Dennis Risse über seine Begegnung mit Bergoglio

"Ich habe ihn als einen sehr demütigen, bescheidenen Mann kennengelernt"

Dennis Risse hat Kardinal Bergoglio vor seiner Abreise zum Konklave in Argentinien getroffen hat. Er ist Kandidat der Gemeinschaft der Schönstatt-Patres.

Kardinal Bergoglio mit Dennis Risse in der Sakristei der Kathedrale von Buenos Aires / © Risse
Kardinal Bergoglio mit Dennis Risse in der Sakristei der Kathedrale von Buenos Aires / © Risse

domradio.de: Sie sind zur Zeit in Argentinien und haben Kardinal Bergoglio schon selbst einmal kennenlernen dürfen. Wie würden Sie den neuen Papst Franziskus beschreiben?
Dennis Risse: Ich habe das Gefühl, der gestrige Auftritt von ihm hat schon eine Menge von seinem Wesen gezeigt. Ich habe ihn als einen äußerst demütigen und bescheidenen Mann kennengelernt, der unkompliziert im Umgang und menschlich zu Großem im Stande ist.

domradio.de: Wann und warum haben Sie ihn vor dem Abflug noch getroffen?
Risse: Das war am Samstag, den 23. Februar. Wir hatten morgens eine Audienz bei ihm. Die argentinische Provinz der Schönstatt-Patres hatte ihre Jahrestagung und in diesem Zusammenhang hatten wir um eine Audienz bei Kardinal Bergoglio gebeten, und die fand an diesem Samstag statt. Dort sind wir dann hingefahren, und im ganzen bischöflichen Ordinariat war nur ein Angestellter, ein Sicherheitsbeamter von der Polizei. Das heißt, Kardinal Bergoglio hat uns selbst das Tor geöffnet und uns begrüßt und eigentlich alles selbst gemacht und uns später dann auch wieder auf die Straße hinaus geleitet und die Leute begrüßt, die auf der Straße vorbeigelaufen sind.

domradio.de: Also ein sehr volksnaher Bischof. Wie haben Sie ihn bei diesem Treffen erlebt?
Risse: Volksnah trifft es sehr gut! Ich habe ihn als einen sehr demütigen, bescheidenen Mann kennengelernt. Wir haben den ganzen Morgen mit ihm geredet; ich konnte leider nur sehr wenig verstehen, weil er eine sehr leise Stimme hat. Aber im Anschluss mit den Patres habe ich dann schon erfahren, dass das ein sehr, sehr gutes Gespräch war und er tolle Sachen gesagt hat.

domradio.de: Können Sie uns einen kleinen Einblick geben, was Kardinal Bergoglio damals angesprochen hat?
Risse: Wir haben über verschiedene Themen gesprochen, und die Patres meinten, er hätte die Probleme sehr klar und direkt angesprochen. Eine der letzten Fragen an ihn war, was er denn von dem neuen Papst erwarte. Da hat er gesagt, das solle ein Mann des Gebetes sein, der muss schon viel beten. Aber er muss auch ein Mann des Glaubens sein, er muss an Jesus Christus glauben, dass Jesus Christus der Herr der Geschichte ist.

domradio.de: Bei diesem Treffen haben Sie mit Kardinal Bergoglio auch eine Messe in der Kathedrale von Buenos Aires gefeiert. Wie war dort Ihr Eindruck? Ist Kardinal Bergoglio dieser Mann des Gebetes, den er auf dem Stuhl Petri sehen wollte?
Risse: Ja, das würde ich sagen. Das kommt auch deutlich herüber, in dem was er gestern gesagt hat. Betet für mich. Das hat er auch vorher immer gesagt. Diese Ausstrahlung war schon damals spürbar, die Patres haben ihn nach und auch schon während des Treffens mit un Hombre di Dios, ein Mann Gottes oder un Santo, ein Heiliger charakterisiert. Vor der Messe, als wir in der Sakristei waren und ich fragte, ob ich ein besonderes Gewand anziehen solle, meinten die Patres zu mir, der Kardinal sei da völlig unkompliziert; er muss wohl selbst einmal gesagt haben, er sei ein Jesuit im Pontifikalamt, was so viel bedeutet, dass er sich um Formen und diese Dinge wenig schert. Das wurde ja auch gestern schon sehr deutlich, als er in einer einfachen Soutane auftrat. 

domradio.de: Haben Sie damals, als Sie Kardinal Bergoglio erlebt haben, sich in Ihren kühnsten Vorstellungen vorstellen können, dass er der neue Papst werden könnte?
Risse: Ja, in einer gewissen Weise schon. Ich hatte allerdings auch kurz danach auf Facebook geschrieben, dass er 2005 ein heißer Kandidat gewesen war, aber jetzt höchstwahrscheinlich schon zu alt wäre. Da habe ich mich glücklicherweise geirrt.

domradio.de: Sie sagen ‚glücklicherweise‘ – wie haben Sie dann gestern diesen Abend erlebt? Freuen Sie sich sehr über den neuen Papst Franziskus?
Risse: Ich freue mich sehr! Auch über seinen Namen, der sehr programmatisch ist. Die Leute hier im Land freuen sich natürlich immens, das ist ‚ihr Papst‘, auch wenn sie das nicht unbedingt so auffassen, wie die Deutschen Benedikt aufgefasst haben. Als ich ihnen erklärt habe, wie die BILD-Zeitung damals "Wir sind Papst" getitelt hat, stieß das eher auf ein bisschen Unverständnis.

domradio.de: Wie reagieren die Argentinier stattdessen?

Risse: In der Presse, im Fernsehen war oft zu sehen: El Papa argentino oder El Papa del fin del mundo, der Papst vom Ende der Welt …

domradio.de: … wie er es selbst gesagt hat …

Risse: Genau! Das hörte man sehr oft.

domradio.de: Zum Schluss unseres Gesprächs noch die Frage: Was ging in Ihnen und den Menschen um Sie herum vor, als Sie gestern Abend das Habemus Papam und den Namen des neuen Papstes hörten?

Risse: Ich war zu dieser Zeit in der Fundación, in der Stiftung, in der ich arbeite, und wir saßen alle um einen Laptop herum und haben die ganze Zeit schon darauf gewartet, nachdem der weiße Rauch aufgestiegen war. Und nach Verkündung des Vornamens hat ein Vater verstanden, dass es nur Bergoglio sein konnte, und rief voller Freude: Bergoglio, es Bergoglio! Die Freude war natürlich immens groß. Einige Stunden später gab es auch diese Hupkonzerte in der Straße. Beim Gottesdienst war die Kirche noch überfüllter, als sie es sonntags normalerweise schon ist. Den Leuten bedeutet das sehr viel.