen. Dieses Stilmittel hat Adams aufgegriffen, aber in seinem Sinn abgewandelt. Er hat drei Evangelisten besetzt – und es sind Countertenöre. Dieser Klang gefällt Peter Sellars besonders gut. „Da hat man schon im Klang diese Dreieinigkeit, mit dieser unglaublichen leuchtenden, engelsgleichen Präsenz“, schwärmt er. „Es ist weder irdisch noch himmlisch, sondern dazwischen.“ Was Sellars auch besonders gut gefällt, ist, dass man keinen Jesus auf der Bühne sieht. Das hat den Grund, erklärt er,  dass Jesus in der Passion bereits tot ist. „Alles was uns bleibt, ist seine Stimme.“

Gute Probenarbeit

Die Inszenierung in Bonn ist aus einer Kooperation der English National Opera London und dem Theater Bonn entstanden. Peter Sellars ist nicht nur der Librettist des Werkes, sondern auch der Regisseur an der Oper in Bonn. „Das Orchester ist unglaublich engagiert“, freut er sich. Obwohl das Thema nicht einfach ist, seien alle mit ganzem Herzen bei der Sache. Davor habe er großen Respekt. „Das hier verlangt das Äußerste von jedem. Das kann man nicht so nebenbei machen. Auf der anderen Seite ist es das Schönste, was man in seinem Leben machen kann.“

Noch bis Mitte Mai wird „The Gospel According To The Other Mary“ in der Oper Bonn aufgeführt.

(dr) Monika Müller