Archäologe und Theologe Kopp zu Zerstörungen in Palmyra

Keine kulturelle Identität mehr

Mit den Zerstörungen der Altertümer in Palmyra wird der syrischen Stadt die kulturelle Identität genommen. Die Menschen in Syrien werden das wohl erst in ein paar Jahren realisieren, sagt Archäologe Matthias Kopp im Gespräch mit domradio.de.

Historische Stätte in Palmyra am 12.11.10 (dpa)
Historische Stätte in Palmyra am 12.11.10 / ( dpa )

domradio.de: Der Baalschamin-Tempel gilt als eines der bedeutendsten antiken Bauwerke der Region. Auch Sie haben schon in Syrien geforscht. Was bedeutet der Verlust für Syrien aus kultureller Sicht?

Matthias Kopp (Theologe und Archäologe): Da wird einem Land letztendlich die kulturelle Identität genommen. Das verfolgen wir jetzt seit vielen Monaten in Palmyra und an anderen wichtigen Ruinenstätten. Der Baalschamin-Tempel ist einer der kleineren Tempel von Palmyra, aber einer der besonders schönen, gewesen: Mit fantastischen Säulen, mit Balken, mit Farbresten, die 1200 Jahre alt sind. Das ist ein schwerer kultureller Verlust, weil der Baalskult sich in besonderer Weise in Palmyra ausgebildet hat und für die Umwelt des Alten und Neuen Testaments sehr wichtig war.   

domradio.de: Kurz vor der Zerstörung des Baalschamin-Tempels war ja auch schon der Archäologe der Stadt ermordet worden. Warum löscht die Terrormiliz alles vermeintlich nicht Islamische aus?

Kopp: Khaled al-Asaad, der Archäologe, war über all die Jahre, die wir zusammen in Palmyra gearbeitet haben, ein guter Freund von mir. Er war der Archäologe, der am besten Palmyra und sein gigantisches Ruinengelände kannte. Wir erleben hier etwas wie damals bei den Taliban in Afghanistan, als die berühmten Buddha-Statuen einfach weggesprengt wurden. Der Wahnsinn des Islamischen Staates kennt keinen Respekt vor einer kulturellen Identität. Man will nur das eine Ziel verwirklichen: Einen islamischen Gottesstaat zu kreieren. Alles andere, was kulturell ein Erbe ist und worauf sich manche Religion erst aufgebaut und entwickelt hat, wird ausgelöscht. Letztendlich ist die Tragik, dass wir in den nächsten Monaten mit weiteren Vernichtungsaktionen des IS rechnen müssen. 

domradio.de: Wir sehr trifft die Menschen gerade psychologisch der Verlust dieser Altertümer?

Kopp: Ich glaube, das werden die Menschen in Syrien erst in einigen Jahren nachvollziehen können. Jetzt sind sie mit diesem Krieg befasst. 70 Prozent der Bevölkerung sind Binnenflüchtlinge. Deshalb wird die Frage des Schocks über den kulturellen Verlust erst in den nächsten Jahren im Bewusstsein der Syrer präsent sein. Für uns ist es jetzt schon eine Katastrophe, weil hier etwas zerstört wurde, was unwiederbringlich für die Menschheit ist.

 

Das Gespräch führte Mathias Peter.


Quelle:
DR