Stefan Heym wurde vor 100 Jahren geboren

Der unerschütterliche Querkopf

Stefan Heym war einer, der sich einmischte. Immer politisch, streitbar, unbequem und sich selbst treu. Vor 12 Jahren ist er verstorben, nun wäre er 100 Jahre alt geowrden. Ein Porträt.

Autor/in:
Janine Wergin
 (DR)

In der DDR zählte Heym zu den populärsten und wichtigsten Schriftstellern - hoch dekoriert und gefürchtet vom SED-Regime zugleich. International genoss der Autor, der vor 100 Jahren, am 10. April 1913, in Chemnitz geboren wurde, ein Renommee als "bekannteste Unperson der DDR". Einige seiner Bücher konnten nur in der Bundesrepublik erscheinen ("Collin", "Schwarzenberg", "Fünf Tage im Juni"), andere wurden in der DDR in hohen Auflagen gedruckt ("Lasalle", "Der König David Bericht").

Sein größten Erfolg hatte Heym als englischsprachiger Autor mit dem Roman "Crusaders" ("Kreuzfahrer von heute") von 1948, der vielen als das wichtigste Buch über den Zweiten Weltkrieg gilt. Darin verarbeitet er seine Erlebnisse als Soldat ab 1943. Heym hatte auf amerikanischer Seite gegen die Nazis gekämpft. Das Buch wurde zum Weltbestseller.

Heym schrieb für die "Weltbühne"

Schon früh bezog Heym, der als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie unter dem Namen Helmut Flieg geboren wurde, politisch Stellung. Das Gymnasium musste er verlassen, weil er ein antimilitaristisches Gedicht verfasst hatte. Er arbeitete als Journalist für Zeitungen wie die linksintellektuelle "Weltbühne", floh mit 20 nach Prag, und nahm den Namen Stefan Heym an, um seine Familie in Nazi-Deutschland nicht zu gefährden.

Über Paris führte sein Weg 1935 weiter in die USA, wo Heym als Schriftsteller und Journalist auf Englisch publizierte. Als amerikanischer Staatsbürger zog er mit der US-Armee in den Krieg und nahm 1944 etwa als Sergeant für psychologische Kriegsführung an der Invasion in der Normandie teil.

Aus Protest gegen die antikommunistischen Tendenzen unter Senator Joseph McCarthy und gegen den Korea-Krieg siedelte Heym 1952 in die DDR nach Ost-Berlin über. Bei der SED-Obrigkeit war er lange ein anerkannter Autor, obwohl er keiner Partei und Kirche angehörte und nicht Mitglied der Akademie der Künste war, sondern "überall Besucher, das ersparte ihm Verzweiflung", wie Schriftstellerkollege Erich Loest 1988 in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" anmerkte.
Vom DDR-Schriftstellerverband ausgeschlossen

Nach seiner Unterzeichnung der Solidaritätserklärung für den ausgewiesenen Liedermacher Wolf Biermann 1976 änderte sich die Haltung der Oberen gegenüber Heym. Auf die ungenehmigte Veröffentlichung des Romans "Collin" (1979) in der BRD - eine Abrechnung mit der stalinistischen Vergangenheit der DDR - folgte ein Veröffentlichungsverbot. Heym wurde aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Er verschaffte sich nun vor allem im Westen Gehör.

Im Wende-Herbst forderte Heym einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz. Auf der legendären Kundgebung am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz war er ein gefeierter Redner.

Sein Ausflug in die Politik währte nur ein Jahr: 1994 zog Heym über die Liste der PDS in den Bundestag ein. Er gewann ein Direktmandat gegen den SPD-Politiker Wolfgang Thierse. Bei seiner Antrittsrede als Alterspräsident des Deutsches Bundestags verweigerten ihm die Unionsparteien wegen eines kurz zuvor aufgekommenen Verdachts der Stasi-Mitarbeit den Applaus. Ein Jahr später legte Heym sein Mandat nieder - offiziell aus Protest gegen eine Diätenerhöhung der Abgeordneten.

Heym war für Günter Kunert "ein liebenswertes Fossil"

Stefan Heyms Schreiben zielte immer auf Wirkung ab, sein Stil war konservativ. Autoren-Kollege Günter Kunert notierte in einem Nachruf auf den 2001 bei einem Aufenthalt in Israel verstorbenen Heym, dieser habe "inbrünstig an das Wort und dessen unbezweifelbare Bedeutung" geglaubt. "Insofern war er ein liebenswertes Fossil, ein verspäteter Aufklärer, der die Sprache als Magd in den Dienst nahm."

Kämpferisch blieb Heym bis zum Schluss. In seinem vorletzten Lebensjahr sagte der 87-Jährige dem Internetportal "Spiegel Online", er wehre sich gegen viele Dinge, "die heute existieren - spreche dagegen, schreibe dagegen und glaube, es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." Heym habe - wie "Spiegel Online" schreibt - für das Portal einen Text über die Terroranschläge am 11. September und seine Sicht auf den Afghanistan-Krieg schreiben oder in einem Interview darüber reflektieren wollen. Doch dazu kam es nicht mehr. Der streitbare Autor konnte sich nicht mehr einmischen: Er starb am 16. Dezember 2001 bei einer Konferenz in Jerusalem und wurde später auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee beigesetzt.

 

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