Deutschland exportiert berufliche Ausbildung auch mit Kolping-Hilfe

Erfolgsmodell Duale Ausbildung

Beim Kolpingtag 2015 in Köln hat Thomas Silberhorn Einblick in die entwicklungspolitische Bildungsarbeit von Deutschland gegeben. Er ist Staatssekretär beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Kurs im Schweißen / © Ingo Wagner (dpa)
Kurs im Schweißen / © Ingo Wagner ( dpa )

domradio.de: Viele der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge stammen aus afrikanischen Staaten oder vom Balkan. Bedeutet das nicht im Umkehrschluss, dass Entwicklungshilfe für diese Länder aufgestockt werden müsste? Damit die Menschen dort eine Perspektive haben und auf die Flucht verzichten?

Thomas Silberhorn (Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, CSU-Mitglied): Wir tun eine ganze Menge, allein das Entwicklungsministerium setzt in dieser gesamten Legislaturperiode zwölf Milliarden Euro ein, um in den Herkunftsländern die Ursachen von Fluchtbewegungen zu bekämpfen. Da gehören Infrastrukturprogramme dazu, die wir insbesondere auf Nordafrika, aber auch auf Westafrika und Ukraine konzentrieren und natürlich auf den Nahen Osten, wo die meisten Flüchtlinge herkommen. Wir engagieren uns im Balkan, dass wir berufliche Bildung fördern, um junge Leute so zu qualifizieren, dass sie auf dem Arbeitsmarkt eine Chance haben.

Aber wir müssen natürlich sehen, die tiefere Ursache der Fluchtbewegung, mit der wir im Moment konfrontiert sind, liegt auch darin, dass wir uns über viele Jahre wohl zu wenig diesen Herkunftsländern von Flüchtlingen zugewandt haben. Schuldzuweisungen führen uns im Moment nicht weiter, wir müssen alle Energien jetzt darauf konzentrieren, Antworten zu finden auf diese Krise. Wir brauchen zunächst auch Maßnahmen, die schnell wirken.

Das Welternährungsprogramm ist so ausgestattet, dass die Essensrationen auf unter 1000 Kalorien am Tag reduziert werden mussten. Es sind noch nicht einmal die Hälfte der Zusagen erfüllt worden, die die Staaten international dem Welternährungsprogramm gegeben haben und deswegen appellieren wir auch an die internationale Gemeinschaft, da muss jetzt dringend nachgesteuert werden. Wir haben von deutscher Seite unsere Zusagen nicht nur erfüllt, wir haben auch noch zusätzlich jetzt 20 Millionen Euro für den Libanon und den Irak (gegeben, Anm. d. Red.), also für das Welternährungsprogramm, dass dann diese Mittel für die Bevölkerung vor Ort umsetzt. Es gibt aber viele andere unserer Partner im Geberkreis, die eben auch ihren Beitrag leisten müssen.

domradio.de: Sie haben es gerade schon angesprochen, dass Hilfsorganisationen an den Rand ihrer Kapazitäten kommen, weil zahlreiche Mitglieder der internationalen Gemeinschaft ihre Zusagen nicht erfüllt haben, wie erklären Sie sich das? Sind das leere Versprechungen, die da gemacht wurden?

Silberhorn: Ja, man trifft sich zu internationalen Konferenzen und verabredet sich hier zu Beiträgen, die aber dann auch eingebracht werden müssen. Deswegen ist es notwendig, dass man weiter diplomatische Initiativen ergreift und dass auch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eingebunden wird, dass die Regionalmächte um Syrien herum auch mit an den Tisch kommen. Es hilft nicht, wenn der eine auf den anderen zeigt und alle miteinander zu wenig tun, sondern wir müssen die Menschen, die betroffen sind von diesem schrecklichen Bürgerkrieg in Syrien in den Mittelpunkt unserer Überlegungen stellen und dafür sorgen, dass sie schlicht ein Überleben haben durch konkrete Unterstützung für die Bevölkerung vor Ort mit unseren Instrumenten. Aber auch mit den internationalen Organisationen wie Unicef und Welternährungsprogramm, die vor Ort darauf warten, dass wir sie endlich so ausstatten, dass sie auch alle Menschen erreichen können.

domradio.de: Ihr Chef, Bundesentwicklungsminister Müller, misst ja im Gegensatz zu seinem Vorgänger der Arbeit von NGOs und der Zivilgesellschaft insgesamt sehr viel größere Bedeutung zu. Wie können denn zivilgesellschaftliche Gruppen dazu beitragen, dass die Menschen in ihren Heimatländern wieder eine wirtschaftliche Perspektive haben und somit auch nicht unbedingt nach Europa wollen?

Silberhorn: Die zivilgesellschaftlichen Organisationen leisten einen ganz wichtigen Beitrag, weil sie nahe an den Menschen sind, gerade in den Ländern, wo wir gar keine staatliche Entwicklungszusammenarbeit aufsetzen können. Wir haben ein großes Interesse daran, dass wir mit unserer Unterstützung die Menschen direkt erreichen, dass jeder Euro, der für Hilfe gedacht ist, auch wirklich bei den hilfesuchenden Menschen ankommt und nicht in dunklen Kanälen auf den Weg dorthin versickert. Wir haben ein Interesse daran, dass unsere Entwicklungsprojekte in die Breite der Bevölkerung hineinwirken. Dazu ist es notwendig, dass man auch die Kräfte innerhalb einer Gesellschaft stärkt. Entwicklung kann man nicht von außen in ein Land hineinimportieren, sondern das muss aus dem Land heraus wachsen und deswegen wird man strukturelle Veränderungen und mittel- bis langfristige Verbesserungen nur erreichen, wenn die Gesellschaft sich insgesamt auch auf den Weg machen kann. Dazu sind die Nichtregierungsorganisationen unverzichtbar.

domradio.de: Sie waren Gast beim Kolpingtag hier in Köln. Was ist Ihr Bezug dazu?

Silberhorn: Zunächst mal habe ich natürlich in meinem Wahlkreis Kolpingfamilien und ich freue mich, dass ich jetzt in meiner Arbeit als Staatssekretär im Entwicklungsministerium mit Kolping International zu tun habe. Kolping hat eine besonders intensive Erfahrung im Thema berufliche Bildung und Ausbildung, die für uns ganz wichtig ist, wir haben in vielen Ländern die Situation, dass es zwischen akademischer Ausbildung und Nichtqualifizierung wenige Zwischenstufen gibt. In Deutschland haben wir das anders organisiert mit unserer Berufsausbildung. Wir sind damit nahe auch an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes und deswegen haben wir kurze Wege von der Schule in den Arbeitsmarkt. Daran haben viele viele Staaten ein großes Interesse, gerade in den Ländern, wo die Bevölkerung schnell wächst und diese Expertise, jungen Leuten eine ganz konkrete Perspektive mit Qualifizierung, Bildung, Ausbildung zu geben. Das setzen wir gerne auch mit Kolping International um. Im Grunde genommen ist Adolph Kolping schon weit vor der Dualen Ausbildung in Deutschland auf diesem Weg unterwegs gewesen. Deswegen können wir hier viel einbringen, unsere Partnerländer wissen, wovon wir sprechen, wenn wir ihnen solche Angebote unterbreiten und wir setzen sie auch mit großem Erfolg um, auch mit Kolping International.

Das Interview führte Ina Rottscheidt.


Quelle:
DR