Hamburger Kunsthalle zeigt "Engel"-Ausstellung von Paul Klee

Kein Himmelsbote, kein Heiligenschein

Die Hamburger Kunsthalle zeigt in ihrer neuen Ausstellung "Paul Klee. Engel" rund 80 Zeichnungen, Aquarelle, Gouachen und Gemälde des Deutsch-Schweizers Klee zu diesem Motiv. Ein Besuch.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
Paul Klee: Hoher Wächter / © Zentrum Paul Klee, Bern
Paul Klee: Hoher Wächter / © Zentrum Paul Klee, Bern

Größer könnte der Kontrast kaum sein: Bei dem mittelalterlichen Meister Martin Schongauer bringt der Engel Maria eine Botschaft Gottes - bei Paul Klee bringt er das Frühstück (auf dem nach 1915 entstandenen Bild "Ein Genius serviert ein kleines Frühstück"). Keine Blasphemie, sondern Ausdruck von Klees Sicht auf die himmlischen Wesen, denen er sein Leben lang künstlerisch zugetan war.

Ergänzt ist die Präsentation, die im wesentlichen auf Leihgaben des Zentrums Paul Klee in Bern beruht, durch rund 40 Engel-Darstellungen aus Kunsthallen-Beständen vom Mittelalter bis heute, darunter Gemälde von Peter Paul Rubens, Philipp Otto Runge, Marc Chagall und der 1947 geborenen Künstlerin Louise Lawlar. Und Schongauers berühmten Kupferstich "Die Verkündigung an Maria" von 1484.

Eine Metapher der Übergänge im Leben

"Paul Klees Engel sind weniger Boten zwischen Himmel und Erde als zwischen Werden und Vergehen, eine Metapher der Übergänge im Leben", sagte Kunsthallen-Direktor Hubertus Gaßner am Donnerstag. So sind die vielen Bleistiftzeichnungen, die dem Betrachter mit wenigen Strichen eine ganze Charakterwelt eröffnen, häufig mit Zusätzen wie "noch hässlich", "noch weiblich", "noch tastend" versehen. Die Engel sind vergesslich, hässlich, altklug, ängstlich oder ausgelassen, treten aber niemals als triumphierende himmlische Heerscharen auf.

"Klee war zwar evangelisch getauft, aber kein Kirchgänger. Dass er dennoch ein sehr spiritueller Mensch war, kommt in seinen vielen Engelbildern zum Ausdruck", sagte Kuratorin Karin Schick. Auch eine dunkle, dämonische Seite haben Klees Engel. So stellt der literarisch beschlagene Künstler in seinem 1939 entstandenen "Sturz" den Erzengel Luzifer dar, der sich Gott gleich setzen wollte: Ein mehr unglücklich als böse wirkendes amorphes Wesen mit großen Augen. Klees dunkle Engel sind eher gequälte als quälende Wesen, die in sich gefangen scheinen.

"Die Besucher können auch selber Engel gestalten - das ist sehr heilsam", verwies Schick auf einen Sonderteil der Ausstellung. Darüber hinaus kann man auch in eigenen Hörstationen Musikstücke auf sich wirken lassen, die Zeitgenossen von Klee unter dem Eindruck seines "Angelus Novus" (1920) komponierten, der den deutsch-jüdischen Philosophen Walter Benjamin so nachhaltig beeindruckte.

Engel als Lieblingsmotiv

Auch wenn der Maler und Grafiker Klee, der der Künstlergruppe "Der Blaue Reiter" nahe stand, nicht als frommer Mensch gilt, so bietet doch sein Lieblingsmotiv viel Fläche für religiöse Reflexionen. So hat die Kunsthalle, wie Gaßner berichtete, die Ausstellung ausdrücklich im Hinblick auf den Evangelischen Kirchentag terminiert, der vom 1. bis 5. Mai in Hamburg stattfindet. Auch die Reihe "Kunst im interreligiösen Dialog" befasst sich am 2. Mai mit Klees Engeln in Judentum, Christentum und Islam.

Dabei dürfte auch das 1940 entstandene, von Klees Sohn Felix als "Letztes Stilleben" betitelte Werk zu Interpretationen anregen. Das Ölgemälde gibt Kunstkennern seit jeher Rätsel auf, sagte Kuratorin

Schick: Kopfstehende Einradfahrer, ein Stück Darm, verfremdete chinesische Schriftzeichen, ein Mond und ein Krug schweben vermeintlich zusammenhanglos vor dunklem Hintergrund. Unten links Klees Reverenz an sein Lieblingsmotiv: Eine Art Kopie seiner Zeichnung "Engel, noch hässlich". Warum aber aus dem Minus der Ursprungszeichnung hier ein Plus geworden ist, und ob es vielleicht vielmehr ein Kreuz ist, bleibt vielleicht für immer im Dunkeln.


Quelle:
KNA