Katholische Verbände streiten um Höhe des Mindestlohns - Koalition entscheidet Montagabend

Gegen Hungerlöhne in Deutschland

Im Streit um den gesetzlichen Mindestlohn haben sich am Wochenende die großen katholischen Sozialverbände zu Wort gemeldet. Sie pochen auf die Einführung von Mindestlöhnen, haben allerdings unterschiedliche Vorstellungen über die Höhe. Vor der Koalitionsrunde am Montag im Kanzleramt verlangte das Kolpingwerk Deutschland 7,50 Euro pro Stunde, die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) 8,50 Euro. Beide Organisationen haben zusammen knapp eine halbe Million Mitglieder. Der Streit in der großen Koalition geht derweil weiter.

 (DR)

Unter Verweis auf aktuelle Studien betonte der KAB-Bundesvorsitzende Georg Hupfauer: "Deutschland entwickelt sich zum Armenhaus Europas." Immer mehr Arbeiter müssten von "Hungerlöhnen" leben. Diese reichten nicht aus, um Wohnung und Essen zu finanzieren, "geschweige denn eine Familie". Hupfauer warnte vor einer Begrenzung des Mindestlohns auf einzelne Branchen. Dies würde ganze Arbeitnehmergruppen ausgrenzen und zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft führen.

Gegen die "Ausbeutung von Arbeitnehmern" müssen nach Ansicht des Kolpingwerks Grenzen gesetzt werden. Der stellvertretende Bundespräses, Ottmar Dillenburg, sagte am Sonntag in Köln weiter, die Mindestvergütung solle sich nach dem sozio-kulturellen Existenzminimum richten, das jährlich zu ermitteln sei. Der Stundenlohn müsse so hoch sein, dass das Einkommen bei Vollzeitarbeit das festgelegte Existenzminimum übersteige.

SPD hat erstes Wahlkampfthema gefunden
Vor der mit Spannung erwarteten Sitzung des schwarz-roten Koalitionsausschusses am Montag streiten Union und SPD weiter über die Einführung von Mindestlöhnen. Nach monatelangem Ringen soll endlich eine Entscheidung fallen. Entweder der Koalitionsausschuss einigt sich im Streit um die Mindestlöhne, oder die Verhandlungen sind gescheitert, so sehen es zumindest Politiker aus der Union. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer ließ daran in den letzten Tagen keinen Zweifel: "Hier muss - hopp oder topp - das Thema mal erledigt sein. Entweder wir können uns auf gewisse Dinge einigen oder nicht." Für SPD-Linke ist derweil klar: Scheitern die Gespräche, wird der Mindestlohn zum Wahlkampfthema.

Der designierte SPD-Vize Frank-Walter Steinmeier bekräftigte: "Die SPD will einen gesetzlichen Mindestlohn." Er hoffe, dass es am Montag zu einer Verständigung komme, fügte der Außenminister hinzu. "Ich rate der Union dringend, sich von ihrer verbohrten Ideologie zu lösen und sich die Realität im Land anzuschauen", sagte er. Auf den Feldern vergammele Spargel, "weil die polnischen Erntehelfer gleich nach Irland und Großbritannien weiterfahren", wo sie erheblich mehr verdienten.

"Die Union hat signalisiert, dass sie bereit ist, weitere Branchen in das Entsendegesetz aufzunehmen" - und damit faktisch für diese Bereiche einen Mindestlohn zu akzeptieren, sagte SPD-Fraktionschef Peter Struck der "Bild"-Zeitung (Montagausgabe). Das ist schon ein großer Erfolg der SPD. Für Branchen, in denen es keine Flächentarifverträge gibt - beispielsweise bei den Post-Zustelldiensten, wird es wohl zu keiner Einigung kommen.

Jugendlichen nicht den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren
Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Ludwig Georg Braun, warnte die große Koalition eindringlich vor der Einführung von Mindestlöhnen in Deutschland. Diese würden Einfacharbeiten verteuern und die Chancen der Geringqualifizierten weiter verschlechtern, sagte Braun der "Frankfurter Rundschau" (Montagausgabe). "Den Arbeitnehmern ist nicht damit gedient, wenn ihre Löhne angehoben werden und sie dadurch ihren Job verlieren", sagte Braun. "Auch zeigt sich in der Praxis, dass niedrige Löhne vor allem Einstiegslöhne für junge Leute am Anfang des Erwerbslebens sind. Ein Mindestlohn würde daher bedeuten, gerade Jugendlichen den Zugang in den Arbeitsmarkt zu erschweren."

Koch kündigte an, mit allen ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten gegen die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns anzugehen. "Es darf nicht sein, dass der Staat sagt, welches der gerechte Preis für Arbeit ist. Das muss der Markt tun", argumentierte der stellvertretende CDU-Vorsitzende.

Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) wandte sich "gegen einen generellen flächendeckenden Mindestlohn", betonte aber zugleich, sich einen branchenbezogenen Mindestlohn "durchaus vorstellen" zu können.

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