Vor 300 Jahren begann der Bau der Wiener Karlskirche

Weiße Pracht gegen den Schwarzen Tod

Die Karlskirche unweit der Ringstraße ist aus dem Wiener Stadtbild nicht wegzudenken. Die weiße Pracht hat ihren Ursprung freilich nicht im überschwänglichen Lebensgefühl des Barock - sondern im Schwarzen Tod.

Außenansicht der barocken Karlskirche in Wien (KNA)
Außenansicht der barocken Karlskirche in Wien / ( KNA )

Auf Sicht ist sie gebaut, die Wiener "Karlskirche" - an einem Weinberg auf halbem Weg zwischen der Hofburg und der damaligen kaiserlichen Sommerresidenz. "Auf Sicht", das heißt: Die Wirkung entfaltet sich erst aus einer gewissen Entfernung, nicht unbedingt in unmittelbarer Nähe. Die Entwicklung der modernen Stadt hat es nicht leichter gemacht, diesen Effekt zu erzielen.

Ursprung im "Schwarzen Tod"

Die Karlskirche unweit der Ringstraße ist aus dem heutigen Stadtbild nicht wegzudenken. Doch die weiße Pracht hat ihren Ursprung nicht, wie man leicht denken könnte, im überschwänglichen Lebensgefühl des Barock - sondern im Schwarzen Tod. 1713 hatte noch einmal die Pest in Mitteleuropa gewütet; allein in Wien raffte sie mehr als 8.000 Menschen hinweg. Karl VI. (1711-1740), 28 Jahre jung und gerade zwei Jahre Kaiser, war entsetzt. Er gelobte seinem Namenspatron, dem Pestheiligen Karl Borromäus (1538-1584), eine prächtige Kirche errichten zu lassen, sollte das Unheil ein Ende nehmen. Und er stand dann auch nicht an, sein Gelübde sehr bald zu erfüllen - mit einem der wichtigsten barocken Kirchenbauten nördlich der Alpen.

Aus dem Bauwettbewerb ging der damals 59-jährige Grazer Johann Bernhard Fischer von Erlach als Sieger hervor. Im Frühjahr 1716, vor 300 Jahren, wurde der Grundstein für einen Bau gelegt, der in sich Bußfertigkeit und imperialen Herrschaftsanspruch mit höchstem Anspruch vereinigt. Der Kaiser selbst hatte entschieden, dass die Karlskirche eine "Votivkirche" des ganzen Reiches sein solle - also ein Werk, das die Dankbarkeit für die Befreiung aus der Notlage architektonisch verewigt.

Alle mussten zahlen

Das klingt durchaus edelmütig - hatte aber für den Vielvölkerstaat der Habsburger handfeste Konsequenzen. Alle mussten sie zahlen: Sardinien, Mailand, Neapel, die Spanischen Niederlande (Belgien) und die Länder der ungarischen Krone, also weite Teile des Balkans. Die überlieferten mehrfachen Ermahnungen sprechen für eine mäßige Zahlungsmoral. Selbst die protestantische Freie und Hansestadt Hamburg wurde verpflichtet, als Sühne für die Verwüstung der dortigen österreichischen Gesandtschaftskapelle.

Das Ergebnis, die 1739 fertiggestellte Karlskirche, sieht hübsch vollendet aus. Selten jedoch war eine historische Botschaft an die Welt und die Nachwelt derart gewollt in Stein gemeißelt: Dieses Reich vereinigt Orient und Okzident, Rom und Byzanz, steht für Vergangenheit und Zukunft. So viele Epochen und Stile vermengt Fischer von Erlach in der Komposition der Hauptfassade, dass man eigentlich lachen müsste - doch es siegt die Erkenntnis: Das Gesamt der Versatzstücke ergibt eine Pyramide der Einheit.

Orientalischer Touch

Schon die Vielzahl der Kuppeln und Türmchen ist eine Anspielung auf osmanische Moscheen und die Hagia Sophia in Istanbul. Imitiert wird zweifach die römische Trajanssäule; der Eingangsportikus ist ein griechischer Tempel, die Durchfahrten der Glockentürme römische Triumphtore. Darüber erheben sich pagodenartige Dächer, dazwischen eine Kuppel von 74 Metern Höhe.

Nach dem Tod Fischers von Erlach 1723 wurde der Bau von seinem Sohn Joseph Emanuel fertiggestellt - der die Pläne des Vaters noch teilweise änderte. So war ursprünglich - statt des Kuppelfreskos von Johann Michael Rottmayr - eine streng und imperial wirkende Kassettendecke nach dem Vorbild des römischen Pantheon vorgesehen.

Laufende Renovierung

Das Fresko greift stattdessen noch einmal das Thema der Pest auf - mit Karl Borromäus, der um ein Ende der Seuche bittet und darin von Maria unterstützt wird. Seit 2002 wird die Karlskirche, heute unter anderem Sitz der Hochschulgemeinde der nahe gelegenen TU Wien, laufend renoviert.

Finanziert wird das primär durch die Eintrittsgelder von jährlich rund 150.000 Touristen. Das Ticket - inklusive Panoramaaufzug zu den imposanten Fresken - kostet acht Euro. Die Besucher werden rund 32 Meter über Bodenniveau befördert. Der Aufzug ist inzwischen eine reine Einnahmequelle für die weitere Restaurierung. Das Echo darauf ist geteilt, wird doch der Raumeindruck durch die Metallkonstruktion stark beeinträchtigt. Der Tipp: nicht meckern, sondern die Gelegenheit nutzen, die Fresken ganz aus der Nähe betrachten zu können.


Quelle:
KNA