Generalvikar Dr. Stefan Heße zum neuen Papst

"So einen Papst brauchen wir"

Erst weißer Rauch über der Sixtinischen Kapelle, dann war es klar: Die katholische Kirche hat ein neues Oberhaupt. Kardinal Bergoglio ist zum neuen Papst gewählt worden, er nennt sich Franziskus Der Kölner Generalvikar Dr. Stefan Heße gratuliert.

Generalvikar Stefan Heße / © Michael Kasiske
Generalvikar Stefan Heße / © Michael Kasiske

domradio.de: Wie geht es Ihnen? Was ist Ihre Empfindung gerade an diesem Abend?

Dr. Stefan Heße: Ich bin überwältigt, weil etwas eingetreten ist, was ich nicht erwartet hatte. Dieser Kardinal Bergoglio war auf meiner Hitliste ehrlich gesagt nicht drauf und ich glaube ziemlich Wenige hatten ihn auf ihren Rankings ganz oben eingruppiert. Man hatte so ein paar Namen, die man kannte und die von den Medien hochgespielt worden sind in den letztewn Tagen, aber da war der Mann nicht dabei und ich musste dann erst mal genauer nachgucken: Wer ist es denn? Wo kommt er her? Und ich bin überwältigt davon, dass man jetzt einen Lateinamerikaner, einen Kardinal aus Argentinien, aus Buenos Aires zum Papst der Weltkirche gewählt hat.

domradio.de: Könnten Sie sich damit anfreunden, wenn ich den Abend ganz kurz zusammenfasse und sage, es ist ein historischer Abend?

Heße: Ja! Es ist der erste Papst aus Lateinamerika, es ist der erste Jesuit, der Papst geworden ist, der erste, der Franziskus heißt, also das ist schon historisch, dass wir einen solchen Papst jetzt haben. Dabei sein zu können, das zu erleben ist sehr faszinierend.

domradio.de: Was ging in Ihnen vor, als Sie die erste Ansprache, den ersten Segen des neuen Papstes verfolgt haben?

Heße: Im ersten Augenblick habe ich gedacht, es wirkt noch ein bisschen unbeholfen. Im zweiten Augenblick habe ich gedacht, das ist aber sympathisch, weil es irgendwie echt zu sein scheint, alles ganz anders ist, als das, was man so von Päpsten kennt. Eine ganz schlichte Gestalt und faszinierend fand ich, als er dann vor dem ersten „Urbi et Orbi“-Segen sich vor den Menschen auf dem Petersplatz verneigte, und selbst am Fernseher hatte ich den Eindruck, es wurde muxmäuschenstill, da waren ja hunderttausende von Menschen. Und vorher, als er auf die Loggia kam, jubelten sie. Da schien es aber wirklich muxmäuschenstill geworden zu sein. Und er bat die Menschen, für ihn zu beten, für das neue Pontifikat, bevor er dann als neuer Papst den Segen „Urbi et Orbi“ über die Stadt und den Weltkreis spenden würde. Und das fand ich eine Geste, die ich so noch nie irgendwo erlebt hatte. Der Kommentator sagte, man würde so etwas von ihm kennen. Ich weiß  es nicht, aber eine eindrückliche Geste, eine wirklich wunderbare Ausdrucksform, wie er auch offenbar das Papsttum verstehen möchte. Er hat gleich in den ersten Sätzen gesagt: Jetzt beginnen wir hier miteinander einen Weg. Und ich glaube, so einen Papst brauchen wir. Der mit den Menschen den Weg durch die Zeit der Ewigkeit entgegengeht.

domradio.de: Wenn Sie sich noch einmal zurückerinnern, an das was eben in Rom passiert ist: Der neue Papst Franziskus kam ganz schlicht, nur in der weißen Soutane ganz bescheiden auf diese Loggia. Und dann hat er die Menschen mit einem Schuss Humor und mit einem „Guten Abend“  begrüßt. So nach dem Motto: Ich bin jetzt da…

Heße: Ganz genau. Er stand da und ließ dem Volk erst mal die Möglichkeit zu jubilieren, das fand ich auch sehr gut. Und dann habe ich gedacht, was mögen jetzt die ersten Worte sein? Wie fängt man so etwas an? Denn so etwas kann man ja auch nicht so einfach planen. Ich denke nicht, dass man sich im Konklave hinsetzt und einen Stichwortzettel macht. Er hat ja auch nichts abgelesen, sondern er hat aus dem Moment heraus ganz schlicht und einfach, ganz natürlich erst mal die Leute begrüßt und das fand ich wirklich einen sehr herzlichen Gestus, so auf die Menschen zuzugehen. So ganz unverstellt, so ganz normal.

domradio.de: Es gibt viele Reaktionen heute Abend.Eine will ich mal zitieren. Der Bischof von Eichstätt hat gesagt: „Ein Papst, der nicht aus Europa stammt, wird eine heilsame Erfahrung gerade für uns Deutsche sein, die uns zeigen wird, dass wir nicht Drehscheibe der Welt sind und uns in der langen weltkirchlichen Kette einreihen müssen.“ Was sagen Sie dazu?

Heße: Ich würde das nicht nur auf Deutschland beziehen, sondern auf ganz Europa. Wir haben ja so ein bisschen den Eindruck, oder vermitteln ihn gerne, dass die Kirche eine europäische sei. Und das ist sie nicht. Die Hälfte aller Katholiken lebt in Lateinamerika. Also von daher ist es gar nicht verkehrt, dass jetzt ein Mann die Kirche leitet, der aus einem der meist katholisierten Gebiete der Weltkirche kommt. Das wird noch mal unseren Horizont erheblich weiten. Eben auf die Katholizität der Kirche. Wir sind eine weltumspannende Kirche und ich fand so schön, dass er in seinen ersten Worten sagte: Ich komme vom Rande der Welt oder vom Ende der Erde. Und das Ende der Erde gehört genau so in die Mitte hinein, wie jede andere Ortskirche auch. Also da gibt es nicht das Zentrum, was mehr bedeutet und ein kleines Glied, was weniger bedeuten würde ist fast so ein bisschen wie bei dem Bild vom Heiligen Paulus, das er braucht vom Leib und den Gliedern. Dieser Mann gehört dazu wie die Christen in Argentinien und in ganz Lateinamerika - alle gleichermaßen.

domradio.de: Vielen Dank für Ihre Einschätzung.

Das Interview führte Matthias Friebe.