Ingo Brüggenjürgen blickt hinter die Kulissen

Post aus Rom 1

Konklave in Rom? Natürlich haben wir wieder unseren Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen in die Heilige Stadt geschickt. Er kommentiert nun täglich die Ereignisse - mit Video!

Ingo Brüggenjürgen im Vatikan (DR)
Ingo Brüggenjürgen im Vatikan / ( DR )

 

Das Volk Gottes soll beten! So hat es sich am Sonntag der Münchner Kardinal Reinhard Marx gewünscht - die Kardinäle würden dann wählen und Gott selber entscheiden, wer denn der Neue auf dem Stuhl Petri wird. Und das Volk Gottes betet nach Kräften. An den Seitenaltären, vor der Statue des Petrus, an den Gräbern der Heiligen und Päpste. Besonders am Grab des Seligen Papstes Johannes-Paul II. haben sich viele Gläubige eingefunden, um auch für einen guten Nachfolger von Benedikt XVI. zu beten.

Aber es wird nebenbei ebenso gearbeitet an diesem Morgen vor dem ersten Tag der Konklave, hier in der größten Kirche der Christenheit. Hier wird eine Kniebank poliert, dort eine Absperrung korrigiert und ganz hinten eine Kamera installiert. Die Kollegen des Vatikanischen Fernsehens werden den Gottesdienst „Pro Elegeno Romano Ponitifex“, live in alle Welt übertragen, da darf nichts schiefgehen. Über dem Grab des Apostels Petrus wollen die Kardinäle und Gläubigen für einen würdigen 265. Nachfolger beten. domradio.de ist natürlich auch live dabei.

Die 115 wahlberechtigten Kardinäle sind am ersten Tag des Konklaves besonders gefordert. Zunächst ist am frühen Morgen um 7 Uhr Einzug oder Umzug ins Gästehaus Casa Martha geplant. (Bei Martha darf ruhig jeder an die vielen Sorgen denken, die sich nicht nur die biblische Martha völlig unnötig machte ...) Wenn man Eric Malpass glauben darf, ist morgens um sieben die Welt bekanntlich noch in Ordnung – aber in der Welt des Vatikans am ersten Tag des Konklaves wird diese Regel außer Kraft gesetzt. Hier muss alles Neue geordnet werden: Jeder Kardinal bekommt ein einfaches Zimmer zugelost, damit erst gar keine Streitigkeiten aufkommen. Kardinäle sind, Kardinalstugenden hin oder her, ja auch noch Menschen… Das erinnert noch ein wenig an die Zimmerverteilung beim Klassenausflug in der Jugendherberge. Viele der Zimmer sind sonst von anderen Bediensteten des Vatikanstaates bewohnt – in ihren Mietverträgen haben sie extra eine Klausel, wann sie den Kardinälen Platz machen müssen. Nach Frühstück und Zimmerbelegung ist dann um 10 Uhr der besagte Gottesdienst – danach Mittagessen und Mittagspause, bevor die Prozession feierlich in die Sixtinische Kapelle einzieht.

Gesungen wird dabei die Allerheiligen-Litanei. Alle Heiligen der Kirche werden um Beistand gebeten, von der Gottesmutter Maria über die Engel zurück zu den Propheten bis hin zur Heiligen Monika und Heiligen Elisabeth. Heilige Männer sind in diesem altvertrauten Liedtext ganz eindeutig in der Überzahl – das passt ja auch irgendwie zur 115-köpfigen Männerriege, die dann feierlich das VENI, CREATOR SPIRITUS anstimmt. (Ich summe gerade gedanklich alle Strophen des Kirchenliedes GL 245 mit - Komm, Schöpfer Geist, kehr bei uns ein, besuch das Herz der Kinder dein: Die deine Macht erschaffen hat, erfülle nun mit deiner Gnad und freue mich mitten in der Fastenzeit schon auf Pfingsten...;-) Genau darum wird es gehen, nicht einfach um den Heiligen Geist, sondern um den CREATOR – den Schöpfer, der durch die Hand der Kardinäle und ihr Votum alles neu machen wird. Hier wird also nicht mal eben ein neuer Präsident des Vatikans oder eine machtbewusster CEO des Konzerns Kirche gewählt, sondern ein „Heiliger Vater“, der seinen Mitmenschen das Herz für den himmlischen Vater aller Menschenkinder öffnet. Es geht auch nicht einfach um ein Gottesurteil, sonst könnte man einfach das Los entscheiden lassen, nein, dieser Wahlvorgang und der ganze Ablauf machen deutlich: Hier passiert etwas, das letztendlich auch die fast 6000 Medienvertreter aus aller Welt nicht mit ihren Kameras oder Mikrofonen einfangen oder festhalten können.

Kölner Kardinal am Wegesrand

Anschaulicher und handgreiflicher ist da schon der rote Vorhang, den die Vatikan-Techniker an diesem frühen Morgen schon auf dem berühmten Balkon befestigt haben. Sicher ist sicher – denn niemand weiß, wie lange das Konklave dauert. Da muss man vorbereitet sein, denn schließlich kommt der Kardinalsprotodiakon hinter diesem Vorhang hervor und verkündet sein „Habemus Papam“ – bevor ca. 10 Minuten später der neue Papst selber auf den Balkon tritt und sich dem Volk Gottes zeigt. Dieses Mal kann es auch ein wenig länger dauern als bei Kardinal Josef Ratzinger vor fast 8 Jahren. Denn nachdem der neue Papst die Wahl angenommen hat und sich in der Tränenkammer angekleidet hat wird, er noch einmal die Gelegenheit haben, vor dem Allerheiligsten selber zu beten, bevor er sich der Öffentlichkeit zeigt. Das ist neu in der langen Tradition, aber es macht bestimmt Sinn. Warum soll man ihm nicht noch einen Augenblick Ruhe gönnen – einen Augenblick des intimen Dialogs im Gebet mit Gott. Dem neuen Stellvertreter sei dies von Herzen gegönnt.

Bevor es aber so weit ist, muss erst mal der Schornstein qualmen. Das ist auch so eine beliebte Frage: Wann und wie oft es denn aus der Sixtina qualmt. Eigentlich möchte man meinen, es gibt wichtigere Fragen in diesen Tagen. Aber es ist doch auch beruhigend, wenn das berühmteste Ofenrohr der Welt schon jetzt immer wieder abgelichtet und gefilmt wird. Menschlich, begreiflich und so einfach. Schwarzer Rauch: Satz mit x. Weißer Rauch: Gleich kommt der Mann in Weiß auf den Balkon. Wer es sein wird? Wenn man den vielen Gerüchten Glauben schenken darf, die hier in Rom mangels fließender Informationen die Runde machen, ist es ein sehr offenes Rennen. Vielleicht hat sich auch der Heilige Geist selber noch nicht festgelegt? Der Kölner Kardinal sagt beim kurzen Gespräch am Wegesrand nur, es gäbe keinen Favoriten. Wohl aber eine große Einmütigkeit unter den Kardinälen. Andere wiederum betonen, bei den Aussprachen im Vatikan im Vorfeld des Konklaves sei Tacheles geredet worden – man habe ob der Missstände im Vatikan kein Blatt vor den Mund genommen. Einer sagt sogar, die Bude hätte ganz schön gequalmt. Kann ja gut sein – und für den heiß ersehnten weißen Rauch lässt diese Botschaft doch nur hoffen …