"Das Wunder von Lourdes" am dritten Adventssonntag im Kino

Ein fromm-naiver Bilderbogen

Er ist einer der berühmtesten Wallfahrtsorte der Welt: Lourdes. Der Film "Das Wunder von Lourdes" ist eine flüssig inszenierte Heiligengeschichte, die nur am dritten Adventssonntag in den Kinos läuft.

Autor/in:
Josef Lederle
Grotte im Wallfahrtsort Lourdes / © Barbara Mayrhofer (KNA)
Grotte im Wallfahrtsort Lourdes / © Barbara Mayrhofer ( KNA )

Schwester Marie Bernarde liegt im Sterben. Ihr fieberglühender Körper wird von Hustenanfällen geschüttelt. Die schmächtige Novizin hat kaum mehr Kraft, um ihre Atemwege freizubekommen. Der herbeigerufene Bischof nimmt sie entgegen der strengen Ordensregeln in den Konvent der Barmherzigen Schwestern in Nevers auf. Doch kaum liegt der schwarze Habit auf der Kranken, huscht ein verschmitztes Lächeln über ihre Züge.

Bernadette Soubirous (1844-1879), das Mädchen aus Lourdes, dem 1858 in der Pyrenäen-Grotte Massabielle mehrfach die Gottesmutter Maria erschienen sein soll, ist am Ziel ihrer Wünsche. Sie, die aus mittellosen Verhältnissen stammt, an schwerem Asthma leidet und von der Oberin als "Taugenichts" beschimpft wird, will nicht tot sein, sondern als Nonne leben. Als sie von Mitschwestern angegiftet wird, dass sie den Ordensschleier erschlichen habe, wird die freundliche Nonne deutlich. Das sanfte Gesicht strahlt plötzlich eine kantige Klarheit aus, die sich nicht mehr rechtfertigen muss, sondern mit heiligem Ernst ein Faktum konstatiert: "Ich habe ihn aber."

Immer wieder fokussiert die Kamera auf das wandelbare Antlitz der Schauspielerin Katia Miran, die ihre Figur nicht "erklären", sondern ikonenhaft verkörpern soll. Ein ums andere Mal leuchtet die Inszenierung die statuarische Schönheit des Mädchengesichts aus, in dessen großen Augen sich Ergriffenheit und Hingabe, aber auch Kraft, Mut und eine burschikose Entschlossenheit spiegeln.

Film nur an einem Tag in den Kinos

So will es die Regie von Jean Sagols, der unter Rückgriff auf den Franz-Werfel-Roman "Das Lied von Bernadette" die Geschichte des "Wunders von Lourdes" (am 11. Dezember im Kino) als fromm-naiven Bilderbogen entwirft. Dieser Film läuft nur an einem einzigen Tag in 40 bis 50 Kinos bundesweit.

Der weitgehende Verzicht auf Figurenpsychologie zugunsten einer auch in der Wahl der Darsteller akzentuierten Typologie grenzt an Devotionalien-Kitsch, wahrt aber meist doch eine Grenze, solange die Filmmusik die Bildebene nicht verdoppelt. Das ist eine Form filmischer Hinterglasmalerei im Dienst frommer Erbauung, bei der hagiografische Akkuratesse an die Stelle einer interpretatorischen Deutung tritt.

Wenn man sich auf diese Art naiver Ästhetik einlässt und sich nicht weiter am goldgelben Licht stört, das nahezu alle Szenen durchflutet, dann entfaltet sich eine flüssig erzählte Legende mit überraschend "modernen" Widerlagern. Die Protagonistin ist entgegen ihrer rehäugigen Erscheinung eine eigensinnig-eigenwillige Persönlichkeit, die keine Konzessionen an ihre Umwelt macht, sondern unbeirrt ihren Willen verfolgt.

"Wunderwahn" um das heilsame Lourdes-Wasser

Hinter der pittoresken Gloriole der aufgeräumten CinemaScope-Bilder blitzt bei Bernadette eine Unabhängigkeit und Stärke auf, die so gar nicht in den pastoralen Gesamtrahmen passt. Dazu zählt auch, dass der Film nahezu durchgängig bei der Protagonistin bleibt und den "Wunderwahn" um das heilsame Lourdes-Wasser nur kurz streift.

Auffallend breiten Raum nimmt der Widerstand der gesellschaftlichen Autoritäten ein. Bürgermeister, Polizei, der örtliche Pfarrer und seine Vorgesetzten reagieren energisch auf Bernadettes Erscheinungen und wollen sie der 14-Jährigen ausreden, sie umdeuten oder unterbinden. Das führt zu komischen Szenen, wenn die wortkargen Sätze des Mädchens in die unterschiedlichsten Perspektiven "übersetzt" werden.

Die Anfeindungen während der Klosterzeit aber, als Bernadette in Marie-Therese Vauzous eine strenge Kritikerin fand, die sich insbesondere gegen die einsetzende Verehrung der Nonne als Heilige zur Wehr setzte, blendet der historisierende Kostümfilm fast komplett aus. Auch darin wird die Intention der Inszenierung deutlich, die auf ein frommes, theologisch nicht gebildetes Publikum zielt. Erwartungen an eine spirituelle Bildsprache oder erzählerische "Brüche", die den Film einer reflektierten Deutung zugänglich machten, zielen deshalb ins Leere.


Quelle:
KNA