Ehemaliges Kloster Corvey ist offiziell Unesco-Welterbe

"Wunder des Erdkreises"

Das frühere Benediktinerkloster Corvey bei Höxter ist nun offiziell Weltkulturerbe. Bei einem Festakt übergaben Außenminister Steinmeier und Staatsministerin Böhmer die Urkunden an die Eigentümer.

Westwerk (dpa)
Westwerk / ( dpa )

Außenminister Steinmeier bedankte sich bei allen, die sich für den Welterbe-Titel eingesetzt hatten. "Wir brauchen solche Zeugnisse der Geschichte - wie Corvey -, um uns in der Welt heute zu verorten und zurecht zu finden", sagte Steinmeier in Höxter. Er erinnerte an das Weltkulturerbe Palmyra in Syrien: "Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die Überreste von barbarischen islamistischen Horden zerstört sind".

Ein bisschen ist es an diesem Dienstag so wie früher: Corvey lädt ein und die hohen Gäste kommen. Wobei es sich heutzutage eher nicht um Könige und Kaiser mit Gefolge handelt, als vielmehr um die Prominenz aus Politik und Gesellschaft samt dem obligatorischen Tross aus Medien- und Security-Leuten.

Seit dem vergangenen Jahr gehört die bei Höxter gelegene ehemalige Benediktiner-Abtei mit der Kirche, deren imposantes Westwerk 885 vollendet wurde, zum Unesco-Welterbe. Jetzt wurden die dazugehörigen Urkunden übergeben - im Beisein von Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (Beide SPD) und dem Paderborner Weihbischof Hubert Berenbrinker.

Katholische Gemeinde ist Miteigentümer

Für die beiden Eigentümer der imposanten Anlage, die Kirchengemeinde Sankt Stephanus und Vitus, vertreten durch Pfarrdechant Ludger Eilebrecht, sowie die Fürstenfamilie von Corvey, zahlt sich der prestigeträchtige Titel jetzt schon aus. Vier Millionen Euro sollen ab 2016 in die Anlage fließen. Finanziert werden sollen damit nach den Worten von Eilebrecht Verbesserungen bei der touristischen Infrastruktur sowie dringend notwendige Erhaltungsmaßnahmen.

Der finanzielle Segen ist das eine, für die Fürsprache "von oben" vertrauen sie in Ostwestfalen seit jeher auf "ihren heiligen" Vitus, dessen Gebeine 836 nach Corvey kamen. Der zu Beginn des vierten Jahrhunderts gestorbene Märtyrer aus Italien, dem angeblich weder siedendes Öl noch hungrige Löwen etwas anhaben konnten, ist Sinnbild für die wechselvolle Geschichte Corveys: Mehrere Male stand die Abtei buchstäblich vor dem Aus. Um dann in letzter Minute wieder aufzuerstehen.

Der Anstoß zur Gründung erfolgte durch keinen Geringeren als Karl den Großen. Benannt nach dem nordfranzösischen Mutterkloster Corbie sollte das von Karls Nachfolger Ludwig dem Frommen 822 zu Ende geführte Werk im Verein mit anderen geistlichen Stiftungen und neu errichteten Bistümern die kurz zuvor eroberten sächsischen Territorien in das Reich der Franken eingliedern.

Dreißigjähriger Krieg hinterlässt Abtei in Trümmern

Im lichten Tal der Weser gelegen, zog "das Wunder Sachsens und des Erdkreises" die Menschen bald in seinen Bann. Das Wissen der Zeit trugen die Mönche in einer riesigen Bibliothek zusammen. Im Spätmittelalter begann der Stern Corveys zu sinken; der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) hinterließ die Abtei schließlich in Trümmern. Doch schon gut 50 Jahre später stand die neue Abtsresidenz.

Neben dem mit karolingischen Originalmalereien verzierten Westwerk ist der barocke Prachtbau bis heute der Fixpunkt auf dem 80.000 Quadratmeter großen Areal.

1803 schien erneut das letzte Stündlein für Corvey zu schlagen: Als Folge der Säkularisierung erlosch das geistliche Leben in der Abtei. Grund und Boden kamen in Adelshände. Seit 1840 führen die Besitzer die Titel eines Herzogs von Ratibor und Fürsten von Corvey. Sie haben die "Freude und Herausforderung", den geschichtsträchtigen Ort für die Nachwelt zu erhalten, wie es der fünfte Fürst von Corvey und Herzog von Ratibor, Viktor, formuliert.

Dazu zählt auch der Erhalt der Bibliothek. Aus alten Zeiten blieben zwar nur 16 Bücher. Aber Landgraf Viktor Amadeus von Hessen-Rotenburg, ein Vorfahr des jetzigen Schlossherrn, sorgte für Ersatz. 36.000 Bände umfasste seine Sammlung, die dessen Neffe Viktor mit Hilfe eines berühmten Experten noch einmal verdoppeln ließ.

Von Fallersleben arbeitet als Bibliothekar in Corvey

Von 1860 bis 1874 arbeitete August Heinrich Hoffmann von Fallersleben als Bibliothekar in Corvey. Der Dichter der deutschen Nationalhymne liegt im Schatten seiner Wirkungsstätte begraben.

Zu tun gibt es immer irgendwo irgendetwas, sagt Herzog Viktor V. Besonders oft geht der Blick nach oben. "Wenn ein Dachziegel fehlt, bin ich sofort am Telefon." Kein Wunder bei drei Hektar Dachfläche und dem Schaden, den eindringendes Wasser an den alten Mauern verursachen kann.

Für den Erhalt der Anlage baut der Herzog auf das Zusammenspiel mit der gemeinnützigen Gesellschaft "Kulturkreis Höxter-Corvey", und die bewährte Kooperation mit der Pfarrgemeinde: "Wir - die Familie und die Kirche - denken generationsübergreifend und wir arbeiten in enger Abstimmung seit 200 Jahren nachbarschaftlich zusammen."


Außenminister Steinmeier (dpa)
Außenminister Steinmeier / ( dpa )

Westwerk der Abteikirche (dpa)
Westwerk der Abteikirche / ( dpa )
Quelle:
KNA , dpa