Gerhard Richter wird 85

"Er ist jemand, der Gott sucht"

Seit vielen Jahren ist der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann mit dem Künstler Gerhard Richter befreundet. Im domradio.de-Interview spricht er über die existenziellen Fragen des Künstlers und seine Beziehung zu Richter.

Gerhard Richter in seinem Atelier / © Oliver Berg (dpa)
Gerhard Richter in seinem Atelier / © Oliver Berg ( dpa )

domradio.de: Herr Bischof, könnte man auch sagen, Sie sind Richters Seelsorger?

Bischof Dr. Friedhelm Hofmann (Bistum Würzburg): So weit würde ich nicht gehen. Aber ich würde sagen, ich bin wirklich mit ihm befreundet und wir führen auch theologische Gespräche, die deutlich machen, dass Gerhard Richter nicht einfach Atheist ist. Er ist jemand, der Gott sucht. Und er findet ihn auch in seinem Schaffensprozess, wo ihm deutlich wird: Es ist immer mehr drin, als er selber zu geben vermag. Das hält die Suche und die Frage nach Gott sehr offen bei ihm.

domradio.de: In einem Video-Interview mit einem dänischen Museum sagte Gerhard Richter im vergangenen Jahr, er brauche als Künstler ein gewisses Maß an Unsicherheit und Ratlosigkeit, um immer wieder etwas Neues zu schaffen. Was sagt dieser Satz über Gerhard Richter aus?

Hofmann: Richter ist ein Mann, der auf der Suche nach der Wirklichkeit ist. Er hinterfragt: ist das, was wir sehen, auch wirklich so, wie wir es sehen? In seinen unterschiedlichen Objekten mit den vier Glasscheiben von 1967 oder den acht Monochrom-Scheiben in grau 1975 fragt er, ob das Glas Symbol für "alles sehen und nichts begreifen" ist. Er steht immer an der Existenzschwelle zwischen dem, was er erkennt und dem, was er schafft. Und da ist ein Innenraum von ihm angesprochen, der die Außenwelt reflektiert und einbezieht. Sein Thema ist das Abbilden selbst. Und das macht ihn zu einem der ganz großen Künstler: nicht einfach etwas so zu nehmen, wie man es augenblicklich empfindet, sondern zu fragen: Ist die Realität nicht viel größer, als wir sie wahrnehmen?

domradio.de: In diesem Interview sagte er auch, er habe in Colmar den Isenheimer Altar mit der Darstellung des Gekreuzigten angeschaut und das habe ihm Trost gegeben. Wundert Sie diese Aussage von Gerhard Richter?

Hofmann: Nein. Er hat eine besondere innere Offenheit gegenüber dem Leiden in der Welt. Er weiß aus der eigenen familiären Vergangenheit während des Nationalsozialismus, wie Verwandte durch eine Ideologie abgestempelt und auch gemartert wurden. In seinen Bildern lässt er auch immer wieder aufscheinen, dass er sich mit der Frage und dem Grund des Leidens auseinandersetzt und mitleidet. Durch die Kunst versucht er zum Teil dieses Leiden zu überwinden. Das ist sein großes Anliegen.

domradio.de: 85 Jahre sind ein stolzes Alter. Wie blickt er auf seine persönliche Zukunft, an dessen Ende ja der Tod stehen wird? Sprechen Sie auch über diese Fragen?

Hofmann: Ja, wir sprechen ganz klar über das christliche Heilsverständnis, über die Frage der Erlösung durch Jesus Christus am Kreuz, dass er das Leiden der Welt auf sich genommen hat und dass er uns in der Nachfolge mit diesem Leid konfrontiert. Gerhard Richter ist ein sehr offener, zuhörender, abwägender Mann, der nicht leicht zu Äußerungen kommt, die alles verharmlosen. Er weiß auch, dass der Tod auf ihn zukommt und stellt die Frage, was ist danach.

domradio.de: Werden Sie ihm zum Geburtstag gratulieren können?

Hofmann: Selbstverständlich. Das habe ich schon, weil er nicht in Köln ist, sondern außerhalb. Und wir werden uns sicherlich auch in der nächsten Zeit bald wieder treffen.

domradio.de: Und was wünschen Sie ihm zum Geburtstag?  

Hofmann: Dass er mit Freude auf sein Lebenswerk zurückschaut, dass er seine Familie als ein großes Geschenk auch weiterhin erleben darf und dass er mit seiner Familie hoffentlich auch noch einige kreative Jahre vor sich hat. Und dass die Fragen, die er stellt, gerade in Bezug auf den Glauben, auch zu einem fruchtbaren Ende kommen.

Das Interview führte Birgitt Schippers.


Der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann / © Harald Oppitz (KNA)
Der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR