Das Konklave ist geprägt von der Krise der Kurie

Auf welchen Papst wartet die Welt?

In Rom wird in diesen Tagen spürbar, dass im Vatikan eine bedeutende Wahl bevorsteht, mit Kandidaten und Wählern aus allen Kontinenten. Ein Kommentar von Ludwig Ring-Eifel (KNA). 

Wer wird wohl neuer Papst? / © Claudio Celli (InterMirifica)
Wer wird wohl neuer Papst? / © Claudio Celli ( InterMirifica )

Sieht man die mehr als 6.000 Medienvertreter aus allen Erdteilen, die in diesen Tagen auf den berühmtesten Schornstein des Planeten starren, gewinnt man den Eindruck, als warte die ganze Welt auf einen neuen Papst. So recht passt das nicht zu den Thesen über die katholische Kirche, die man zuletzt in deutschen Medien immer wieder zu hören bekam. Wenn die dort vorherrschende Meinung zuträfe, wäre kaum zu begreifen, warum es so viele Menschen interessiert, wenn in Rom 115 überwiegend alte Männer das Oberhaupt einer kaum noch relevanten Randgruppe wählen. Zumal es sich um eine Gruppierung handelt, die, wie einige Kommentatoren meinten, seit Jahren durch Krisen, Skandale und Reformstau in Richtung Bedeutungslosigkeit marschiert.

Kandidaten und Wähler aus aller Welt

In Rom ist in diesen Tagen eine andere Realität mit Händen zu greifen. Hier wird spürbar, dass im Vatikan - vom UN-Generalsekretär einmal abgesehen - der einzige Führungsposten einer weltweit relevanten, internationalen Gemeinschaft gewählt wird, mit Kandidaten und Wählern aus allen Kontinenten. Das überwältigende weltweite Interesse korrigiert also die negative Sicht mancher Deutscher auf die römische Kirche und den Papst, aber wirklich beruhigend ist das alleine noch nicht. Denn nicht nur die Zahl der Medienvertreter und der Grad ihrer Neugier ist ein wichtiger Gradmesser, auch der Inhalt ihrer Fragen und der Fokus ihres Interesses sind bedeutsame Indikatoren. Und da fällt auf, dass die beherrschenden Themen bei dieser Wahl die internen Konflikte der Kirche sind. Es geht um die Irritationen zwischen den Bischöfen aus aller Welt und dem vatikanischen Apparat, der sogenannten Römischen Kurie. Es geht um die Vertrauenskrise zwischen den katholischen Laien und ihren Priestern, die zuletzt durch die Missbrauchsskandale vertieft wurde. Es geht kaum noch um die Rolle der Kirche in der Welt.

Der Papst als Leuchtturm der Gewissheit

In Tausenden von Gesprächen zwischen Journalisten, Monsignori und Kardinälen (letztere natürlich stets nur in absoluter Diskretion!) schält sich in diesen Tagen in Rom eine seltsam verengte Erwartungshaltung heraus. Man fragt vor allem, ob der neue Papst in der Lage sein wird, die Kurie zu säubern und zu reformieren. Bestenfalls spricht man auch darüber, ob er das Charisma haben wird, die Gläubigen und den Klerus mitzureißen und die Kirche aus ihrer Haltung der Defensive herauszuführen. Völlig verschwunden sind aber Fragen, ob der kommende Papst in einer verunsicherten Welt ein Leuchtturm der Gewissheit sein kann. Oder ob er Gerechtigkeit einklagen und den Weltfrieden voranbringen wird - sei es im Dialog mit anderen Religionsführern, sei es durch Friedensinitiativen, denen nur dieser eine Mann mit seiner besonderen moralischen Autorität jenseits der Macht der Waffen und des Geldes das nötige Gewicht verleihen kann. Wie eine Erinnerung an längst vergangene Zeiten wirkt heute die damals unbestrittene weltpolitische Größe von Päpsten wie Johannes XXIII. oder Johannes Paul II.

Die bescheidene Sichtweise, die das zweite Konklave des 21.Jahrhunderts dominiert, ist zunächst eine Folge des eher unpolitischen, betont geistigen Ratzinger-Pontifikats. Aber es ist auch eine Konsequenz der radikalen Entzauberung, die Vatikan und Papstamt in den letzten Jahren durchgemacht haben. So wie das blutige Attentat auf Papst Johannes Paul II. und seine spätere dramatische Krankheit zur beinahe mystischen Überhöhung des Amtes beitrugen, so haben die Pannen, der Aktendiebstahl und zuletzt der Rücktritt von Benedikt XVI. das Papsttum in der Wahrnehmung geschrumpft.

Entzauberung als Chance

Und so, wie es in der langen Kirchengeschichte Zeiten gab, in denen der weltliche Anspruch des Papstes als eine Art Ober-Herrscher und Schiedsrichter über Fürsten und Könige überdehnt wurde, scheint nun seine Rolle ein ganzes Stück zu niedrig angesetzt zu werden. Dann wirkt das Konklave etwa so, als ob der Aufsichtsrat eines internationalen religiösen Konzerns den neuen CEO bestimmt.Doch in dieser Entzauberung liegt auch eine Chance: Der Blick wird frei für das Wesentliche.

Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn hat bei seinem letzten öffentlichen Gottesdienst vor dem Konklave mit einfachen und zugleich eindrucksvollen Worten daran erinnert, dass der Papst vor allem deshalb als "Heiliger Vater" angeredet wird, weil er ein irdisches Abbild der Liebe des Vaters im Himmel geben soll.Und dass er mit dieser Liebe eine Aufgabe nicht nur für die Kirche, sondern für die gesamte Menschheit hat. Die Botschaft lässt aufhorchen. Nur wenn die Kardinäle bei der Papstwahl wieder das große Ganze in den Blick nehmen, kann die Kirche Nabelschau und Grabenkämpfe überwinden und ihre eigentliche Aufgabe für die Welt erkennen.

Ein Kommentar von Ludwig Ring-Eifel


Quelle:
KNA