Rentenkürzungen sollen gesetzlich ausgeschlossen werden - Kritik katholischer Verbände

Garantien für Millionen?

Mit einer gesetzlichen Garantie will die Bundesregierung den 20 Millionen Rentnern in Deutschland die Furcht vor möglichen Kürzungen nehmen. Das Bundeskabinett billigte am Mittwoch eine Neuregelung von Arbeitsminister Olaf Scholz, mit der dauerhaft ausgeschlossen werden soll, dass die Renten in konjunkturell schwachen Zeiten sinken. Dem Gesetz muss noch der Bundestag zustimmen. Rentenexperte Dr. Hubert Wissing vom Kolpingwerk lehnt das Gesetz im domradio-Interview ab. Er fordert eine Sockelrente.

 (DR)

Das Kolpingwerk ist einer der fünf katholischen Verbände, die das "Bündnis Sockelrente" gegründet haben.  Die katholischen Verbände fordern eine Sockelrente, die das Existenzminimum sichert. Diese soll vor allem Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiographien, zum Beispiel durch längere Familienphasen, begünstigen. Die Sockelrente soll über Abgaben auf alle Einkommensarten finanziert werden. Die weiteren Bausteine des Rentenmodells sind „alte Bekannte": eine modifizierte Arbeitnehmerpflichtversicherung sowie eine ergänzende private und betriebliche Altersvorsorge. Der heutige Beschluss des Bundeskabinetts jedoch sei kurzsichtig, die Problematik des demographischen Wandels würde dadurch eher verschärft.

Ex-Bundesarbeitsminister Norbert Blüm bezeichnete die Renten-Garantie als «Pfusch». «Was die machen, ist keine systematische Antwort. Das ist eine Antwort aus dem Hüftgelenk. Ich will mit denen nicht verwechselt werden», sagte Blüm, der den Satz 'Die Rente ist sicher' geprägt hat. Ein Absinken des Rentenniveaus lasse sich dauerhaft nur durch höhere Beiträge verhindern, betonte der CDU-Politiker. «Man kann die demografische Entwicklung nicht wegreformieren. Der liebe Gott zahlt nicht die ausgefallenen Beiträge. Die müssen die Leute bezahlen.»

Minister Scholz sagte am Mittwoch nach der Ministerrunde: «Wer einzahlt, muss sicher sein, dass er sich auf die Rente verlassen kann.» Das sei eine «Frage des Vertrauens». Und dieses werde gefährdet, wenn mit unbegründeten Zahlen, Ängste geschürt würden. Der Minister reagiert mit der Maßnahme auf die Debatte über mögliche Rentenkürzungen im nächsten Jahr. Künftig soll daher die bestehende Schutzklausel bei der jährlichen Rentenanpassung auch im Falle einer negativen Lohnentwicklung greifen.

Scholz betonte jedoch: «Wir gehen nicht davon aus, dass es zum Einsatz dieser Garantie überhaupt kommt.» Daher koste sie auch nichts. Er verwies zugleich darauf, dass die Regelung keine «Rentensteigerungsgarantie» sei. Vorwürfe, es handele sich bei dem Gesetz um eine Wahlkampfinitiative, wies der Minister zurück. Er sagte: «Das Gesetz hätte ich auch vorgeschlagen, wenn der nächste Wahlkampf noch dreieinhalb Jahre entfernt läge.» Mit einem Anstieg der Rentenbeiträge über die derzeitigen 19,9 Prozent hinaus rechnete Scholz vorerst nicht.

Der Parlamentarische Wirtschaftsstaatssekretär Hartmut Schauerte (CDU) widersprach derweil Spekulationen über einen Rückgang der durchschnittlichen Lohnsumme in diesem Jahr. «Eine Verlängerung der Kurzarbeitergeldes von 18 Monaten auf 24 Monate dürfte in diesem Jahr keine nennenswerten Auswirkungen auf die Lohnentwicklung haben», betonte er. Die Verlängerung greife erst im Jahr 2010. Die vom Kabinett beschlossene Klarstellung trage aber zur Beruhigung der Betroffenen bei.

Der Sozialverband VdK bezeichnete die Renten-Garantie als «Schritt in die richtige Richtung». VdK-Präsidentin Ulrike Mascher hob jedoch hervor, dass weitere Nullrunden bei der Rente nur verhindert werden könnten, indem die «Rentenkürzungsfaktoren» wie der Riester- oder der Nachhaltigkeitsfaktor abgeschafft würden.

Rentenexperte Bernd Raffelhüschen kritisierte den Kabinettsbeschluss scharf. Er betonte: «Wir haben kein Problem der Altersarmut in Deutschland, wir haben ein Problem von Kindesarmut und wir haben ein Problem von Familienarmut.» Allerdings seien «Kinder und zukünftige Generationen keine Wähler von heute». Er sagte: «Deshalb sollte die Rente eigentlich auch nie in den Wahlkampf eingebunden werden.»