Michelangelos Sixtina-Fresken im Kölner Odysseum

Mit Blick von oben

Eine ungewöhnliche Sicht auf Michelangelos Fresken aus der Sixtinischen Kapelle bietet eine Sonderausstellung im Kölner "Odysseum". Die Schau "Der andere Blick" zeigt Reproduktionen der Renaissance-Meisterwerke - und zwar von oben.

Das jüngste Gericht / © Can Stock Photo Inc. / savcoco
Das jüngste Gericht / © Can Stock Photo Inc. / savcoco

Wer weiß schon, dass Noah auf dem vielleicht berühmtesten Deckengemälde der Welt einen veritablen Kater hat? Und dass Gott bei der Erschaffung der Welt ein altrosa Gewand trägt? Vermutlich nur wenige Kunstkenner, denn die Besichtigung der Sixtinischen Kapelle in Rom, wo die großartigen Bilder von Michelangelo (1475-1564) in 22 Meter Höhe prangen, gerät für die jährlich vier Millionen Besucher meist eher zur Hetzjagd als zum entspannten Kunstgenuss.

"Das hat mich schon immer gestört", sagt die Malerin und Michelangelo-Liebhaberin Christina Marotzke. Bei ihren zahlreichen Besuchen in der Sixtina habe sie oft gedacht: "Ich kann dich gar nicht richtig erkennen, ich möchte dich gerne runterreißen", erzählt sie am Mittwoch im Kölner Wissenschafts- und Erlebnismuseum Odysseum, wo ab Freitag die Ausstellung "Der andere Blick" zu sehen ist. Dank Marotzke und ihrem Team kann das Publikum dort, wo zuvor Harry Potter und "Star Wars" gastierten, bis 23. Oktober rund 50 Gemälde aus jener 1483 geweihten Kapelle sehen, wo die katholische Kirche ihre Päpste wählt.

Fast originalgroße Reproduktionen

Das Besondere: Die fast originalgroßen Reproduktionen kann man nicht nur in Ruhe, sondern auch ohne Genickstarre anschauen, denn die meisten sind - spiegelverkehrt zur Sixtina - von einem 1,75 Meter hohen Gerüst aus zu betrachten. Und: Adam, Eva, Gott und Co. sind auf feinen elastischen Stoff reproduziert. Damit kommen Farben und Körnung der Originalfresken erstaunlich gut zur Geltung.

So betritt der Besucher die abgedunkelten Ausstellungsräume, wo an schlichten Stahlgerüsten zunächst rund 20 Fresken der Florentinischen Malergruppe aus dem 15. Jahrhundert hängen. Ein (im Eintritt enthaltener) Audioguide bietet historische und kunstgeschichtliche Hintergründe. Dann geht es weiter zu Michelangelos Darstellungen aus der Genesis, wo man Propheten wie Jona mit dem Wal oder Daniel in der Löwengrube trifft. Höhepunkt und Herzstück sind die neun Motive des Deckengemäldes, die über ein Gerüst zu erreichen sind, sowie - etwas abseits platziert - das "Jüngste Gericht".

Dass es dem Ausstellungsteam gelungen ist, Marotzkes "Lebenstraum" umzusetzen, liegt demnach auch an Kurator Ingo Langner. Der Autor und TV-Produzent hatte durch mehrere Bücher und Filme gute Kontakte in den Vatikan. So habe er den Leiter der Vatikanischen Museen, Arno Nesselrath, für die Idee gewinnen können. "Der Vatikan hat großes Vertrauen in uns, dass wir das so präsentieren, wie es sich gehört", berichtet Langner. "Und dass die Schau weltweit gezeigt werden soll, daran hat der Vatikan natürlich ein Interesse."

Als Wanderausstellung geplant

Schließlich sollen die Bilder nach der Weltpremiere in Köln "um die Erde gehen", verspricht Marotzke. So stellte das Museum nach Abschluss eines Lizenzvertrags dem Team 20 Jahre alte, DIN-A5-große Dias zur Verfügung. Daraus wurden per Fotodruckverfahren Stoff-Reproduktionen hergestellt und in mühevoller und auch künstlerischer Arbeit von der gewölbten in eine plane Form gezogen.

"Für mich ist das Sixtina 2.0", so Langner. Glücklich ist er auch über die prominente Unterstützung aus dem Vatikan: Schirmherr der Schau ist der frühere "Chefhistoriker" des Papstes, Kardinal Walter Brandmüller. Der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Kurienkardinal Kurt Koch, gehört dem Ehrenkomitee an. Und zur Eröffnung der Ausstellung am Mittwochabend hatten sich hohe kirchliche Würdenträger angesagt: der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, und der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten.

Papstbotschafter Eterovic würdigte die Ausstellung in einem Geleitwort. "Der Blick wird nicht nach oben zur Decke der Kapelle gerichtet oder auf das Jüngste Gericht über unseren Häuptern an der Altarseite, sondern unsere Augen schauen nach unten, gleichsam in einer umgekehrten Perspektive", so Eterovic. Die Schau könne "so etwas wie eine reisende Biblia pauperum sein: eine Bibel, die in Bildern erzählt und die modernen Menschen, die zwar lesen können, aber Gottes Wort oft nicht mehr hören, in ihren Bann zieht".


Quelle:
KNA