Die kulturpolitische Erklärung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken

"Die Freiheit der Kunst müssen wir aushalten"

Das ZdK setzt in seinem Kulturpapier "Die Kraft der Vielstimmigkeit - Kirche im Dialog mit Künsten und Kulturen" auf einen offenen Dialog zwischen den Kulturen und spricht sich gegen eine Ökonomisierung der Kunst aus.

Monika Grütters und Peter Frey  / © bschi
Monika Grütters und Peter Frey / © bschi

Sie haben lange diskutiert, mit sich gerungen und dann eine fast revolutionär anmutende Entscheidung getroffen. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken hat in ihrem neuen kulturpolitischen Papier "Die Kraft der Vielstimmigkeit" der Freiheit der Kunst oberste Priorität eingeräumt. Kulturstaatsministerin Prof. Monika Grütters, kulturpolitische Sprecherin des ZdK, erklärt, warum: "Aufgerüttelt durch Phänomene wie die Anschläge auf die französische Karikaturenzeitung Charlie Hebdo haben wir uns gefragt, wie weit darf die Freiheit der Kunst gehen, wo beginnt die Verletzung religiöser Gefühle, und wir sind der Meinung, dass die Freiheiten, die bei uns im Grundgesetz einen sehr noblen Verfassungsrang  haben, so wichtig sind, dass wir sie verteidigen müssen, selbst dann, wenn gelegentlich Grenzen überschritten und Gefühle verletzt werden. Wir müssen das aushalten!". Künstler seien ein für die Gesellschaft und die Kirche wichtiges "kritisches Korrektiv", deren Kunst auch eine Zumutung sein kann, die in aller Freiheit erduldet werden sollte. Im ZdK-Papier steht aber auch, dass von den Künsten erwartet werden muss, "den Respekt vor der Würde des Anderen, vor Kulturen und Religionen zu wahren". Ausdrücklich wird gefordert,  dass mit Blick auf die aktuelle Zerstörung jahrhundertealter Kulturgüter im Nahen und Mittleren Osten der Handel mit geraubten Kulturschätzen verboten werden muss.

Kraft der Vielstimmigkeit

Sich öffnen für den Dialog und die Kraft der Vielstimmigkeit ist ein zentrales Ziel in der kulturpolitischen Arbeit der ZdK. Das Komitee sieht "im freien und offenen Dialog mit anderen Kulturen eine grundlegende Konsequenz aus der durch Vielstimmigkeit geprägten eigenen (biblischen) Überlieferung". In der Bibel mit ihren unterschiedlichen Erzähltraditionen finde sich diese Vielstimmigkeit, die auch provoziert. Diese Vielstimmigkeit und der spannungsvolle, wie fruchtbare Dialog zwischen den christlichen Konfessionen und anderen Religionen habe die europäische Kultur mitgestaltet - bis heute.  Getragen von dem identitätsstiftenden Selbstbewusstsein als Christen will das ZdK Familien, Pfarreien, Verbände und Organisationen ermutigen, sich ohne Ressentiments für einen Dialog mit Fremden und Einwandernden zu öffnen, den das ZdK als eine Bereicherung für alle Seiten versteht.

Gegen Ökonomisierung der Kunst

Das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken warnt auch vor einer Ökonomisierung der Kunst und will sich dafür einsetzen, dass Künstler, die häufig mit geringen Honoraren abgespeist werden,  sozial wie finanziell abgesichert sind. Die Freiheit der Kunst soll durch staatliche wie kirchliche Förderung in Deutschland erhalten bleiben. "Die Kirchen sollten als faire Auftraggeberinnen hier Vorbildfunktion übernehmen", so das ZdK-Papier. Das ZdK beklagt, dass "wirtschaftliche Zwänge die existentielle Bedeutung von Kunst und Kultur verdecken" und Kulturpolitik als freiwillige Leistung bei Ländern und Kommunen zunehmend eine Nebenrolle spiele. Durch einen Ausbau des kooperativen Kulturföderalismus solle die kulturelle Vielfalt aufrechterhalten werden. Damit alle Zugang zu Kulturangeboten haben, fordert das ZdK eine bezahlbare, niedrigschwellige kulturelle Infrastruktur, besonders für bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche.

Die Rolle des Internets

Das ZdK sieht in der wachsenden Bedeutung des Internets im Bereich Kultur und Medien Chancen und Risiken. Einerseits habe die Digitalisierung neue künstlerische Impulse gefördert und Teilhabechancen eröffnet. Andererseits müsse es auch verbindliche Regeln geben. Dr. Peter Frey, ZDF-Chefredakteur und Mitglied des ZdK: "Wir haben uns klar positioniert. Da, wo es um Menschenverachtung, Antisemitismus und Staatsverachtung geht, müssen Grenzen gezogen werden. Diese Grenzen im juristischen wie politischen Raum zu definieren, zum Beispiel durch Selbstverpflichtungen der Unternehmen, die die Plattformen und Server zur Verfügung stellen, ist das Ziel, das wir uns alle setzen müssen.“

Zumutung oder Ermutigung?

Mit ihrer neuen kulturpolitischen Erklärung, das sich die unbedingte Freiheit der Kunst und den offenen Dialog mit allen zum Ziel setzt, hat sich das ZdK viel vorgenommen. Für manche Katholiken oder Gemeinden ist dies vielleicht eine Zumutung. Monika Grütters spricht lieber von einer Ermutigung, "sich in einer modernen dynamischen, weltoffenen, zunehmend gemischten Gesellschaft wie der deutschen im Jahr 2015 auch zu verorten und selbstbewusst den eigenen Standpunkt zu verteidigen, indem man ihn öffnet, nach vorne guckt und so etwas wie Avantgarde fordert und möglich macht. Wir trauen uns das eben zu."

Das ZdK hat das 50jährige Jubiläum des Konzilsbeschlusses "Gaudium et spes – Über die Kirche in der Welt von heute" zum Anlass genommen, im Rahmen der diesjährigen Vollversammlung ihr kulturpolitisches Papier "Die Kraft der Vielstimmigkeit – Kirche im Dialog mit Künsten und Künstlern" zu erstellen.