"Brot für die Welt" wirbt auf der ITB für fairen Tourismus

Notfalls weniger in Urlaub fahren

Die Deutschen sind reisefreudig - doch ist jede Urlaubsreise ethisch vertretbar? Das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" setzt sich auf der Internationale Tourismusmesse Berlin (ITB) für nachhaltiges und faires Reisen ein.

Internationale Tourismus-Börse in Berlin / © Soeren Stache (dpa)
Internationale Tourismus-Börse in Berlin / © Soeren Stache ( dpa )

domradio.de: Wie stark ist das Bewusstsein auf der ITB, das nicht jede Reise ethisch vertretbar ist?

Antje Monshausen (Leiterin der Arbeitsstelle "Tourism Watch“ bei "Brot für die Welt"): Ich bin mir nicht sicher, ob das Bewusstsein wirklich auf der ITB angekommen ist. Wir haben auf der ITB sehr viele Veranstaltungen, die sich rund um Nachhaltigkeit drehen, aber das grundsätzliche Geschäftsmodell des Tourismus nicht hinterfragen. Was wir aber heute sehen ist, dass die Menschen vor Ort gerade in den Urlaubsländern kaum Mitsprache bei der Art und Weise haben, wie der Tourismus gestaltet wird, und auf der wirtschaftlichen Ebene der Tourismus eher zu einer Elitenbildung führt, also dass nur einige wenige profitieren vom Tourismus, aber die breite Masse nicht, beispielsweise durch einen besseren Zugang zu Bildung oder Gesundheitsdienstleistungen.

domradio.de: Sind da nicht in erster Linie die Regierenden der Reiseländer gefordert?

Monshausen: Gerade in den Entwicklungsländern setzen viele Regierungen auf den Tourismus. Aber durch massive Infrastrukturveränderungen durch den Bau von großen Straßen, Flughäfen oder großräumigen Hotelanlagen werden häufig Menschen von ihrem Land vertrieben, ohne dass mit ihnen vorher geredet wird. Und Ressourcenkonflikte, die vor Ort schon da sind, werden durch den Tourismus verschärft. Wir haben da auch einige Organisationen, die sich vor Ort dafür einsetzen, dass eine lokale Partizipation möglich ist, dass gegen nicht nachhaltige Tourismusprojekte protestiert wird, und dass die Chancen der Menschen auf Entwicklung, die durch den Tourismus untergraben wird, verbessert werden. Es gibt auch einige wenige Tourismusveranstalter, die menschenrechtliche Risikoabschätzungen vornehmen und mit der lokalen Bevölkerung in einen Dialog treten, um auch die Folgen des Tourismus zu verstehen. Aber das sind nicht viele.

domradio.de: Es gibt ja Länder, in denen die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, zum Beispiel in Saudi Arabien oder auch auf Kuba. Raten Sie, dort auf keinen Fall Urlaub zu machen?

Monshausen: Urlauber sollten sich gut über ihr Reiseland informieren, um eine verantwortungsvolle Entscheidung zu treffen, also um zu wissen, auf was sie sich einlassen. Zum Beispiel könnten sie auch Nichtregierungsorganisationen fragen, ob Reisen einen positiven Effekt auf diese Länder haben, weil so nur der Kontakt zur lokalen Bevölkerung möglich wird, oder ob Reisende die Situation im Land eher schlimmer machen, weil der Tourismus in der Hand von autokratischen Präsidentenfamilien betrieben und deshalb die politische Situation eher zementiert wird. Aber da sind auch die Reiseveranstalter gefragt, deutlich zu machen, dass bestimmte gesellschaftliche Strukturen nicht im Interesse der Tourismuswirtschaft sein können. Tatsache aber ist leider auch, dass der Tourismus gerade in autokratisch geführten Staaten floriert, weil sie Sicherheit garantieren, und Sicherheit ist ein ganz, ganz großes Gut im Tourismus. Das ist eine ganz gefährliche Kombination.

domradio.de: Laut Umfrage wollen ja viele Touristen faire und nachhaltige Reisen buchen, Tatsache aber ist, sie buchen letztendlich doch die günstigen Reisen ohne ethische Standards. Können Sie da nur noch mit den Schultern zucken oder haben Sie auch eine Lösung dieses Problems im Blick?

Monshausen: Wir wollen Menschen dazu ermutigen, eine andere Form des Reisens in Anspruch zu nehmen, die auch wertvollere Reisen sind. Reisen, bei denen sie länger vor Ort sind, langsamer reisen und mehr Kontakt zur Bevölkerung haben. Die Deutschen werden ja immer reiseerfahrener, sie wollen hinter die Kulissen gucken, sie wollen nicht in großen Gruppen durch Altstädte geführt werden, sondern auch selber was entdecken. Und das ist definitiv etwas sehr Positives, was wir wahrnehmen. Und das wird auch von einigen Reiseveranstaltern sehr stark forciert.

domradio.de:  Eigentlich dürften Christen, die es mit der Nächstenliebe und der Bewahrung der Schöpfung ernst nehmen, keine billigen Pauschalreisen unternehmen. Aber das ist ja auch eine Geldfrage. Was empfehlen Sie ihnen?

Monshausen: Sie sollten lieber nur alle paar Jahre einen größeren Urlaub planen, der dann aber gut recherchiert, menschenrechtlich unbedenklich und nachhaltig ist.

Das Interview führte Birgitt Schippers.


Quelle:
DR