Katholischer Judaist leitet seit einem Jahr das Jüdische Museum

Gut, aber nicht gut genug

Das Jüdische Museum soll sich nach Willen seines Direktors neu erfinden. Geplant sind eine neue Dauerausstellung und der Austausch junger Juden und Muslime. Seit einem Jahr leitet der Katholik Peter Schäfer das Berliner Museum.

Peter Schäfer (KNA)
Peter Schäfer / ( KNA )

KNA: Herr Schäfer, haben Sie das Gefühl, dass sie angekommen sind?

Schäfer: Ich habe viel lernen müssen, aber ich fühle mich jetzt doch richtig zu Hause. Dabei waren die beiden Ausstellungen "Haut ab!" und "Gehorsam" bisherige Höhepunkte. Beide haben sich stark mit dem Verhältnis von Judentum, Christentum und Islam beschäftigt, was mich auch wissenschaftlich sehr interessiert.

KNA: "Haut ab!" war eine Ausstellung zur Beschneidung in den abrahamitischen Religionen. Durchaus ein provokanter Auftakt.

Schäfer: Sie ist lange vor meiner Zeit kuratiert worden. Ich fand die Schau großartig, provokativ und anregend. Das ist genau das, was wir machen wollen. Das Jüdische Museum hat sich längst als ein Ort etabliert, der kühne Ideen hat und sie verwirklicht.

KNA: Nun soll auch die Dauerausstellung neu konzipiert werden. Wie weit sind Sie?

Schäfer: Der Beschluss für eine Neukonzeption war vor meinem Amtsantritt gefallen. Nun bin ich so kühn zu sagen, dass wir dabei sind, das Jüdische Museum in Berlin noch einmal neu zu erfinden. Alle Dauerausstellungen, so gut sie auch sind, machen einen Alterungsprozess durch und haben eine Zeit, in der sie sich langsam überholen.

KNA: Wie lange wird das dauern?

Schäfer: Mindestens vier Jahre. Wir wollen nicht nur alte Elemente austauschen, wir wollen die Ausstellung vollständig neu konzipieren, Themen wie etwa Antisemitismus aktuell beleuchten. Während des Umbaus eröffnen wir zeitgleich eine große Schau über Jerusalem. Wir werden auch die Akademie ausbauen und planen ein neues Kindermuseum in der noch ungenutzten Hälfte der Blumengroßmarkthalle neben der Akademie.

KNA: Was streben Sie für die Akademie an?

Schäfer: Wir wollen verstärkt Schüler, Studierende und Personen mit Migrationshintergrund ansprechen. Wir möchten junge jüdische und muslimische Menschen zusammenbringen, damit sie sich über gemeinsame Probleme und Themen austauschen. In der Akademie können sie ihre Erfahrungen als religiöse Minderheiten in Deutschland einbringen.

Dabei geht es um konkrete, beide Religionen betreffende Fragen wie die Beschneidung oder Essensgebräuche, aber auch um Konfliktpunkte wie etwa den Nahostkonflikt und seine Folgen für Europa oder die Frage, ob es einen muslimisch geprägten Antisemitismus gibt.

KNA: Wie fühlt sich der Princeton-Professor als Museumsdirektor?

Schäfer: Auch als Hochschullehrer müssen sie Dinge umsetzen und Inhalte vermitteln können, sonst sind sie schnell out. Hier im Museum tun wir das ebenfalls, wir müssen Inhalte vermitteln können. Ich finde außerdem nichts tödlicher, als sich sein ganzes Leben mit einem einzigen Thema zu beschäftigten und dann dort der weltweite Spezialist zu werden.

KNA: Ihr Vorgänger war Jude. Sie sind Katholik, haben ein Studium der katholischen Theologie begonnen und sind Judaist. Wie beeinflusst das Ihre Tätigkeit?

Schäfer: Das Verhältnis Judentum-Christentum ist ein ganz elementares Thema für mich, das mich heute mehr beschäftigt als früher. Das Theologiestudium hatte ich abgebrochen, um zur Judaistik zu wechseln.

Mittlerweile sind die Entstehung des Christentums und die Wechselwirkung der beiden Religionen eines meiner Hauptforschungsthemen. Ohne Christentum wäre auch das Judentum ein anderes.

KNA: Bleibt Ihnen überhaupt Zeit für die Forschung?

Schäfer: Im vergangenen Jahr kaum. Jetzt nehme ich mir mehr Zeit dafür. Die Themen sind zudem hochaktuell. Da möchte ich jetzt nicht aussteigen. Ich habe noch ein Forschungsprojekt in Princeton und bin zum Honorarprofessor an der Humboldt Universität ernannt worden; witzigerweise an der Evangelisch-Theologischen Fakultät. Das bietet Chancen für einen Austausch: Der Kirchenhistoriker etwa bearbeitet genau die Zeit, die Orte und die Personen, die ich als Judaist auch behandele. Hier sollte man mehr ins Gespräch kommen.

KNA: Jüdische Einrichtungen sind in den vergangenen zwölf Monaten Opfer von Anschlägen geworden. Hat das die Arbeit im Museum verändert?

Schäfer: Natürlich sind die Mitarbeiter nach solchen Anschlägen besorgt, aber das Jüdische Museum hat einen hohen Sicherheitsstandard, und das ist leider auch notwendig.

KNA: Und thematisch?

Schäfer: Die Frage ist, wie wir heute Antisemitismus sehen. Das wird in der neuen Dauerausstellung eine Rolle spielen und tut es schon in der Akademie, gerade auch die Frage eines muslimisch eingefärbten Antisemitismus. Dabei wollen wir uns verstärkt mit anderen Organisationen, etwa mit muslimischen Einrichtungen, austauschen.

KNA: Welche Rolle spielt dabei Israel und die Kritik an der Regierung?

Schäfer: Für mich ist Israel ein wichtiger Teil meines Lebens und meiner Ausbildung. Die Frage ist, wo die Grenzen zwischen legitimer Israel-Kritik und antisemitischen Stereotypen liegen. Gerade durch die neuen Möglichkeiten einer medialen Welle an Kritik müssen wir uns mit dem Thema verstärkt auseinandersetzen.

Das Interview führte Anna Mertens.


Quelle:
KNA