Pfarrer geht bei Christo-Kunstprojekt über das Wasser

Schwankend schön

Einmal über das Wasser gehen - der Bonner Pfarrer Andreas Georg Haermeyer hat es getan. Er ist über die "Floatings Piers", schwimmende Stege aus Kunststoffwürfeln des Künstlers Christo "gewankt". Ein tolles Erlebnis, wie er sagt.

Christo Projekt Floating Piers auf dem Lago d'Iseo / © Michael Kappeler (dpa)
Christo Projekt Floating Piers auf dem Lago d'Iseo / © Michael Kappeler ( dpa )

domradio.de: "Floating Piers", so heißt ein Kunstprojekt des Verpackungskünstlers Christo, der 1995 den Reichstag in Berlin verhüllt hatte. Er hat Stege konstruiert, die aus Kunststoffwürfeln bestehen und auf dem Iseo-See in Norditalien schwimmen. Und, das Spannende an diesem Kunstwerk ist, dass man es nicht nur angucken kann, sondern auch anfassen, ja sogar betreten darf und soll. Und Sie, Pfarrer Haermeyer, sind einfach so über das Wasser gegangen. Wie war das? Wie fühlt sich das an?

Pfarrer Andreas Georg Haermeyer (Schulseelsorger am Kardinal-Frings-Gymnasium in Bonn): Schon sehr ungewöhnlich. Wenn man den ersten Schritt von dem letzten Stück festem Land hinaus macht, das auch schon mit diesen orange-gelblichen Stoffen bedeckt ist, dann beginnt der Boden schon leicht zu wanken, das leichte Wellenspiel wird übernommen. Ein Journalist hat es damit verglichen, auf eine Luftmatratze zu treten. Aber zugleich ist es auch ganz anders, weil das Drumherum mit den anderen Menschen, dem Wetter und dem Umfeld eine ganz entscheidende Rolle spielt.

domradio.de: Ich hab gelesen, dass man am besten barfuß darüber gehen soll, um die Wellen zu spüren. Haben Sie das gemacht?

Haermeyer: Nein, das habe ich dann doch nicht gemacht, weil in dem Augenblick so viel los war. Das ist ja oft bei solchen Kunstaktionen so. Ich war am ersten Tag da und neben uns rund 55.000 andere Menschen, die auch an dem ersten Tag dabei sein wollten, als man endlich über das Wasser gehen konnte.

domradio.de: Beschreiben Sie doch einmal, wie man sich das vorstellen kann. Also, man läuft einfach los und kommt irgendwann am anderen Ufer an? Oder gibt es da auf den Stegen noch etwas zu entdecken?

Haermeyer: Die Installation verbindet einen kleinen Ort am Seeufer, der sonst verträumt ist, mit dem Hauptort der größten Seeinsel Italiens, der Monte Isola. Von dort aus geht der Steg dann am Ufer ein Stück weiter und schließlich auf eine kleine Privatinsel. Die kann man auch noch umrunden, um in einem großen Dreieck ans Festland zu gelangen. Man sollte allerdings Zeit mitbringen. Jedenfalls war es bei unserem Besuch dort ziemlich voll und die Wartezeiten auf den Bus dorthin schon enorm.

domradio.de: Kann da eigentlich jedermann drauf? Oder sollten Kinder oder Seekranke den Gang über das Wasser meiden?

Haermeyer: Ich habe ganze Familien mit Kindern auf den "Floating Piers" getroffen. Bei Seekranken bin ich mir nicht so ganz sicher. Der Hub der Wellen ist nicht besonders hoch. Die Piers sind gut befestigt und gefühlt alle paar Meter steht ein Mitarbeiter des Christo-Projekts und passt auf, dass nichts passiert. Die Boote der Wasserschutzpolizei pendeln auf dem See auch immer hin und her. Passiert ist meines Wissens nach bisher nichts. Aber es ist ein grandioses Kunsterlebnis, das ich mir nicht entgehen lassen wollte.

domradio.de: Wer sich das noch anschauen und das Gefühl, über das Wasser zu gehen noch erleben möchte, der muss sich ein wenig beeilen. Noch bis zum 3. Juli bleiben diese Stege dort. Was passiert danach damit?

Haermeyer: Christo legt immer einen großen Wert auf Nachhaltigkeit. Zum einen werden die ganzen Materialien nach dem Projektende wieder aus dem See entfernt. Die Verankerungen, die er extra hat anbringen lassen, die Stege selbst und die Stoffe sind allesamt recyclebar und es ist geplant, diese auch wieder zu recyclen. Zum anderen wird er über den Verkauf einzelner Dinge und einer Nachbearbeitung der Filme und Bilder das Projekt finanzieren. Denn das Projekt kostet keinen Eintritt und man ist eingeladen, dorthin zu kommen. Natürlich müssen Parkplätze und solche Dinge bezahlt werden, aber das Projekt an sich ist kostenlos und für jedermann zugänglich.

domradio.de: Sie haben gesagt, Sie seien über das Wasser gegangen. Hat das Ihren Blick auf die Welt nachhaltig verändert oder verbuchen Sie das einfach als nettes Erlebnis?

Haermeyer: Ich finde schon, dass dieses Erlebnis alles in eine andere Perspektive gerückt hat. Ich kenne den See und die Strecke sonst nur vom Schiff aus. Das war schon anders, auch einfach in diesen Kontext gestellt zu sein und diese Erfahrung mit anderen gemeinsam gemacht zu haben. Christo sagt ja von sich selbst, nicht diese Stege und das Gewebe seien besonders, sondern das Erleben, das das Kunstwerk nachher ausmacht. Diese Kunst muss man einfach erleben.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR