Vatikanbeobachter erklärt den Fahrplan für die Wahlwoche

„Habemus Papam“ bis Freitag?

Der Wahltermin ist festgezurrt, heute steht ein Ruhetag an – die Kardinäle dürfen kurz verschnaufen bevor sie ihr Vorkonklave beenden und die eigentliche Papstwahl startet. Vatikanbeobachter Gottfried Bohl (KNA) über die Wahlwoche in Rom.

Der Countdown für das Konklave läuft (KNA)
Der Countdown für das Konklave läuft / ( KNA )

domradio.de: Die Entscheidung ist gefallen, wann das Konklave beginnt. Pater Lombardi ist am Freitag vor die Presse getreten. Was hat er genau dazu gesagt?

Gottfried Bohl: Er hatte am Freitagmittag schon angedeutet, dass Montag wahrscheinlich zu knapp wird. Und dann gab es am Nachmittag in der zweiten Sitzung der Kardinäle schon nach sehr sehr kurzer Zeit die Mitteilung per SMS und Mail an die Journalisten hier, dass es am Dienstagnachmittag losgeht. Dienstagvormittag mit der großen Messe, Dienstagnachmittag dann der erste Wahlgang. Damit war aber nach den mittäglichen Andeutungen schon zu rechnen.

domradio.de: Die Kardinäle haben sich in den vergangenen Tagen beraten, was waren dabei die Themen im Vorkonklave?

Bohl: Ein ganz wichtiges Thema war der Zustand der Kurie hier, der Verwaltungsapparat sozusagen im Vatikan. Es ist ja alles geheim, aber das ein oder andere sickert natürlich durch. Da gab es ja nach dem Vatileaks-Skandal auch um die Vatikanbank einige Themen, wo eine Unzufriedenheit gerade von außen zu hören war. Das war wohl immer wieder Thema, dass da doch sehr kritisch gefragt wurde, was steckt da wirklich dahinter. Es wurde über die Situation der Kirche in den verschiedenen Erdteilen berichtet, es ging um die Rolle der Frau in der Kirche, es ging um das Verhältnis zwischen der Zentrale hier im Vatikan und den Ortskirchen, also da gab es viele verschiedene Themen. Es war auch gar nicht so genau festgelegt. Jeder Kardinal hatte fünf Minuten Redezeiten und konnte sie nutzen für die Themen, die er für wichtig hält. Was man so hört, ist, dass es auf jeden Fall am Montag in der letzten bzw. vorletzten Versammlung bevor das Konklave wirklich losgeht, noch einmal dezidiert um den Punkt gehen soll, welche Anforderungen ein künftiger Papst erfüllen soll. Das ist zwar immer wieder angeklungen, aber da soll es richtig Thema werden.

domradio.de: Was bedeutet es, dass die Kardinäle der Papstwahländerung vom emeritierten Papst Benedikt gefolgt sind? Insider sagen, das spricht vielleicht für einen italienischen Papst. Sehen Sie das auch so?

Bohl: Das ist, glaube ich, sehr viel Kaffeesatzlesen. Wenn man gesagt hätte, wir reden nicht lange, wir fangen sofort an zu wählen, dann hätte man sagen können, gut, da haben sich die Leute aus der Kurie, aus dem Vatikan vielleicht selbst durchgesetzt. Aber es war doch einhellige Meinung, dass man sich jetzt wirklich Zeit nehmen will, um vorher zu diskutieren. Man hatte jetzt fünf Tage Zeit und am Samstag eine Runde, am Montag wahrscheinlich noch zwei Versammlungen. Am Sonntag ist ein Ruhetag. Aber man hört auch ein bisschen: Jetzt haben wir viele Themen durch, die Ungeduld wächst, die Nervosität wächst so ein bisschen, dass man sagt, jetzt könnte es auch losgehen. Aber da zu sagen, das spricht für einen italienischen Papst, das wäre zu viel des Guten.

domradio.de: Wie angespannt sind die Kardinäle denn, können Sie das beurteilen?

Bohl: Ich bin dagewesen, als die Kardinäle am Morgen alle in die Synodenaula hereingegangen sind. Das machte schon einen sehr lockeren Eindruck. Ich glaube, so ein bisschen ist mit der Terminfestlegung die Anspannung erst einmal abgefallen, zumindest wirkte es nach außen so. Sie dürfen ja eigentlich nichts mehr sagen, außer „Hallo“ und „Schöne Grüße an die Journalisten“ ist da jetzt auch nichts mehr Inhaltliches zu hören, aber ich habe schon den Eindruck, man freut sich ein bisschen, ist gespannt und da ist sicherlich eine Nervosität. Ich glaube, die Kardinäle sind sich auch sehr bewusst, dass sie eine sehr wichtige Aufgabe mit weitreichenden Folgen haben: einen neuen Papst zu wählen.

domradio.de: Wann es losgeht, das wissen wir jetzt, aber gibt es auch eine Deadline bis wann die Kardinäle einen neuen Papst gewählt haben müssen?

Bohl: Nein, die gibt es nicht. Es gibt eine sehr komplizierte Wahlregelung, dass man sagt, wieviele Wahlgänge es an jedem Tag gibt und nach einer bestimmten Anzahl an Wahldurchgängen ist dann auch mal wieder ein Tag Pause für Gebet und Meditation, aber auch ausdrücklich für zwanglose Gespräche, wie es in der Wahlordnung heißt. Ich gehe davon aus, dass es nicht zu einem Tag Pause kommen wird. Der wäre nach der Wahlordnung am Samstag. Ich schätze, dass Freitagabend spätestens ein neuer Papst gewählt ist, aber auch das ist natürlich Spekulation. Wenn es jetzt so sein sollte, dass sich mehrere Kandidaten blockieren, dann kann es natürlich länger dauern. Es gibt keine Deadline nach hinten, aber es sagen eigentlich alle, sie wollen an Ostern zu Hause sein und bis dahin die Amtseinführung hinter sich haben. Aber das kann natürlich nicht das einzige Kriterium sein, andere sagen lieber eine gute Wahl als eine schnelle Wahl, das ist sicherlich auch richtig. Aber ich würde einmal tippen, dass es bis zum Freitagabend einen neuen Papst geben wird.

domradio.de: Kristallisiert sich denn für Sie ein Favorit heraus?

Bohl: Es werden natürlich Namen genannt. Wer sehr oft genannt wird, ist Kardinal Scherer aus Sao Paolo aus Brasilien, der angeblich ein Favorit der Lateinamerikaner sei, auf den sich aber auch die nordamerikanischen Kardinäle einigen könnten. Viel genannt wird Kardinal  Scola aus Mailand als italienischer Kandidat und dann  wird immer Kardinal Tagle genannt, einer der Jüngsten von den Philippinen, aber viele sagen auch, er sei noch viel zu jung mit 55. Und Kardinal Ouellet aus Kanada ist auch einer, der immer wieder gehandelt wird, aber das ist alles sehr spekulativ und ich glaube da so wirklich einen Favoriten herauszuerkennen, so wie es Kardinal Ratzinger bei der letzten Wahl war, das halte ich für sehr schwierig diesmal. Ich glaube, die Wahl ist sehr sehr offen.

Das Interview führte Heike Sicconi


Quelle:
DR