Angst um Zivilisten und Ruinen im syrischen Palmyra

Krieg ums Kulturerbe

In der historischen Oasenstadt Palmyra droht die Zerstörung einer unersetzlichen Kulturstätte - und eine humanitäre Katastrophe. Zehntausende Flüchtlinge sind der Terrormiliz IS ausgeliefert. Ein Interview mit dem Palmyra-Experten Matthias Kopp.

Palmyra: Im nahen Tadmor / © Archiv St.Q. (DR)
Palmyra: Im nahen Tadmor / © Archiv St.Q. ( DR )

Matthias Kopp, der Sprecher der deutschen Bischöfe, war viele Male in Palmyra, auch als Archäologe. Kopp studierte nach dem Abitur Theologie und Christliche Archäologie in Bonn, Freiburg und Rom und erwarb die Abschlüsse des Diplomtheologen und das Lizentiat in christlicher Archäologie. Im Interview warnt er vor eine kulturellen Katastrophe, sollten die historischen Stätten den Islamisten zum Opfer fallen.

domradio.de: Welche Bedeutung hat Palmyra?

Kopp: Palmyra ist eine Stätte in der syrischen Wüste zwischen Damaskus und der irakischen Grenze. Eine alte griechisch-römische Stadt, die berühmte Königin Zenobia hat dort regiert, ein Teil der Weihrauchstraße lief dort entlang. Wenn man Palmyra gesehen hat, dann verblasst das Forum Romanum in Rom, weil so phantastische Säulenfunde und Tempel erhalten sind. Ein Kulturgut von unbeschreiblichem Wert, an dem ich selbst arbeiten konnte in den 90er Jahren. Damals ist dort eine Synagoge dort ausgegraben. Es ist also ein Ort, der für das Verständnis der Wiege der Zivilisation in Syrien von ganz großer Bedeutung ist.

Palmyra ist zudem das Aushängeschild von ganz Syrien. Das Land hat über Jahrzehnte mit Palmyra geworben, ich habe viele Reisegruppen dorthin begleitet, es geht immer um Palmyra. Hier liegt das gesamte kulturelle Herz Syriens in einer Stadt verdichtet, daneben die wunderbare Oasenstadt Tadmor in einer phantastischen Wüstenlandschaft. Wenn man dort ist, ist es eindrucksvoll zu sehen, was in der Zeitenwende geschaffen wurde, Zisternenanlagen, Mauer- und Toranlagen von schier unglaublichen Ausmaßen. Wenn das jetzt wirklich von den Dschihadisten zerstört werden sollte, stehen wir vor einer kulturellen Katastrophe. Der kulturelle Nihilismus, den der IS vertritt, würde ein weiteres Mal mit Händen greifbar. Es wäre für die ganze Region und das Weltkulturerbe die Katastrophe schlechthin.

domradio.de: Warum beträfe das auch uns hier im Westen?

Kopp: Weil wir alle ein historisches Denken haben und sich die Weltgemeinschaft über Kulturen definiert. Gerade die nahöstliche Region ist für uns hier im Westen für die kulturelle Identität wichtig. Wir haben dort biblisches Land. Wenn das, was die Menschheitsgeschichte dort baulich und kulturell geleistet hat, mit einem Mal ausradiert würde, würde auch ein Stück unseres kulturellen Herzens ausradiert. Deshalb schaue ich mit großer Sorge auf das Geschehen dort.


Quelle:
DR